Aufrufe, Konzepte und Fehlschläge. Eine fotohistorische Perspektive auf die Debatte um ein Bundesinstitut für Fotografie (original) (raw)
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Ansichtssache(n)? Gedanken zum kulturanthropologischen Umgang mit einem Fotonachlass (2020)
Ansichtssache. Mainz 1960 bis 1980 in den Fotografien von Viktor Brüchert (Volkskunde in Rheinland-Pfalz 34/35); Mirko Uhlig & Thomas Schneider (eds.), 2020, 2020
In seinen Fotografien widmete sich Viktor Brüchert (1946-2007) auf vielfältige Weise dem Mainzer Stadtleben. So lichtete er beispielsweise unterschiedliche Etappen der Altstadtsanierung sowie jugend- und subkulturelle Ereignisse wie Beat-Veranstaltungen in den 1960er-Jahren ab. Größere gesellschaftspolitische Themen spiegeln sich in seinen Aufnahmen einer 1. Mai-Kundgebung, des „Tags des ausländischen Mitbürgers“ oder der Mini-Pressen-Messe 1979, einem Forum für das alternative Verlagswesen und Lebensentwürfe abseits des Mainstreams. Die Fotos vermitteln zudem Einblicke in das Spannungsverhältnis von Festen, urbanem Alltag und Alltagsproblemen (Stichwort: fehlende Kindergartenplätze). Viktor Brücherts Fotografien ermöglichen somit einen aufschlussreichen Blick auf diverse Entwicklungen, auf Alltägliches und Vergessenes der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt in diesen Jahrzehnten.
2014
Bereits für Eders Zeitgenossen war die komplexe Editionsgeschichte des vielbändigen, vielfach neu aufgelegten und neu bearbeiteten Handbuchs kaum zu überblicken. Dennoch war es von nachhaltiger Wirkung – vor allem die „Geschichte der Photographie“ als einer der ältesten Teile ist als Quellensammlung noch heute von Gültigkeit. Eder, der viele der frühen Protagonisten persönlich kannte und mit sämtlichen Verfahren vertraut war, investierte für einen Naturwissenschaftler ungewöhnliche Energien in die Etablierung der Historiografie seines Fachs. Dieses ausufernde Unterfangen war freilich abhängig von einer internationalen Perspektive und Informationen aus erster Hand. Letztere liefen in der auf seine Initiative 1888 aktivierten „Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproductionsverfahren“ zusammen; systematische Untersuchungsreihen mit exzellenten Praktikern erlaubten ihm dort die laufende Prüfung neuer Anwendungen. Dieser im Rahmen des Workshops "Fotografie im Dienst der Wissenschaft" (Deutsches Museum München, 4. September 2014) gehaltene Vortrag beleuchtet diesen institutionalisierten Wissenstransfer als Voraussetzung der Handbuch-Edition.
in: Christina Leber (Hg.), Adrian Sauer. Identitäten und Ideologien, Ausst.-Kat., DZ BANK Kunstsammlung, Frankfurt, 2021
Identitäten und Ideologien »Als ich [Vilém] Flusser zum ersten Mal las, war ich schockiert! Die Kamera folgt einem Programm, das alle vorstellbaren Bilder bereits enthält? Folgt der Fotografi erende wie ein Schauspieler nur den vorgegebenen Optionen? Das wäre unglaublich für einen jungen Künstler, der seine eigene Geschichte erzählen will. Dieser Gedanke hat mich nicht verlassen. Er war eine gute Lektion für mich, um mein Medium von da an skeptischer zu betrachten. […] Mir geht es vielmehr darum, das Programm zu zeigen, zu zeigen, dass Bilder das Ergebnis mathematischer und wissenschaftlicher Prinzipien sind.«
Das Historische Seminar erinnert sich im Medium der Fotografie
Kieler Studien zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, 2023
In der Fachbibliothek des Historischen Seminars der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) werden zwei Alben von 1972 bzw. aus den 1990er Jahren mit Fotos der seinerzeitigen Seminarangehörigen und Seminarräumlichkeiten aufbewahrt. 1 Sie schlummerten bislang ohne Beachtung den sprichwörtlichen Dornröschenschlaf und waren wohl auch den meisten Mitgliedern des Seminars nicht bekannt. Anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Historischen Seminars verdienen auch sie es ins Licht gerückt und auf ihren Inhalt näher untersucht zu werden. Konkret soll dabei im Sinne der jüngeren Visual History gefragt werden, 2 was überhaupt fotografisch in den Alben festgehalten wurde, welche Erinnerungsabsichten hinter der Anlage der Alben standen und wie diese Ziele faktisch umgesetzt wurden. Zum anderen soll erörtert werden, welche Optionen der Rezeption sich bis heute eröffneten und durch neuere technische Mittel künftig ergeben können. Wie Jens Jäger und Martin Knauer dargelegt haben, ist die Befassung mit Bildquellen keine neue Praxis. 3 Gerade in den Nachbarfächern wie der Kunstgeschichte oder dem »Vielnamenfach« 4 der Europäischen Ethnologie ist die Analyse von historischen Abbildungen, seien es Gemälde, Grafiken oder eben Fotografien eine gängige Methode, in der Kunstgeschichte gar Grundlage der Arbeit. So enthalten beispielsweise auch Standardwerke der Europäischen Ethnologie, wie die zweite und dritte Auflage des Grundrisses der Volkskunde, 5 oder die Methoden der Volkskunde, 6 Beiträge zu Bildforschung, 7 Volkskundliche[m] Umgang mit Bildquellen 8 und Visual Folklore. 9 Und auch in der Geschichtswissenschaft ist die Beschäftigung mit historischen Bildnissen kein grundlegend neuer Ansatz. Doch erörtert Gerhard Paul, einer der derzeit führenden Historiker im Bereich historischer Bildforschung, dass sich die Beschäf-Kiel-UP •
Dokumentarfotografie. Förderpreise 09. Ausstellungskatalog, 2013
Es ist völlig verkehrt, Kritik als etwas Totes, Unproduktives, sozusagen Langbärtiges zu sehen. [ ... ] In Wirklichkeit ist die kritische Haltung die einzig produktive, menschenwürdige. Sie bedeutet Mitarbeit, Weitergehen, Leben. Wahrer Kunstgenuß ohne kritische Haltung ist unmöglich. (Bertolt Brecht) »Glotzt nicht so romantisch!«l -wer 1922 die Uraufführung von Bertolt Brechts »Trommeln in der Nacht« besuchte, musste sich ein bisschen was gefallen lassen. Zum Beispiel recht nachdrückliche Aufforderungen wie diese, die auf Plakaten im Zuschauerraum der Münchner Kammerspiele angebracht waren. Es mag auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, einem toten Dramatiker das erste Wort in einem Text über Fotografie zu erteilen, statt die bekannten (im Übrigen nicht minder toten) Stichwortgeber Roland Barthes, Susan Sontag oder Walter Benjamin zu zitieren. Dass Brechts anti-illusionistisches (>episches<) Theater jedoch fast 100 Jahre nach seiner Konzeption mehr mit zeitgenössischer dokumentarischer Fotografie gemeinsam hat, als man zunächst vermuten könnte, soll im Folgenden gezeigt werden. >Befremdlichkeit< ist dabei ein gutes Stichwort. Kunst zu machen, die lebenswirklich ist, die über sich selbst hinaus auf die Welt >da draußen< verweist, steht im Fokus von Brechts Theorie. Er setzt dabei am Rezipienten an, den es vom passiven Zuschauer zum kritischen Betrachter zu emanzipieren gilt. Brecht schlägt dazu eine»Technik des Irritiertseins« 2 vor; berühmt bis heute vor allem durch das Schlagwort des V-Effektes. Ziel ist es, beim Rezipienten eine kritische Distanz zur Darstellung zu erzeugen und eben deshalb ihren Gegenstand (den Stoff) auf neue Weise nah an ihn heranzuholen. Das ist nicht so paradox, wie es zunächst klingt: Brechts episches Theater ist ein erzählendes, im Wesentlichen kommentierendes Theater, das den Zuschauer aus dem behaglichen Modus des >Als-ob< herausreißt, indem es konsequent die eigene Gemacht-und Vermitteltheit reflektiert. Das derart verfremdete Schauspiel ist somit immer auch ein Zur-Schau-Stellen der eigenen Inszeniertheit. Es irritiert (befremdet), weil es die innerfiktionale Illusion sprengt -etwa, indem es in den Zuschauerraum eingreift und den Betrachter direkt anspricht: »Glotzt nicht so romantisch«.
Rundbrief Fotografie 25 (2018), No. 3 [N.F. 99], 2018
“Without Good Photos, the Art Historian Cannot Work”: The Photographic Collection of the Art History Department at the University of Hamburg The collection of the Hamburg Art History Department comprises about 60,000 objects of the art-historical canon, including photographs of international studios from the end of the 19th century and photographs from Foto Marburg. The preserved invoices and correspondence of the Hamburg lecturers allow for the reconstruction of numerous biographies of the photographic objects and of the private as well as institutional networks of the students and the staff, which were necessary for the expansion of the collection. Under Erwin Panofsky, the photographic collection of the department was dependent upon the help of patrons. Professorial chair vacancies and war hampered the department’s operation, but within the scope of monument protection, photos from the Hamburg region were still acquired in 1944. After the end of the war, Wolfgang Schöne began the largescale expansion of the photographic collection as a fundamental working tool of the art historian and its rearrangement was established according to new research aspects.