Die didaktische Pragmatik und ihre Grenzen im Zeitroman von Siegfried Lenz (original) (raw)

In seinem Buch Beziehungen. Ansichten und Bekenntnisse zur Literatur betont Siegfried Lenz, daß Geschichte keineswegs der objektive Stoff sei, der in den Verliesen der Zeit ruhe. «Von der Geschichte», so schreibt er, «geht vielmehr eine permanente Herausforderung aus, die jeden in seiner Gegenwart betrifft, die jeden zwingt, seine Fragen an vergangene Begebenheiten zu stellen. Insofern ist Geschichte eine Möglichkeit zum Selbstverständnis» 1. Dieses Zitat macht zweierlei deutlich: zum einen die enge Verbindung, die Lenz zwischen Literatur und Geschichte aufstellt, d.h. für ihn vornehmlich Geschichte seiner Zeit, zum anderen zeigt es seine Auffassung von zeitgeschichtlichem Geschehen als Offenbarungsmöglichkeit von Bewußtseinsstrukturen. Unter diesem Aspekt ist für S. Lenz Geschichte identisch mit dem, was Alexandre Kojève in seiner Hegel-Interpretation über Geschichte lehrt: Geschichte ist keine Aneinanderreihung von empirischem Material, von historischem Stoff; Geschichte ist immer menschliche Geschichte. Natur hat keine Geschichte. Geschichte ist die Geschichte menschlichen Handelns, menschlichen Werdens. Sie zeugt vom Wandel des menschlichen Geistes, von seiner Selbstverwirklichung in Raum und Zeit 2. 2 Mit Hilfe seines Schreibens versucht S. Lenz, diesen Wandel des menschlichen Bewußtseins zu veranschaulichen und eine Verbindung aufzustellen zwischen Wirklichkeit und Imagination. Denn die Vorstellungen in unserem Kopf, unsere Wünsche und Ideale bedingen eben jene Ereignisse, die wir Geschichte oder Zeitgeschehen nennen. «Als Geschichtenerzähler kommt man nicht darum herum, nach Motiven, Gründen zu fragen, die uns so oder so handeln lassen», bekennt S. Lenz 3. Seine Romane Deutschstunde 4 und Heimatmuseum 5 , auf die sich die gegenwärtige Analyse Die didaktische Pragmatik und ihre Grenzen im Zeitroman von Siegfried Lenz