Schwab Von der Leseform zur Lebensform Zur Rolle der Dichtung (original) (raw)
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Weimarer Beitrage, 2010
Der Briefwech el zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan ist im August 2008 endlich er chienen 1 , nachdem er von der Familie jahrelang ehr zum Leidwesen der For cher unter Verschluß gehalten wurde und ur prünglich auch er t 2023, 50 Jahre nach Bachmanns Tod, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden ollte. E ist ein Briefwechsel, an dem man zuweilen verzweifeln möchte, so wenig chaffen es diese Giganten der deutschen Sprache zu >sprechen< und sich-bei und trotz aller Be chwörung-mittel der Worte beizustehen. Es cheint eher ine Geschichte de Schweigens und der Mißverständnisse zu sein. Das ist and rer eits so er taunlich nicht, ind doch beide nicht umsonst Schrift teller, die das Schweigen und die Schwierigkeit des Sprechens in Anbetracht der hi torichen Umstände ehr zu Recht zu einem zentralen Element ihrer Poetiken gemacht haben. Da i t auch Ausdruck ihre leben geschichtlichen Hintergrunds. Die Ausgabe bringt eb nfalls die Briefwechsel beider mit dem jeweiligen Partner des anderen, Giseie Celan-Lestrange und Max Frisch, die beeindruckende Dokumente von deren menschlicher Größe sind. 2 Rezensenten und Wis en chaftler prechen von einem »Meilenstein der Literaturge chichte«3 und zählen die Liebe beziehung zu den »dramati chsten und folgenreichsten Begebenheiten der deutschen Literatur nach 1945 «~. Superlative zuhauf. E i t fraglos ein Ereignis-zu Recht, denn auch wenn die Beziehung kein Geheimni mehr war und die For chung ber it eit einiger Zeit stark beschäftigte, sie in der Bachmann-Forschung seit den neunziger Jahren geradezu den Schwerpunkt bildete 5 , so i t doch ihre Intensität und ihre Bedeutung für beide Dichter immer noch tark unter chätzt worden. Besonder bei Celan-For chern best ht die Neigung, Bachmanns Werk al unterlegen bzw. tark von Celan beeinfluat einzuschätzen. Auf den er ten Blick scheint dieser Briefwech el eine solche Sichtwei e zu unter tützen, erdeutlicht er doch, wie sehr Ingeborg Bachmann, in Werk und Leben, auf den Menschen Paul Celan, auf eine Dichtung und Poetik au gerichtet war. Und dies offenbar bi zu ihrem Tode, wenn man ihr Werk betrachtet, vor allem die nach Celan Tod überarbeitet n Teile von Malina 1971, wo mit eindeutig m Bezug auf Celan Selbstmord in der Seine teht »Mein L ben i t zu Ende, denn er i tauf
Journal of the History of Philosophy, 1968
Begriff und Bild Die Existenzphilosophie hat eine ihrer Wurzeln in dem metaphysischen Begriff des Lebens, wie ihn Goethe und Nietzsche gedacht haben. Da gibt es kein "aussen", neben oder uber diesem Leben; es ist sich selbst genug, und doch drangt es auf Steigerung. Nicht von aussen treten philosophische Erkenntnis und kunstlerische Anschauung an das Leben heran; sie sind selbst Bewegungen dieses Lebens, das uber sich ins Kl are und Reine kommen will. Sie sind Weisen der Selbst-interpretation des Lebens. Diesen Charakter des Lebens, uber sich selbst hinaus zu drangen,
Gibt es einen epischen Modus? Käte Hamburgers "Logik der Dichtung" evolutionspsychologisch gelesen
Endre Hárs, Márta Horváth & Erzsébet Szabó (Hg.): Universalien? Über die Natur der Literatur, Trier: WVT, 2014
Käte Hamburger hat vor gut einem halben Jahrhundert die These aufgestellt, dass an Dichtung zwei grundsätzlich verschiedene sprachliche Aussagesysteme beteiligt seien, deren idealtypische Manifestation sie in erlebnishafter Lyrik einerseits und in der fiktionalen Er-Erzählung andererseits gegeben sah.' Das erste Aussagesystemdas der Lyriksei in einer starken "Ich-Origo" als Sprecherposition verankert, von der aus alle Dinge, über die gesprochen wird, eine handfeste zeiträumliche Wirklichkeit erhalten. Bei dem zweiten Aussagesystemdem der Er-Erzählunghandle es sich hingegen um eine Art sprecherloses Sprechen, in dem die Dinge, über die gesprochen wird, nicht apriorisch für jemanden wirklich seien, sondern mangels einer koordinatendefinierenden Sprecherposition im koordinatenlosen ,NiemalsG und ,NirgendwoL der epischen Fiktion schwebten, aber gerade dadurch eine besondere, von jeglichem Aussagesubjekt unabhängige "imaginäre 0bjektivitätM2 erhielten. Die erste Aussagefom charakterisiert Hamburger als Als-ob-Struktur, das heißt als Nachahmung regulärer Rede, einen fingierten Sprechakt; die zweite Aussageform sei hingegen vielmehr eine Als-Struktur: nicht Nachahmung, sondern Darstellung, das heißt direkte sprachliche Konstitution einer eigenen, einer Schein-Wirklichkeit. "[D]er erzählende Dichter ist kein Aussagesubjekt," sondern bloße "Erzählfiinktion"; "er erzählt nicht von Personen und Dingen, sondern er erzählt die Personen und ~i n~e "~.
Erlebnis und Dichtung Beobachtung der Form in Hofmannsthals Erlebnis des Marschalls von Bassompierre
Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 2002
Der Essay verfolgt die narratologischen und epistemologischen Implikationen von Hofmannsthals Bearbeitung der Bassompierre-Geschichte aus Goethes Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten im Hinblick auf seinen Pratext und Diltheys "organische" Konjunktion von "Erlebnis" und "Dichtung". The essay traces the narratological and epistemological implications of Hofmannsthai's "transcription" of the "Bassompierre story" from Goethes Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten with regard to his pretext and Diltheys "organic" conjunction of "Erlebnis" and "Dichtung".
Die Wirklichkeit der Lyrik Zu den Dichtungskonzeptionen Hofmannsthals und Benns
Rombach Wissenschaft – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft eBooks, 2009
Über das Verhältnis von Literatur und Wirklichkeit ist unendlich viel geschrieben worden, die Überlegungen zum Begriff der Fiktion füllen Hunderte von Abhandlungen. Besonders schwierig wird es dort, wo es um lyrische Texte geht, bei denen nicht einmal sicher ist, ob und-wenn ja-in welchem Sinne sie denn überhaupt dem Bereich der Fiktion zuzurechnen sind. Bekanntlich haben sich nicht nur Literaturtheoretiker, sondern auch Autoren mit dieser Frage beschäftigt. Allerdings waren etwa Hugo von Hofmanns thal und Gottfried Benn, um die es hier gehen soll, wohl kaum an hochabstrakten Einsichten interessiert. Ihr Interesse galt eher dem Versuch, Erfahrungen in ausreichender Klarheit zu formulieren, die sie mit ihren eigenen Gedichten machten. Die folgenden Ausführungen wollen zunächst einem Text von Hugo von Hofmanns thal fast kommentierend folgen, dann die Poetologie Gottfried Benns skizzieren und schließlich in einem dritten Teil einige Verse dieses Autors analysieren, um einem Problem nachzugehen, dem theoretische Abhandlungen in der Regel auszuweichen pflegen, dem Problem nämlich, wie ›Wirklichkeit‹ im konkreten Gedicht erscheint. Eines der bedeutsamsten Dokumente zum Verhältnis von Lyrik und Wirklichkeit ist sicher Hofmanns thals »Gespräch über Gedichte« 1 von 1903, ein Text, der sich nicht nur mit der Besonderheit poetischer Werke, sondern auch mit deren anthropologischen Grundlagen beschäftigt. Sowohl von der poetologischen Thematik als auch von der Anlage her zeigt das »Gespräch« große Ähnlichkeiten mit der 1902 erschienenen Schrift »Über Charaktere in Roman und Drama«. In beiden Fällen handelt es sich um Dialoge, einmal zwischen Balzac und Hammer-Purgstall (dem berühmten Übersetzer der Hafis-Dichtung), das andere Mal-im »Gespräch über Gedichte«-zwischen Gabriel und Clemens, zwei Figuren, die Zeitgenossen des Autors sein könnten. So läßt sich vermuten,
2007
Hermeneutik der Dichtung I ‚Dichtung' und ‚Deutung' 1 scheinen in einem eindeutigen Verhältnis zueinander zu stehen, das man näherhin als ein wechselseitig dienendes Verhältnis bezeichnen könnte. Die Dichtung in ihrer sie als solche kennzeichnenden Vieldeutigkeit ist auf die Deutung angewiesen, die erst die Vieldeutigkeit der Dichtung zutage fördert-in immer wieder neuen, die Dichtung deutenden Perspektivierungen. Und seinerseits ist das Geschäft der Deutung auf die Dichtung und ihre Vieldeutigkeit angewiesen. Das Verhältnis der Wechselseitigkeit ist somit ein Abhängigkeitsverhältnis. Das erhellt auch daraus, daß die Deutung so alt ist wie die Dichtung selbst. Und dennoch: Die Deutung deutete zumeist weniger im Interesse der Dichtung denn im eigenen Interesse. Sie entwickelte bei aller Bezüglichkeit auf ihren Gegenstand eine gewisse Eigenständigkeit. Das gilt für die Allegorese und den Euhemerismus der hellenistischen Zeit nicht anders als für moderne Methoden und Theorien, e.g. die Rezeptionsästhetik, die Intertextualität, eine der Psychoanalyse, der Sozial-und Mentalitätsgeschichte, gar dem Marxismus verpflichtete Exegese, zudem die Systemtheorie, Medientheorie, Kulturanthropologie und nicht zu vergessen die diversen turns, die in ihrer rasanten Abfolge sich jeweils selbst ‚erledigen', zugleich das Baudelairesche Modernitätskonzept aufs Schönste bestätigen. Somit ist gegenüber der ‚Deutung der Deutung' die ‚Deutung der Dichtung' immer erneut ins Hintertreffen geraten-und damit das vornehmste Geschäft der Literaturwissenschaft. 2 Eine Ausnahme bilden Formalismus und Strukturalismus. Ihr Verdienst liegt darin, sich auf die Beschreibung der Form und der Struktur der Dichtung konzentriert und sich damit auf die Höhe-nicht nur-der modernen Dichtung selbst begeben zu haben. An die Seite der philosophischen Hermeneutik tritt erstmals die aisthetische Hermeneutik, genauer: die Hermeneutik der Aisthesis. 3