Platon, Phaidon (original) (raw)

Platon, Kriton

2022

Interlinearübersetzung mit Transkriptionszeile und Angabe im Deutschen ungewöhnlicher/nicht vorhandener grammatikalischer Konstruktionen / Interlinear Translation (Greek-German)

Platon und Paulus

Die herausragende Position Platons in der Geschichte der Philosophie des Abendlandes ist bis heute unumstritten. Als Bindeglied zwischen seinem Lehrer Sokrates und seinem Schüler Aristoteles legte er die Grundlagen für Philosphie, Natur-und Geisteswissenschaft. Etwa 400 Jahre nach Platon betrat ein Mensch die Weltbühne, dessen Einfluss auf die Philosophie, sowie die ganze Geschichte der westlichen Welt kaum fassbar ist. Paulus von Tarsus -von dem hier vielleicht etwas überraschend die Rede ist -und Platon, ohne Zweifel zwei wichtige Gestalten der Antike, die unser Denken bis heute beeinflussen. Ähnlich alt sind die Verknüpfungen, die zwischen den Gedankenwelten des Platonismus und des Christentum hergestellt werden. Inwiefern diese Verknüpfungen ihre Berechtigungen haben und ob eine tatsächliche Beeinflussung stattfand, darüber herrscht heute in der Forschung immer noch Uneinigkeit, so dass die Betrachtung dieser Problematik hier nicht und auch im weiteren Verlauf nur kurz aufgenommen werden soll. Stattdessen soll sehr grob ein Blick auf die philosophischen Gedanken Platons und die theologischen Annahmen Paulus geworfen und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden. Natürlich kann hier in keinster Weise Vollständigkeit beansprucht werden. Ganz im Gegenteil: Auf Grund der Beschaffenheit dieser Arbeit fallen viele Aspekte unter den Tisch und manche Gedankengänge Platons (besonders die, die sich im Laufe seines Lebens wandelten) müssen stark vereinfacht dargestellt werden. Alle Bibelzitate beziehen sich auf die revidierte Lutherbibel von 1984. Platon Platon Philosophie ist natürlich auch immer vor seinem zeitgeschichtlichen Hintergrund zu betrachten. Er wurde 427 v. Chr. in Athen in eine wohlhabende Familie hineingeboren 1 und wurde schon in seiner Jugend Freund und Schüler Sokrates 2 . Nach dessen Tod verließ er wohl Athen, allerdings wissen wir nicht wohin. Er kehrte später zurück und gründete die berühmte Akademie und 1 Vgl. STEVENSON, LESLIE/HABERMAN, DAVID L.

Platon, Apologie

2020

Interlinearübersetzung mit Transkriptionszeile und Angabe im Deutschen ungewöhnlicher/nicht vorhandener grammatikalischer Konstruktionen / Interlinear Translation (Greek-German)

Platon in Sein und Zeit

Berühmt ist der Gedanke des englischen Philosophen A. W hi­ tehead, daß die G eschichte der w estlichen Philosophie eine Reihe von Fußnoten zur Philosophie Platons ist.' Die Philoso­ phie kehrte im m er w ieder zu Platon zurück und wiederholte seine Ideen in verschiedenen Gestalten. Innerhalb derselben G eschichte der Philosophie erhoben sich aber auch Stimmen gegen Platon, unter denen die von F. Nietzsche den stärksten Anklang fand. Die G eschichte der Philosophie ist also nicht nur die Geschichte aufnehm ender und positiver, sondern auch negativer, verw eigernder 'Fußnoten' zum Denken Platons: sie ist Platonismus, aber auch Anti-Platonismus. Im Verhältnis H ei­ deggers zu Platon können wir auf beide Haltungen stoßen. Der reife und der späte Heidegger wird eher durch den A nti-Pla­ tonism us gekennzeichnet. Dam it setzt er sich dafür ein, das pla­ tonische Herkommen der Philosophie zu überwinden und die Philosophie wieder zu den vorsokratischen Ursprüngen zurück­ zuführen, vor allem zu den zwei Giganten der antiken O nto­ logie, Parmenides und Heraklit. Im Gegensatz dazu pflegt der frühe Heidegger-wie wir sehen werden-ein positives Ver­ hältnis zu Platon. Und doch findet man in Heideggers H auptw erk Sein und Zeit, dessen Ziel der Abbau der westlichen philosophischen Tradition ist, den Namen Platons nicht unter den Denkern, de­ nen er besondere Aufm erksam keit widmet. Seine hervorragen­ den Gesprächspartner in diesem Werk sind Aristoteles, Descar­ tes und Kant. Diese Auswahl ist leicht verständlich, wenn man bedenkt, daß die Frage, der Sein und Zeit gewidmet ist, die des Zusam ­ m enhangs zwischen dem Sein und der Zeit ist. Die bereits er­ wähnten Denker haben im Bereich dieser elem entaren Frage eine besonders wichtige Rolle gespielt. Trotzdem kom mt Pla­ ton eine bedeutungsvolle Stellung innerhalb des G edankenhori­ zontes von Sein und Zeit zu. Bedeutend ist schon die Tatsache,

Die Ethik Platons

  1. Platon stammt aus dem Athener Hochadel. Er wurde 427 v. Chr. geboren, als das demokratisch regierte Athen noch auf der Höhe seiner Macht stand, aber schon begonnen hatte, mit Sparta einen erbitterten Krieg um die Vorherrschaft in Griechenland auszufechten, der schließlich 404 mit der Niederlage der Athener enden sollte. Das nicht demokratische Sparta, das im Athener Adel viele Sympathien besaß, setzte daraufhin eine oligarchische Regierung ein, der auch zwei Verwandte Platons, sein Onkel Charmides und Kritias, der Vetter seiner Mutter, angehörten. Wegen des von ihnen ausgeübten Terrors wurden sie bald die Dreißig Tyrannen genannt, doch ihre Herrschaft währte nur kurz, und Athen kehrte schnell wieder zur Demokratie zurück. Platon selbst hielt sich von der aktiven Politik fern, doch das Regierungssystem Spartas blieb auch ihm in vieler Hinsicht ein Vorbild. In seiner Jugend soll er Gedichte und Tragödien geschrieben haben, und vielleicht wäre aus ihm ein guter Dichter geworden, wenn er nicht Sokrates begegnet wäre, der ihn dazu brachte, seine Dichtungen zu verbrennen und sein Schüler zu werden (DL III.5). Auch als Sokrates 399 der Prozeß gemacht und er zum Tode verurteilt wurde, vergaß Platon seinen Lehrer nicht. Mit seinem Werk setzte er ihm ein bleibendes Denkmal. Wissen und Nichtwissen: das dialogische Prinzip Platons Schriften sind weder philosophische Abhandlungen im modernen Sinne noch Lehrvorträge, wie sie schon zu Platons Zeit üblich waren und nach ihm blieben. Mit Ausnahme der Briefe handelt es sich um in konkrete Situationen eingebettete, (16) räumlich und zeitlich mehr oder weniger stark umrissene Gespräche zwischen Personen, von denen die meisten tatsächlich gelebt haben, einige wenige vielleicht auch erfunden sind. Aus der Situation erwächst jeweils eine Fragestellung, die ein Gespräch in Gang setzt, von den Anwesenden ein Stück weit verfolgt wird, sich oftmals im Laufe des Gesprächs verschiebt oder für den Augenblick ganz fallen gelassen wird, um einem scheinbar ganz anderen Gegenstand Platz zu machen. Im Mittelpunkt, als Führer und Träger des Gesprächs, steht meist die Figur des Sokrates. 2 Ihm, der selbst nie etwas geschrieben hat, verleiht Platon seine Stimme, bleibt so hinter ihm verborgen und spricht doch durch ihn hindurch, ohne daß man genau zu sagen vermöchte, wo das Sokratische endet und das Platonische beginnt. Es ist die sokratische Frage nach dem guten Leben, dem besten, das dem Menschen möglich ist, die selbst in den späteren ontologischen und kosmologischen Entwürfen Platons vorherrschend bleibt, auch wenn wenig von dem, was Sokrates hierüber äußert, sich letztlich als Lehrgegenstand festhalten läßt. Eine Handvoll Leitgedanken durchzieht die Gespräche: daß Tugend Wissen ist und niemand freiwillig ungerecht, daß allein das tugendhafte Leben zur Glückseligkeit führt und darum nicht das Unrechtleiden, sondern das Unrechttun das größte Übel für jeden ist -kaum mehr als das. Obwohl sich Platons Denken zweifellos während des halben Jahrhunderts seiner literarischen Tätigkeit entwickelt, werden doch diese sokratischen Grundpositionen in ihrem Kern niemals angetastet. Alles andere, auch die vielberedete "Ideenlehre", steht buchstäblich in Frage. Denn hiermit, mit der Frage, nicht mit dem Wissen, beginnen nicht nur die sokratischen Gespräche, sondern sie hören in der Regel auch damit auf. Da wird der junge Charmides im gleichnamigen Dialog allseits für seine Besonnenheit gelobt, doch als Sokrates ihn fragt, was das denn eigentlich sei: das Besonnene, ist Charmides zwar nicht um eine Antwort verlegen, doch vermögen seine Bestimmungsversuche den Angriffen des Sokrates nicht (17) lange standzuhalten. Genauso geht es auch Nikias und Laches mit der Frage, was die Tapferkeit sei (Laches) Eutyphron mit der Bestimmung des Frommen und Unfrommen (Eutyphron), Hippias mit der des Schönen (Hippias Major), Thrasymachos und anderen mit der des Gerechten (Politeia I). Wenn nun, nachdem alle Bestimmungsversuche gescheitert sind, von Sokrates die wahre Antwort erwartet wird, sehen sich Gesprächsteilnehmer wie Leser getäuscht: Auch Sokrates kann keine zufriedenstellende Lösung der angesprochenen Probleme geben. Denn nicht nach dem, was er schon weiß, hatte er ja 2 Erst in den letzten Schriften Platons wird die Gesprächsführung anderen Figuren übertragen (Sophistes, Politikos) und erst in Platons letztem großen Dialog, den Gesetzen (Nomoi), ist Sokrates auch als Teilnehmer verschwunden. gefragt. Es ist ihm vielmehr selbst -bei aller gelegentlichen Ironie im Umgang mit seinen Gesprächspartnern -um das Auffinden des Wissens zu tun, das er noch nicht hat. Er, und mit ihm und durch ihn Platon, beschreitet die Wege, auf denen die Menschen es finden zu können glauben -und läßt sich von offenbaren Sackgassen nicht entmutigen. (Die Erfahrung des Nichtwissens) Vor dem Athener Gerichtshof gezwungen, sich gegen den Vorwurf seiner Ankläger zu verteidigen, er glaube an fremde (oder gar keine) Götter und verderbe die Jugend, berichtet Sokrates, wie er zu dem wurde, der er ist: ein unermüdlich Fragender, der nicht abläßt, bis sich niemand mehr irgendeiner Sache gewiß ist. Als nämlich sein Freund Chairephon einmal das Apollon-Orakel zu Delphi befragt hatte, ob irgend jemand weiser sei als Sokrates, verneinte dies die Pythia. Verwundert über diese Äußerung, die so sehr seiner Selbsteinschätzung widersprach, ging Sokrates zu jenen, die wegen ihrer Weisheit gerühmt wurden, in der Hoffnung, auf diese Weise das Orakel zu überführen oder doch wenigstens seinen Sinn zu verstehen. Doch wo er auch hinging, mit wem er auch sprach: Keiner konnte halten, was sein Ruf und sein Eigendünkel versprochen hatte. Im prüfenden Gespräch blieb von der angeblichen Weisheit wenig übrig -was ihm die Befragten nicht selten übel nahmen. So erkannte er allmählich die Berechtigung des Orakelspruchs, da er im Gegensatz zu den anderen wenigstens wußte, daß er nichts wußte, und unter den Menschen offenbar (18) derjenige "der Weiseste [ist], der wie Sokrates einsieht, daß er in der Tat nichts wert ist, was die Weisheit anbelangt". So beschloß er, die ihm von dem delphischen Gott durch das Orakel angewiesene Rolle auf sich zu nehmen und sein Leben mit der Suche nach Weisheit zu verbringen (Apol. 21a -23b). Daß Sokrates sich mit diesem Selbstverständnis und der Prüfung und Widerlegung von Wissensansprüchen nicht nur Freunde gemacht hat, ist nicht zu verwundern, denn niemand erscheint gern als Tor, nicht einmal vor sich selbst und vielleicht da noch am allerwenigsten. Auch die Kritik am Bestehenden, die jedes In-Frage-Stelle immer auch ist, muß vielfach Mißfallen erregen, wie die Anklage und der Prozeß zeigen. Doch gerade hier, wo ihn dies das Leben kosten kann, kümmert Sokrates sich wenig darum und gibt sich kaum Mühe, sich aus seiner mißlichen Lage zu befreien -was ihm unschwer hätte gelingen können. Er scheint sich aber keiner ernsthaften Bedrohung bewußt zu sein. Statt sich demütig zu beugen, wie es wohl üblich und der Situation angemessen wäre, macht er aus seiner Verachtung für die Ankläger keinen Hehl. Der offene Affront bleibt nicht ungestraft: Sein angesichts der Todesdrohung unerwarteter Stolz, um dessen Wirkung er wissen muß, verstimmt die Richter und sichert ihm das Todesurteil. Er trinkt den Schierlingsbecher, allem Anschein nach ruhig und ohne Furcht. Und auch dies nicht so sehr, weil er wähnte, er wisse um die Unsterblichkeit der Seele, die er den Freunden gegenüber doch so nachdrücklich behauptet und mit Beweisen bedenklich überfrachtet hat (Phaidon), sondern vielmehr gerade deshalb, weil er nicht weiß, was der Tod bringt. Warum sollte man fürchten, was man nicht kennt? Vielleicht ist der Tod ja der bessere Weg (Apol. 42a). (Die Suche nach Wissen) Weil das Wissen nicht Ausgangspunkt, sondern das ferne Ziel, oder vielleicht eher noch der Orientierungspunkt der Rede und des Denkens ist, schreibt auch Platon keine Lehrvorträge, sondern Gespräche. Darin werden verschiedene Positionen immer wieder erörtert, kritisiert und für den Augenblick ver(19)worfen, um vielleicht später in einem anderen Dialog erneut aufgenommen, aber von Platon niemals abschließend sanktioniert und in einen Kanon von Lehrmeinungen eingereiht zu werden, wie es etwa manche Platoniker im Umkreis der Akademie getan haben mögen. Platon selbst war viel zu vorsichtig, um selbst Platoniker zu werden. In einem wichtigen Zeugnis seines Lebens, dem sogenannten Siebten Brief, erklärt er, daß sich über das wahrhaft Bedeutende überhaupt nicht schreiben lasse und er das auch nicht getan habe, "denn es läßt sich keineswegs in Worte fassen wie andere Lerngegenstände, sondern aus häufiger gemeinsamer Bemühung um die Sache selbst und aus dem gemeinsamen Leben entsteht es plötzlich -wie ein Feuer, das von einem übergesprungenen Funken entfacht wurde -in der Seele und nährt sich dann schon aus sich heraus weiter" (341 cd). 3 Aus diesen Worten braucht man keineswegs zu schließen, wie es einige Interpreten getan haben, daß es neben den Dialogen eine "ungeschriebene Lehre" Platons geben müsse, die den eigentlichen Platon enthalte. 4 Vielmehr sind die Dialoge selbst schon ihrer Struktur nach eine Art ungeschriebene Lehre. Als Dialoge versuchen sie gerade, das Unsagbare zu umkreisen. So tritt Platon denn auch in diesen Schriften mit vielleicht noch größerer Entschiedenheit als Sokrates und ganz anders als die von Sokrates bekämpften Sophisten nicht als Wissender an die Öffentlichkeit, sondern als einer, der dem Wissen nachstrebt, nicht als Sophos, sondern als Philosophos. 5

Störig : Platon ( Auszug )

2015

Ich lasse nun zuerst einen Auszug aus dem Platon-Kapitel aus dem Werk "Kleine Weltgeschichte der Philosophie von Hans Joachim Störig folgen: "Als ich einst jung war, ging es mir wie vielen anderen: Ich hatte im Sinn, sobald ich mein eigener Herr wäre, mich sofort der Politik zu widmen. Diesem Entschluss stellten sich aber folgende Erfahrungen im öffentlichen Leben in den Weg. Unsere damalige Verfassung galt in weiten Kreisen als minderwertig, und so kam es zu einem Umsturz. An der Spitze der neuen Verfassung standen 51 Männer... 30 aber übernahmen die gesamte Regierung mit unumschränkter Gewalt. Unter ihnen hatte ich einige Verwandte und Bekannte, und diese versuchten nun sogleich mich heranzuziehen... Die Erfahrungen, die ich hierbei infolge meiner Jugend machte, sind weiter nicht verwunderlich. Ich hatte geglaubt, sie würden die Staatsverfassung aus einem ungerechten Leben in die Bahn der Gerechtigkeit lenken, und so achtete ich gespannt darauf, was sie tun würden. Und da sah ich dann, dass diese Männer in kurzer Zeit die frühere Verfassung als das reine Gold erscheinen ließen. Abgesehen von anderem beauftragten sie einen mir befreundeten älteren Mann, Sokrates, den ich nicht anstehe, den rechtschaffensten Mann jener Zeit zu nennen, mit anderen, einen Bürger mit Gewalt zur Hinrichtung herbeizuführen, um ihn so... an ihrer Politik mitschuldig zu machen. Dieser aber gehorchte ihnen nicht, sondern riskierte lieber alles, als sich an ihren frevelhaften Handlungen zu beteiligen. Als ich das alles sah und noch manches andere derart und nicht eben Kleinigkeiten, da erfasste mich ein Widerwille, und ich zog mich von diesem verbrecherischen Regiment zurück. Bald darauf wurden die dreißig und mit ihnen die ganze Verfassung gestürzt. Da begann mich wieder, zwar viel langsamer, aber eben dennoch die Lust zu politischer Tätigkeit zu erfassen... Nun geschah es aber, dass einige der Machthaber jenen unseren Freund Sokrates vor Gericht zogen, indem sie die frevelhafteste Beschuldigung gegen ihn erhoben, die am allerwenigsten auf Sokrates passte: Sie zogen ihn nämlich wegen Gottlosigkeit vor Gericht, verurteilten ihn und ließen ihn hinrichten, ihn, der damals an dem ruchlosen Vorgehen gegen einen Gesinnungsgenossen ihrer damals verbannten Freunde nicht hatte teilnehmen wollen... Als ich dies sah und die Leute, die die Regierung führten, die Gesetze und die Sitten, und je mehr ich bei fortschreitendem Alter dies ganze Getriebe durchschaute, desto mehr kam ich zu der richtigen Einsicht, wie schwer es sei, Politik zu treiben. Denn ohne Freunde und zuverlässige Parteigenossen war überhaupt nichts auszurichten... Auch nahmen die Verderbnis in der Gesetzgebung und der Sittenverfall in erstaunlicher Weise zu. Und so ergriff mich, der ich anfangs voll Eifer für politische Tätigkeit gewesen war, bei Blick auf diese Vorgänge und bei der Betrachtung dieses ganzen plan-und ziellosen Treibens schließlich ein Schwindel. Zwar ließ ich nicht ab, mir Gedanken darüber zu machen, wie es denn mit diesen Dingen und mit dem ganzen Staatswesen besser werden könnte, und wartete immer wieder auf eine Gelegenheit zum Handeln, schließlich aber kam ich zu der Erkenntnis, dass die bestehenden Staaten insgesamt in einer üblen Verfassung seien. Denn ihr gesetzlicher Zustand ist nahezu unheilbar, wenn nicht eine wunderbare Neuorganisation unter günstigen Umständen ihnen zu Hilfe kommt. Und so sah ich mich denn genötigt, in Anerkennung der wahren Philosophie es auszusprechen, dass nur sie den Blick für die Gerechtigkeit im gesamten öffentlichen und privaten Leben verleiht und dass das Unglück des Menschengeschlechts nicht aufhören wird, bis entweder das Geschlecht des rechten und wahren Philosophie in den Staaten zur Regierung gelangt oder die Machthaber in den Staaten infolge einer göttlichen Fügung wirklich Philosophen werden." (Platon: Brief VII, 324 B -326 B) Hier haben wir, von Platon selbst in einem Brief (den die Forschung als authentisch anerkennt) geschildert, die bestimmenden Eindrücke seines Lebens und manchen Hinweis für die Beweggründe seines philosophischen und politischen Denkens. Platon wurde 427 v. Chr. geboren als Abkömmling einer der führenden Familien Athens. Er war 20 Jahre alt, als Sokrates seinen Weg kreuzte und ihn auf immer bestimmte, die bis dahin betriebenen literarischen Versuche aufzugeben und sich der Philosophie zuzuwenden. Acht Jahre blieb er dessen Schüler. Unter dem erschütternden Eindruck der Verurteilung und Hinrichtung des Sokrates... kehrte er zunächst seiner Vaterstadt den Rücken, ging vorübergehend nach Megera, unternahm später ausgedehnte Reisen, die ihn vermutlich auch nach Ägypten führten und ihn mit der dortigen Religion und Gelehrsamkeit und auch dem ägyptischen Priesterstand bekannt machten. Vielleicht drang er auch weiter in den Orient vor und lernte die Weisheit der Inder kennen -manches in seinem Werk spricht dafür. Auf jeden Fall aber verweilte er längere Zeit im griechisch kolonialisierten Unteritalien und Sizilien, wo er mit der pythagoreischen Schule in enge Berührung trat und bestimmende Eindrücke für sein späteres Denken empfing. Einige Zeit hielt er sich dabei am Hofe des Tyrannen Dionys von Syrakus auf, den er, im Endeffekt vergeblich, für seine Ideen zu gewinnen suchte. Im Jahre 387 v. Chr. eröffnete er in einem Garten seiner Heimatstadt eine Schule, die nach seinem Tode als "Platonisch Akademie" noch Jahrhunderte lang bestehen sollte. Hier unterrichtete er unentgeltlich einen sich alsbald sammelnden Kreis von Schülern. Ganz dieser Tätigkeit lebend, die nur durch gelegentliche erneute, aber wiederum vergebliche Reisen nach Syrakus unterbrochen wurde, erreichte er ein Alter von 80 Jahren und starb in voller Arbeit. Platons Lehrer Sokrates hatte seine Lehrtätigkeit so ausschließlich als unmittelbare Einwirkung auf seine Mitmenschen in Gespräch und Rede betrieben, dass keine Zeile von ihm selbst überliefert ist. Von Platon ist eine Reihe von Schriften erhalten. Es ist sicher, dass der größte Teil von diesen -inzwischen durch die Forschung von späteren Zutaten und Unterschiebungen gesondert -auch von ihm stammt, ebenso einige Briefe. Ebenso sicher ist aber, dass auch für Platon der Schwerpunkt seines Wirkens in mündlicher Lehrtätigkeit lag. Über die Schriftstellerei hat er nicht gerade mit Hochachtung gesprochen -was bei glänzenden Schriftstellern, wie Platon einer war, des Öfteren vorkam. Doch er sagte geradezu, dass er den innersten Kern seiner Lehre niemals einer Schrift anvertrauen und so der Missgunst und dem Unverständnis preisgeben würde. Darüber, sagt er, "gibt es keine Schrift von mir, und es wird nie eine geben; denn es lässt sich nicht wie anderes, das man erlernen kann, aussprechen, sondern es entsteht plötzlich, wie von einem springenden Funken entzündet, ein Licht in der Seele, das von nun an sich selbst erhält." (Platon: Briefe VII) Immerhin sind für uns Nachfahren seine Schriften die einzige Quelle für die Kenntnis seiner Philosophie, und sie tritt uns aus diesen von ihm fast verleugneten Erzeugnissen noch großartig genug entgegen. Ihre Abfassung erstreckt sich über fünf Jahrzehnte. Die einzelnen Probleme werden darin so behandelt, wie sie sich Platon zu der betreffenden Zeit jeweils darstellten. Zu den meisten Fragen sind deshalb Wandlungen in seiner Auffassung ersichtlich. Platons Werke haben fast alle die Form von Dialogen (Gesprächen). In den ersten, bald nach Sokrates' Tod niedergeschriebenen Dialogen ist dieser die beherrschende Gestalt. Auch in fast allen späteren Schriften spielt er eine Rolle; dabei ist schwer auseinanderzuhalten, wie viel von dem, was Sokrates sagt, auf seine eigenen Äußerungen zurückgeht und wieweit Platon die Figur benutzt, um eigenes auszusprechen. Überliefert unter Platons Namen sind 34 Dialoge. Ein Teil davon gilt als nicht authentisch.

Parallelen zwischen der Kaṭha Upaniṣad und der Palinodie des Sokrates in Platons Phaidros

en R. Rollinger, et al. (eds.), Interkulturalität in der Alten Welt: Vorderasien, Hellas, Ägypten und die vielfältigen Ebenen des Kontakts, Philippika, Wiesbaden, Harrassowitz, 361-381, 2010

Einführung Die Ähnlichkeit der beiden Darstellungen des Bildes der Seele und des Wagenfahrers in der Ka ha Upani ad und im Phaidros wurde immer wieder festgestellt, doch hat kaum einer gewagt, eine Abhängigkeit der beiden Beschreibungen auch nur in Erwägung zu ziehen. 2 Wie wir aber im folgenden Beitrag sehen werden, ist der Vergleich der Seele mit dem Bild des Wagenlenkers keineswegs das einzige gemeinsame Element. Durch die Gegenüberstellung paralleler Passagen wollen wir versuchen, uns einer möglichen Erklärung der erstaunlichen Anzahl gemeinsamer Elemente zu nähern. Es gibt verschiedene Möglichkeiten Parallelen zwischen zwei Kulturen zu erklären: durch Überlieferung gewisser Vorstellungen, die sich auf einen gemeinsamen Ursprung berufen können, durch parallele Entwicklung ähnlicher Ideen und Konzepte, die -im Prinzip -unabhängig von einander entstanden sind, oder durch gegenseitige Beeinflussung, die logischerweise einen direkten oder indirekten Kontakt voraussetzten. Bei jeder Gegenüberstellung von zwei Texten ist es wichtig, sie vorher möglichst genau zu datieren. Die Lebensdaten von Platon sind weitgehend bekannt. So geht man für die Entstehung des Phaidros heute allgemein von den Jahren 369-362 v.Chr. aus. 3 Bei dem Versuch einer Datierung der Ka ha Upani ad stoßen wir aber auf das grundlegende Problem, das die gesamte frühere indische Literatur betrifft: man kann nur versuchen, die Werke durch interne Vergleiche oder anhand dialektaler Charakteristiken 4 in ihrer chronologischen Abfolge einzuordnen, sie aber keines Falles genau datieren. Dazu kommt noch, dass die meisten Werke über längere 1 Der Autor erhielt für diesen Beitrag finanzielle Unterstütztung von dem spanischen Ministerium für Erziehung und Wissenschaft (Projekt: HUM2006-09403/FILO). Er dankt Prof. H. W. Bodewitz und Prof. J. Mendoza für ihre kritische Revision, sowie seinen Betreuern Prof. A. Bernabé und Prof. E. Luján. Für den Inhalt dieses Beitrages ist der Autor allein verantwortlich. Bodewitz (per litteras) hingegen geht von einem deutlich späteren Zeitpunkt aus.