Wittgenstein und der Wiener Kreis – Denkstil und Denkkollektiv (original) (raw)
Veröffentlichungen des Instituts Wiener Kreis, 2015
Abstract
Was das Verhaltnis zwischen Wittgenstein und dem Wiener Kreis angeht, vermittelt die gangige Historiographie das Bild einer fast einseitigen Rezeption, einer direkten Beeinflussung des Wiener Kreises durch den fruhen Wittgenstein. In der Tat scheinen derartige stereotype Erklarungsmuster von den Selbstdarstellungen einiger Mitglieder des Wiener Kreises bestatigt zu werden. Und in der Programmschrift Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis (1929) wird die Einstellung des Zirkels um Moritz Schlick mit Wittgensteins Diktum illustriert: „Was sich uberhaupt sagen last, last sich klar sagen.“ Mit diesem Zitat sollte die antimetaphysische Haltung als gemeinsames Ziel unterstrichen werden. Die daran anschliesende Behauptung, die wissenschaftliche Weltauffassung kenne „keine unlosbaren Ratsel“, lenkte die Wittgenstein-Rezeption des Wiener Kreises – zumindest seines „linken Flugels“ um Hans Hahn, Rudolf Carnap und Otto Neurath – freilich in eine Richtung, die den Ambitionen Wittgensteins diametral zuwiderlaufen musste. Denn nicht die Mobilisierung eines philosophischen Kollektivs als „antimetaphysischer Stostrupp“ war dessen Intention, sondern – wie wir inzwischen hinlanglich wissen – Sprachkritik und klarende Gedankenarbeit als moralisches und therapeutisches Anliegen im Sinne von Karl Kraus, Adolf Loos und Arnold Schonberg: ein philosophisches Gegengewicht zum manierierten Feuilleton und zum metaphysischen Leerlauf der Sprache.
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