Kritik eines technokratischen Europa (original) (raw)

1946 sprach ein schwedischer Bischof vom "Durchschnittsengländer, der gewisse konstitutionelle Schwierigkeiten hat, ein echtes Interesse an Dingen zu entwickeln, die außerhalb Englands geschehen" und fuhr dann fort, dass die Person, die im Zentrum seiner Rede stand-George Bell, Bischof von Chichester-eine Ausnahme von dieser Regel bilde. 2 Der Bischof war in vielen Beziehungen, darunter seine Haltung zugunsten eines neuen, vereinten Europa, ein ungewöhnlicher Mann. Schon 1939 kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs begann er von der Notwendigkeit einer radikalen Veränderung zu sprechen und trat während des Krieges dafür ein, dass ein europäischer Bundesstaat zu einem der Ziele, für die Großbritannien kämpfte, erklärt würde-in der Sprache der damaligen Zeit: zu einem Friedensziel. Und auch zu Beginn des Kalten Krieges forderte er die Gründung der "Vereinigten Staaten von Europa". Seine letzte öffentliche Stellungnahme zu dieser Frage war 1950 eine Rede im Parlament, in der er den Schumannplan unterstützte. Wie wir jetzt wissen, ist Europa aus dem Schumannplan entstanden. Die Position eines Bischofs zu internationalen Angelegenheiten Bevor wir auf die Ursprünge und Konsequenzen dieser außergewöhnlichen Kampagne eingehen, könnte man in unserem materialistischen Zeitalter die Frage stellen, welche Bedeutung die Meinung eines Bischofs haben kann. In einer Rede vor dem Royal Institute of International Affairs (RIIA), einer sehr einflussreichen Institution des britischen informellen Staats 3 , beschrieb Bell die Rolle 1 Mein Dank gilt Dr. Andrew Chandler, dem Direktor des George Bell Institute (www.georgebellinstitute.org.uk) und an Dr. Katharina Kunter dafür, dass sie eine frühere Version dieses Aufsatzes las und kommentierte. 2 Bishop Yngve Brilioth zitiert in R.C.D. Jasper, George Bell, Bishop of Chichester (London: OUP, 1967), S. 320. 3 Das 1920 gegründete RIIA entstand aus informellen Treffen von Teilnehmern der Pariser Friedenskonferenz von 1919. Es erhielt großzügige Finanzierung von Teilen des Finanz-und Industriekapitals; zu den Mitgliedern gehörten Herausgeber und Eigentümer von Tageszeitungen, führende Politiker aller traditionellen Parteien, aktive oder pensionierte Stabsoffiziere der Streitkräfte und Wissenschaftler. Das Institut fungierte als ständiges Forum für den Elitendiskurs über internationale Beziehungen und untersuchte außenpolitische Themen. Wie Christopher Brewin schreibt, hatte es die Aufgabe "die Regierung interessierende Fra-gen zu beantworten und speziell die Elitenmeinung im Ausland zu beobachten und zu beeinflussen". Zwischen 1939 und 1943 erhielt Chatham House vom Außenministerium eine Finanzierung um den Foreign Research and Press Service (FRPS) abzuwickeln; 1943 wurde der FRPS als Foreign Research Department Teil des Staatsapparats.