Familien-Ideale (original) (raw)

Vor einiger Zeit traf ich auf dem Spielplatz eine Mutter von drei Kindern, die den gleichen Kindergarten besuchen, wie meine beiden Kinder. Sie sah angestrengt und mürrisch aus. Eine Erklärung lag für mich auf der Hand, hatte ich am Tag zuvor doch ihren Mann mit einem eingegipsten Fuß gesehen. "Oh, du Arme. Jetzt musst du sicherlich alles alleine machen mit den Kindern", sagte ich anteilnehmend. Doch in finsterem Ton erwiderte sie: "Wir müssen doch immer alles alleine machen. " Für den Bruchteil einer Sekunde war mir nicht klar, wen sie mit dem kollektivierenden 'wir' meinte. Sprachlos stand ich vor ihr. Da ihre Aufmerksamkeit schon wieder von ihren Kindern absorbiert wurde, endete unser Austausch abrupt. Für uns beide ist klar, was ich mit "alles alleine machen" meine: die Arbeit in der Familie. Aber während es für mich selbstverständlich ist, die Arbeit mit meinem Mann zu teilen, ist für die andere Frau selbstverständlich, dass alle Frauen diese Arbeit alleine erledigen. Von eben dieser Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Ideale, die das Leben von Frauen und Männern im Rahmen familialer Geschlechterarrangements regulieren, handelt der folgende Text. In der beschriebenen Szene besteht eine Differenz zwischen den Vorstellungen zweier Frauen. In Interviews, die ich mit Paaren unterschiedlicher sozialer Milieus geführt habe, zeigt sich zudem, dass 'alte' und 'neue' Vorstellungen von der Arbeitsteilung auch innerhalb einer Frau oder eines Mannes nebeneinander existieren können (vgl. König 2012). Im Folgenden werde ich der Frage nachgehen, wie sich diese paradoxe Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Ideale auf die Geschlechterarrangements auswirkt. Im Mittelpunkt steht dabei die Hausarbeit: Ich beschreibe, wer die Hausarbeit wann, warum und wie erledigt. Und ich frage danach, was mit den zentralen