Barocklyrik als Inspirationsquelle – Andreas Gryphius’ Sonnette als Lebensphilosophie (original) (raw)

2024, Acta Universitatis Wratislaviensis. Germanica Wratislaviensia

Obgleich der Barockdichter Andreas Gryphius bereits vielmals kritisch unter die Lupe genommen worden ist, bestehen weiterhin recht viele Desiderata bei der Erkundung insbesondere seiner Lyrik. Einige seiner Sonette, die auch hier zur Sprache kommen, haben praktisch kanonischen Rang erworben, aber die Masse seiner Gedichte ist doch bisher nur sehr kümmerlich untersucht worden. Welchen Stellenwert sie für den modernen Rezipienten haben mögen, ist bis heute eine ganz offene Frage. Dieser literarhistorischen Herausforderung kann man sich am besten so nähern, indem man zunächst überhaupt eine interpretative Sonde an sein umfangreiches Werk heranführt. Durch die sorgfältige Analyse einer Auswahl seiner Sonette wird hier eine Reihe von bemerkenswerten Aussagen universaler Art identifiziert, die es uns erlauben, Gryphius' Texte nicht nur in ihrer literarischen, sondern auch religiösen, philosophischen und ethischen Dimension genauer in den Griff zu bekommen. Auf dieser Grundlage ist es möglich, spezifisch die Überlegung in den Vordergrund zu rücken, warum und wie man sich heute mit Gryphius allgemein oder im deutschen Literaturunterricht auseinandersetzen kann.

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Barocklyrik aus dem Geiste des Humanismus: Die Sonette des Johannes Plavius

Kulturgeschichte Preußens königlich polnischen Anteils in der Frühen Neuzeit

zählt zu den bekannten Unbekannten der deutschen Barockliteratur. Zwar gilt nicht mehr, daß über seinen »Lebenslauf kei ne Nachrichten zu erlangen sind«;' doch weist die Biographie immer noch große Lücken auf: Johannes Plavius wurde um das Jahr 1600 in Nehausen oder Neuhaus in Thüringen geboren.2 Er studierte im Winter semester 1621 an der Universität Frankfurt an der Oder;3 spätestens seit 1624 lebte er in Danzig, wo er in den Jahren vor der Ankunft von Mar tin Opitz als deutschsprachiger Dichter das literarische Leben mitprägte. Den terminus a quo seines Danziger Aufenthalts verbürgt sein frühestes bekanntes Gedicht, ein im Jahre 1624 in Danzig gedrucktes Epithalami

Andreas Gryphius’ Sonette: Eine Interpunktionsgeschichte

Studia Neophilologica, 2018

Die vorliegende Arbeit untersucht die Versionen der 29 Sonette von Andreas Gryphius (1616-1664), die in allen der zu seinen Lebzeiten erschienenen Drucke vorliegen. Drei Aspekte der Gedichte werden im Sinne eines erweiterten Interpunktionsbegriffs berücksichtigt: Die Sonettgraphie und Seitengestaltung, die Interpunktionszeichen und die Hervorhebung durch Großschreibung. Die Interpunktion der Sonette wurde ständig revidiert, und es lassen sich bedeutende Unterschiede feststellen. Wer dafür verantwortlich warder Dichter oder die verschiedenen Buchdruckerlässt sich mit letzter Sicherheit nicht entscheiden. Doch ist wahrscheinlich, dass den Buchdruckern größere Bedeutung für die Gestaltung der Interpunktion zuzumessen ist als dem Autor selbst. Die Analysen machen auch deutlich, wie sich die Unterschiede in der Interpunktion auf die Interpretation der Sonette auswirken. 1 Einleitung Andreas Gryphius (1616-1664) gehört zu den wenigen heute noch bekannten deutschen Barockautoren. Er galt lange als ausgeprägter Dichter der vanitas und des Pessimismus; bekannte Beispiele dafür sind die häufig anthologisierten Sonette "Thränen des Vaterlandes" und "Es ist alles eitel", die als zeitlose Zeugnisse traumatischer Kriegserfahrungen und existentieller Angst betrachtet wurden. 1 Seit der großen Konjunktur der germanistischen Barockforschung in den 1960er und 1970er Jahren werden Fragen der historischen Kontextgebundenheit seiner literarischen Tätigkeit intensiv untersucht; es ist immer deutlicher geworden, auf welche hochinteressante und komplexe Weise Gryphius' Werke die literarischen, theologischen und politischen Strömungen seiner Zeit reflektieren. 2 Die Gryphius-Forschung ist in ihren Ansätzen und Perspektiven weit gefächert; es liegt eine Vielfalt von wichtigen Arbeiten zu Leben, Werk und Kontext vor. So verzeichnet die Bibliographie des neulich erschienen Gryphius-Handbuches fast 1 000 Titel (Schütze 2016). Ein wichtiges Thema der Gryphius-Forschung ist seit der bahnbrechenden Monographie von Victor Mannheimer (1904) die Analyse seiner Gedichte, die als "so etwas wie der Inbegriff deutscher Barockgedichte" gelten (Borgstedts Nachwort zu Gryphius 2012: 211). Im Zentrum der Leserrezeption und der Forschung stehen die Sonette, die zu Gryphius' Lebzeiten mehrmals gedruckt wurden und in unterschiedlichen CONTACT Bo Andersson

Barockdichtung. Gryphius als paradigmatischer Autor der Barockforschung seit dem frühen 20. Jahrhundert

Gryphius-Handbuch. Hg. von Nicola Kaminski und Robert Schütze, 2016

Mit dem Einzug geistesgeschichtlicher Methodik erlebt die Germanistik zu Beginn des 20. Jahrhunderts -darin ist sich die Fachhistoriographie einig -einen ihrer »tiefgreifendsten und folgenreichsten Paradigmenwechsel[ ]«, 1 ja für den Teilbereich der Barockforschung gar eine Zäsur im Superlativ, eine, die ihresgleichen nicht hat, denn »[k]eine Epoche der deutschen Literaturwissenschaft und Literaturgeschichtsschreibung ist für die Barockforschung anregender und produktiver gewesen als die Zeit der zwanziger und dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts«. 2 Wo ›Barock‹ -sei es als überhistorisch gedachter stilgeschichtlicher Grundbegriff oder als geschichtlich situiertes Epochenkonstrukt -nun zum Thema wird, geschieht dies in aller Regel unter wertungslogisch umgekehrten Vorzeichen: Was vormals den Verdikten ›Schwulst‹ oder ›Manierismus‹ zum Opfer gefallen ist, sich handlich zurechtgemacht als »Negativfolie für die Entwicklung zur Klassik« 3 dargeboten hat, weicht mit den Erzvätern der germanistischen Barockforschung in zunehmender Tendenz seit den 1920er Jahren einem regelrechten »Barockenthusiasmus«. 4 Dem for-

Ästhetischer Konservatismus und Lebensphilosophie. Friedrich Schlegels «neue Mythologie» in der Wiener Zeit

2015

For a long time Friedrich Schlegel’s conservatism in his Vienna years has been considered a catholic and restorative thought related to Metternich’s political line. Thus Schlegel’s conservatism, which after the beginning of the Napoleonic Empire in 1804 and the fall of the Sacred Roman Empire in 1806 centres on the ideal of a new Austrian ‘Empire’, is less reactionary and more innovative than it could seem at first sight. Taking into consideration Schlegel’s nearly forgotten Vienna university lectures about ‘Modern History’ (held in 1810) and about ‘Philosophy of Life’ (projected around 1810 and held in 1827), this contribution aims to illustrate that the author’s reflections on the history and politics of his time are of a genuine philosophical nature. These lectures manifest Schlegel’s ambitious attempt to formulate a new form of aesthetic and (at the same moment) political vision, a sort of ‘New Mythology’ whose implications will influence crucial tendencies of the conservative thought of first half of the twentieth century in the German-speaking countries.

Das trojanische Pferd der Scholastik: Antoine de Chandieu (†1591) über Sophistereien, Syllogistik – und Rhetorik

Language and Method, 2017

The paper analyzes and contextualizes the view on medieval scholasticism of the early protestant scholastic Antoine de Chandieu. In the Genevan context of the late 16th century, Chandieu surprisingly accuses medieval scholasticism of having depended too much on rhetoric. Rather than being critical about the entanglement of philosophy and theology as such, he suggests to get rid of the Trojan Horse of rhetoric that, in his view, medieval scholastics had introduced into theology when proposing, in the head of their quaestiones, arguments both for a positive and a negative answer. Chandieus approach is thus telling both for the struggles of the late 16th century between humanist and scholastic paradigms, and for the more general fact that very quickly the middle ages became a melting pot for all different kinds of reproaches.

Die Sonne als Sprössling des Guten – das Schicksal eines platonischen Gleichnisses im Renaissance-Neuplatonismus (bei Marsilio Ficino

Marsilio Ficino, der im 15. Jahrhundert fast sämtliche Schriften Platos ins Lateinische übersetzt hat, gilt als einer jener Renaissance-Philosophen, die wesentlich zur Hervorhebung der Mittelstellung der Sonne beigetragen haben. Die zahlreichen der Sonne und dem Licht gewidmeten Stellen in seinem Gesamtwerk zeigen, dass dies schon von einem frühen Brief aus dem Jahre 1454 (Quaestio de luce) bis zu den kleineren Schriften De sole und De lumine aus dem Jahr 1493 zu den dominanten Themen seines philosophischen Denkens gehört. Dadurch bringt man ihn notwendig in Verbindung mit dem heliozentrischen Modell des Weltalls und den in seiner Zeit entstehenden, neuen kosmologischen Theorien. Daraus ergibt sich die Frage: Woher bekommt Ficino den Anstoß für seine Thematisierung der Sonne und des Lichtes? Mit den Themen Licht und Sonne beschäftigt er sich, wie erwähnt, schon in einem aus dem Jahre 1454 stammenden Brief, viel früher also, als seine Plato-Übersetzungen entstanden sind. 1 Außerdem konnte er die Inspiration für seine Schriften über dieses Thema auch in den sog. Hermetischen Schriften (Corpus hermeticum und Asclepius) finden, die Hermes Trismegistos zugeschriebenen werden und die Ficino im Auftrag von Cosimo Medici 1463 übersetzt hat (die Schriften wurden 1471 veröffentlicht). 2 Es ist aber eine Tatsache, dass gerade die Plato-Interpretation den Stützpfeiler seiner Philosophie ausmacht. Im Zusammenhang mit seiner Thematisierung der 1 Die Übersetzung der meisten Plato-Dialoge fertigte er bis 1469 an. Die Übersetzungen wurden 1484 veröffentlicht. 2 Die so gennanten Hermetischen Schriften (Corpus hermeticum und Asclepius mit von Stobaeus gesammelten Fragmenten), dem legendären Hermes Trismegistos zugeschrieben, wurden 1924 in Oxford veröffentlicht (hrsg. v. W. Scott: Hermetica) sowie zwischen 1945 und 1954 in Paris (hrsg. von Festugière-Nock). Sonne und des Lichtes ist Folgendes hervorzuheben: Die Einsicht in Ficinos Werke zeigt, dass er Platos Gleichnis des Guten und der Sonne (Buch VI der Politeia) in fast allen seinen Werken bringt und dass wir es auch am Anfang von De sole finden, einer ausdrücklich der Sonne gewidmeten Schrift. Das bisher Gesagte berechtigt uns zu folgender Frage: Macht die Philosophie Platos oder genauer: der Vergleich des Guten mit der Sonne im Buch VI der Politeia tatsächlich den Ausgangspunkt für Ficinos Interesse an der Sonne aus, in dem er die Grundinspiration für seine Standpunkte über die Sonne und das Licht findet, die in seinen diesem Thema gewidmeten Schriften dargelegt sind? Außerdem stellt sich die Frage: Kann man aufgrund der ermittelten Bedeutung des platonischen Gleichnisses im Rahmen der Philosophie Ficinos und seiner in der Plato-Interpretation begründeten Hervorhebung der Rolle der Sonne von einem Einfluss der Philosophie Platos auf die Transformation des Weltbildes im 16. Jahrhundert und die Formulierung neuer kosmologischer Theorien sprechen -dank der Plato-Rezeption durch Ficino? Bisher ist nämlich zur Genüge auf den Einfluss hingewiesen worden, den Ficino auf G. Bruno und dessen Rezeption der kopernikanischen Theorie ausgeübt hat, ferner auf seinen unmittelbaren Einfluss auf Kopernikus, aber auch auf Galilei, um nur die wichtigsten Repräsentanten der neuen wissenschaftlichen Theorien zu erwähnen. 3

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