„Critical Citizens“ oder „Critical Decisions“ – Eine Erwiderung (original) (raw)
Related papers
sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung
Obwohl die meisten deutschen Großstädte über eine sehr schlechte Radverkehrsinfrastruktur verfügen, gewinnent innerstädtisches Radfahren und ein Engagement für das Rad als gleichberechtigtes Verkehrsmittel stark an Bedeutung. Als Indiz für dieses Engagement gelten in Hamburg die monatlichen Critical Mass Radfahrten unter dem Motto „We aren’t blocking traffic… we are traffic!“. Der Beitrag fragt vor diesem Hintergrund, inwiefern die Critical Mass als Aktionsform in Hamburg den Diskurs der autogerechten Stadt, die Straßenverkehrspolitik und die dominante räumliche Ordnung in Frage stellen kann und ob die Critical Mass als performative Kritik der normativen Ordnung im Sinne Judith Butlers verstanden werden kann.
Kritik Der Urteilskraft-Wie Die Asylprüfung Unentscheidbares In Entscheidbares überführt
nbn-resolving.de
V on T hom as Scheffer Tie Feststellung von Un-Glaubwürdigkeit im Asylverfahren1 ist ein verwegenes Vnterfangen. Einzelentscheider/innen müssen von Bewerberinnen oder Bewerbern r-frichtete Ereignisse und Zusammenhänge beurteilen-und zwar verfahrensöfrintlich. Aus >sachtypischen Gründern gibt es für die Verfolgung keine Beweise,-j r > Aussagen in eigener Sache<. Und was es noch schlimmer macht: die Bemt(inn)en sind dabei mit Lebenszusammenhängen konfrontiert, die ihnen >fern-1 egen< und fremd sind. Entschieden werden muß gleichwohl: anerkennen oder ab-.ehnen! Wie ist dies praktisch möglich und durchführbar? Gleich vorab: Auch wenn im folgenden über die Herstellung von Urteilskraft be achtet, sie als regelhaft dargestellt und ihnen eine gewisse Rationalität zugeschrie-'■en wird, bleibt doch rätselhaft, an welcher Stelle ein Bewerber Y für den Ent-^neider X un-glaubwürdig wird. Daß diese Frage allerdings gar nicht ins Zentrum ;er Asylprüfung rückt, hat mit der verfahrensförmigen Herstellung von Entscheidrarkeit zu tun. Die Prüfung ist nur an dem interessiert, was sich diskursiv im Ver ehren vermitteln läßt, d.h. via Protokoll und Bescheid. Weil der Entscheider seine Entscheidung gegenüber einem abstrakten Verfah-rnspublikum >in Wort und Schrift< glaubhaft machen muß, taugt der direkte Ein druck nur noch als erster, diffuser Impuls. Dies ist wohl ein wesentlicher Grund, warum Beobachtungen erster Ordnung und das darauf gerichtete psychologischrjrensische Wissen2 für die Aufgabenstellung des Einzelentscheiders kaum Ver-Dieser T e x t basiert auf einer praxeologisch ausgerichteten Ethnographie; T hom as Scheffer, Asylgewährung. Eine ethnographische Analyse des deutschen Asylverfahrens, Stuttgart 2 0 0 0. Die Forschungsarbeit konnte ich in den Jahren 1 9 9 6-1 9 9 9 als Stipendiat des D FG-G raduiertenkoilegs >Migration im m odernen Europa< am 1MIS durchführen. Für Anregungen danke ich meinen dam aligen M it-G raduierten, dem Bielefelder Ethnographie-K olloquium sowie insbe sondere Astrid Jaco b sen , K atharina Peters, C a ro Laenger, M ichael Bom m es und Stefan H irschauer. Ähnlich detaillierte Analysen zu Asylanhörungen finden sich für den Schweizerischen Fall bei M ichel-A catl M onnier, T he Hidden P art of Asylum Seekers' Interviews in Geneva, Switzerland: Some O bservations about the Socio-political C on stru ction of Interviews between Gatekeepers and the Powerless, in: Jou rn al of Refugee Studies, 8. 1 9 9 5 , H. 3 , S. 3 0 5-3 2 5. .j. Gem eint sind R atschläge wie diese: »Bei w ahrheitsgem äßer Aussage pflegt die Sprechweise freier, ungezwungener, schwingender und m odulationsreicher zu sein. Die Stimme ist kräftiger und frischer, der Atem fließend. Bei unw ahrer Aussage ist die Stimme gepreßt, sind Tonhöhe und Lautstärke gleichm äßiger, im Klang farblos und m att od er aber künstlich übersteigert. Bei verhaltener oder stoßweise verlaufender Atem führung findet sich einerseits leise wie anderer seits übertrieben lautstarke Sprechw eise«, Udo U ndeutsch, Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen, in: ders. (H g.), H andbuch der Psychologie, Bd. 1 1 : Forensische Psycho-4 2 3 T hom as Scheffer wendung finden. Das Gleiche gilt für Theorien wechselseitiger Beobachtung und das darauf gerichtete sozialpsychologisch-interaktionistische Wissen von verkör perten Reaktionsweisen.3 Im Kontext des Verfahrens kommt eine andere Form der Skepsis und des Prüfwissens ins Spiel. Ein Wissen, daß sich diskursivieren und ins Verfahren einspeisen läßt-und dabei selbst Glaubwürdigkeit erzeugt. Der Herr des Verfahrens wird hier zum Diener desselben. Die Entscheider-Körper mit ihrer eigenen Sensorik sind selbst nur Anhängsel des Rechtsdiskurses. Doch was bleibt da noch an Urteilsver mögen? Eine wichtige Rolle spielen Fallakten, Reiseberichte, Völker-und Länder kunden, Gutachten etc. Zur Prüfung bedarf es derlei nomineller Prüffolien, die sich passend zur Anhörungssituation verfahrenswirksam mobilisieren lassen, d.h. hier und jetzt Urteilskraft vermitteln. Der direkte Eindruck wird vom Verfahren geschluckt, tendenziell entwertetund in der Form schriftlicher Aussagen im-mobilisiert.4 Prüfer wie .Antragsteller sind auf rein diskursive Mittel zur Überzeugung Dritter verwiesen. Und das heißt: Nur was sich im Anhörungsprotokoll vorführen läßt, entfaltet eine Wirkung im Verfahren.5 Auf diese Weise produziert das Verfahren eine neue Form des Glaublogie, Göttingen 1 9 6 7 , S. 1 1 8. Lügner verraten sich durch »Schwitzen. Farbw echsel im Ge sicht, trockenen M und, erhöhten Puls, A tem not, V erm eidung des B lickk on takts«; R olf Bender/ Arm in N ack , Tatsachenfeststellung vor G ericht, Bd. II: Vem ehm ungslehre, M ünchen 1 9 9 5 , S. 8 5 ; vgl. auch Paul Ek m an , W eshalb Lügen kurze Beine haben, Berlin 1 9 8 9. 3 G offm an beobachtet in der »strategischen Interaktion« Aufdeck-und Gegenzüge zwischen konkurrierenden Parteien (z.B. von Spionen und A bschirm dienst). Die Z üge beruhen auf ge zielten Beobachtungen und »B eobachtungsbeobachtungen« Luhm ann. Im M ittelpunkt der Enthüllungsversuche steht der K örper m it seinem D auerausdruck. Er wird gem ustert und nach Anzeichen der T äuschung abgesucht. Die Aussagenpsychologie liefert nach G offm an vielfach lediglich solche B eobachtungsm aßstäbe, die auch reflexiv zum Z w eck e der M anipulation ge nutzt werden können; Erving G offm an, Strategie Interaction , O xfo rd 1 9 7 0. 4 Dies ist nicht in allen Rechtsverfahren der Fall. Im R ahm en der derzeitigen Forschun g des Au tors zu Strafgerichtsverfahren in England finden sich Zeugen beim C row n C o u rt leine Art Landgericht) einer Jury' gegenüber. Die Ju ry m uß ihr Urteil ¡z.B. ihren Unglauben) nicht be gründen. Es findet hier eine unm ittelbare, geheim nisvolle Glaubw ürdigkeitsprüfung statt; T h om as Scheffer, Exp lorin g C o u rt H earings. T ow ard s a R esearch Design for a C om parative E thnography on »Witnessing in Court«, veröffentlicht vom D epartm ent o f Sociology. Univer sity o f Lan caster 2 0 0 2 , h ttp ://w w w .com p .lan cs.ac.u k /so ciolo gy/so cl01ts.h tm 5 Z u r interaktiven Herstellung von G laubw ürdigkeitsprüfungen: Paul D rew. Disputes in C o u rt room C ro ss-E xam in ation : »Contrasting Versions* in a R ape T rial, M s. University of Y ork 1 9 8 4 ; David Bogen/M ichael Lynch, T aking A ccoun t of the H ostile N ative: Plausible Deniability and the Production o f C onventional History' in the Iran-C on tra H earings, in: Social P rob lems,
Ende der Kritik? Kritisches Denken heute
Zusammenfassung Als wertsetzende Unterscheidung zum einen und immer wieder vollzogene Praxis zum anderen gehört ›Kritik‹ zu einem der zentralen Begriffe und Verfahrensweisen, die in Philosophie, Kultur-und Literaturwissenschaft mit verschiedenen Disziplinen und Disziplinierungen zu tun haben. Der Band verbindet die für Kritik kanonisch gewordene, unter-und entscheidende Frage nach dem ›Was‹ mit den Fragen nach dem ›Wie‹ oder dem ›Wovon‹. Aus diesem Grund ist der Versuchung zu widerstehen, Kritik auf das Urteil(en) zu beschränken und ihre verschiedenen Einsätze mit der Vielfalt der Gegenstände, die einer Beurteilung bedürfen, zu verwechseln. Mit dem Gegen/Stand hat Kritik im engeren Sinne nach den unterschiedlichsten Voraussetzungen ihres eigenen Urteilens zu fragen.
Krise(n): Ausgangspunkt für eine kritische politische Theorie des Alltags
2015
Es ist nicht zuletzt in Umbruch-und Krisenzeiten, dass der Alltag-in den Medien sowie (sozial-)wissenschaftlich-eine Konjunktur erlebt und verstärkt in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückt. Die krisenbedingte Verunsicherung der alltäglichen Lebensverhältnisse ebenso wie die damit verwobene Ungewissheit scheinen die Auseinandersetzungen mit dem Alltag zu inspirieren. So prägt einerseits die Bestimmung und Definition der Krise/n sowie die der Ursachen die aktuellen öffentlichen, auch wissenschaftlichen, Auseinandersetzungen. Diese zeichnen sich andererseits darüber aus, dass die gesellschaftlichen Effekte in den Blick genommen werden, dass also danach gefragt wird, wie im Zuge dieser Krise/n ebenso wie ihrer Bearbeitungen Lebensweisen und alltägliche Verhältnisse restrukturiert und umgestaltet werden (müssen). Die europaweit verordnete Austeritätspolitik habe, so formulierte es der Schriftsteller Karl-Markus Gauß unlängst in der österreichischen Tageszeitung Der Standard, den "Hunger (…) in einzelne europäische Länder" zurück gebracht (Gauß 2015). In Krisen-und Transformationszeiten scheint damit besonders deutlich hervorzutreten, wie Politik, Ökonomie und Ideologien in das Alltagsleben und mithin in die täglichen Existenzweisen der Menschen eingeschrieben sind, wie sie diese prägen, gestalten und wie darüber auch Politik gemacht wird. In gesellschafts-und politiktheoretischen Ansätzen und damit im Unterschied zu den Kulturwissenschaften nimmt der Alltag abseits von Krisenkonjunkturen eine allenfalls marginale, mitunter sogar (offen) abgewertete Position ein. Die Missachtung des Alltags in der (politischen) Philosophie, die Henri Lefebvre bereits bei Platon ausmachte (vgl. Lefebvre 1987 [1947/1958/1961], 96), hat in der jüngeren Vergangenheit seine Nachahmer_ innen und Äquivalenzen in den Sozialwissenschaften gefunden und reicht von abfälligen Einschätzungen über ironische Überspitzungen bis hin zum scheinbar kategorischen Missverstehen oder zur Ignoranz. Kritisiert wird insbesondere, dass alltagstheoretische Ansätze nicht nur einer mikropolitischen, sondern, mehr noch, einer individualistischen Perspektive anheim fallen, und sich einer kulturalistischen, bisweilen romantisierenden, zweifellos aber tendenziell unpolitischen Haltung nicht nur verdächtig, sondern letztlich auch schuldig machen. Obgleich diese Kritiken nicht selten gute Gründe und folglich ihre Berechtigung und Bedeutung für kritische Wissensproduktion und Gesellschaftsanalyse haben, erscheint mir eine damit verbundene grundsätzliche Abkehr vom Alltag als gesellschaftstheoretischem Gegenstand und Konzept problematisch. Dem verbreiteten Vorwurf, dass Alltag, alles meint, jedoch nichts erklärt (vgl. Prodoehl 1983), möchte ich in meinem Beitrag daher Überlegungen zu einer kritischen politischen Theorie des Alltags entgegenhalten. Die aktuelle krisenbedingte Beschäftigung mit dem Alltag nehme ich also zum Ausgangspunkt, um für die Reformulierung einer kritischen politischen Theorie zu plädieren, die den Alltag nicht ausblendet, sondern vielmehr berücksichtigt. Denn wenn gesellschaftliche Verhältnisse und nicht zuletzt Macht-und Herrschaftsverhältnisse umfassend in den Blick genommen werden wollen und wenn Gesellschaftstheorie, in Anlehnung an Karl www.kurswechsel.at