Mit Patientinnen reden. Eine Einführung in die Thematik und Konzeption (original) (raw)

Zu den wesentlichen Motiven ärztlichen Handelns gehören das Interesse am Menschen, die Sorge für die Patienten und der Wunsch, zu deren Genesung beizutragen. Ein fundiertes medizinisches Fachwissen und die sichere Anwendung sowohl diagnostischer als auch therapeutischer Maßnahmen sind dafür grundlegende Voraussetzungen. Dies ist allerdings nicht ausreichend. Ärztliche Behandlung kann-sieht man von den zeitlich begrenzten Situationen im Umgang mit bewusstlosen Patienten ab-ohne die Fähigkeit des Arztes zur Gestaltung einer fruchtbaren Kommunikation nicht erfolgreich gestaltet werden. Gelungene Kommunikation ist dabei dann anzunehmen, wenn die Wahrnehmungs-und Interpretationsvorgänge bei den Gesprächspartnern ähnlich ablaufen d. h. Kommunizieren zielt darauf ab, Gemeinsamkeit zwischen ihnen herzustellen. Dazu gehört sowohl die Kompetenz, einen guten Kontakt zum Patienten herzustellen und aufrechtzuerhalten als auch die erfolgreiche Anwendung bestimmter Gesprächstechniken. Scheinbar die selbstverständlichste Sache der Welt ist, dass Arzt und Patient miteinander reden. Das Reden über Krankheit ist für beide die Grundlage für Diagnose und Behandlung. Sowohl bei Medizinstudenten als auch bei praktisch tätigen Ärzten ist nicht selten die Ansicht anzutreffen, dass Kommunikation etwas sei, das jeder Mensch sowieso beherrsche und daher nicht der besonderen Aufmerksamkeit bedürfe. Allerdings sind seit den 1970er-Jahren in den USA und in Europa eine Vielzahl wissenschaftlicher Untersuchungen zur ärztlichen Gesprächsführung durchgeführt worden, deren Ergebnisse die Notwendigkeit einer kommunikativen Schulung medizinischen Fachpersonals deutlich machen. Die Patientin1 kommt mit ihrer individuellen Krankheits-und Lebensgeschichte in einer Situation zum Arzt, in der sie Hilfe benötigt und in aller Regel durch die Krankheitszeichen verunsichert ist. Neben dem Anliegen, der Arzt möge mit seinen medizinischen Interventionen die Krankheit beheben oder in ihrer Wirkung abmildern, spielt hier das Bedürfnis eine Rolle, vom Arzt nicht als "Fall", sondern als Individuum wahrgenommen zu werden und auch emotionale Unterstützung beim Umgang mit ihren Beschwerden und Ängsten zu finden. 1 Die Autorinnen und Autoren dieses Buches gehen mit den Geschlechtszuschreibungen unterschiedlich um. In jedem Fall wird, da, wo konkrete Gesprächspartnerinnen bzw.-partner beteiligt sind, die zutreffende Form gewählt. Ansonsten werden die Formen frei gehandhabt und beziehen sich immer auf beide Geschlechter.