Luxemburger mit dem "Grünen Winkel" / Les Luxembourgeois au "Triangle Vert", in: Schroeder, Frank / Hoffmann, Elisabeth / Courtoy, Jérôme (ed.), Vergessene Opfer. Eine Bestandsaufnahme / Victimes oubliées. Un état des lieux, Ehlerange 2024, pp. 94-149. (original) (raw)
2024, Vergessene Opfer / Victimes oubliées
sich innerhalb des Lagersystems zu Gewalt gegenüber anderen Häftlingen hinreißen ließen" 4 . Die Historikerin Dagmar Lieske stellt dagegen klar, dass es den typischen "Berufsverbrecher" nicht gegeben hat. Vielmehr hätten "Vorstellungen von Gesellschaft und Praktiken zur Herstellung von Kollektivität [existiert], die diese Personen zur Zielscheibe staatlicher Behörden werden ließen" 5 . Die folgende Studie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie wird wahrscheinlich mehr Fragen aufwerfen als beantworten können. Nichtsdestotrotz soll der Versuch unternommen werden, einzelne Mosaiksteine zusammenzufügen und so einen Einblick in ein noch gänzlich unbekanntes Kapitel der NS-Verfolgungspraxis im besetzten Luxemburg zu bekommen: die unter dem Vorwand des Gesellschaftsschutzes praktizierte "Reinigung" des luxemburgisch-deutschen "Volkskörpers" von vorbestraften Menschen. LITERATUR-UND QUELLENLAGE Die Verfolgung von Mehrfachstraftätern im besetzten Luxemburg war und ist bislang kaum Bestandteil der historischen Forschung
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Alexander Zisha Grosz, geboren 1897 in Zemplénagárd im Nordosten Ungarns, war 1938 mit seiner Familie nach Palästina ausgewandert, 1940 aber nach Ungarn zurückgekehrt. Als die Wehrmacht im März 1944 in Ungarn einmarschierte, wurden seine Frau Esther-Haya und seine Tochter Shoshana im KZ Auschwitz ermordet. Alexander und seine beiden Söhne Yitzhak und Noah wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten ins KZ Mauthausen deportiert. "Die ungarischen Häftlinge waren im Zeltlager untergebracht, wo sie im winterlichen Österreich selbst bei Kälte und Regen im Morast ausharren mussten", schreibt Ariel Gross in einer Biografie über seinen Großvater. "Das Lager war extrem überbelegt, die Menschen lagen aufeinander und die Behandlung war absolut unmenschlich. Die sanitären Bedingungen waren furchtbar, es gab weder fließendes Wasser noch Toiletten. Es gab auch nur sehr wenig zu essen und bald kam es zum Ausbruch von Typhus und einer Reihe von anderen Infektionserkrankungen des Magen-Darmtrakts." 1 Mit Tausenden anderen Gefangenen mussten Alexander, Yitzhak und Noah am 26. April 1945 zu Fuß ins über 50 Kilometer entfernte Lager Gunskirchen aufbrechen, ein Außenlager des KZ Mauthausen. Alexander sollte dort nie ankommen -am 28. April mussten ihn seine beiden Söhne in Weißkirchen an der Traun tot zurücklassen, wo er mit 118 anderen Leichen in einem Massengrab verscharrt wurde. 2
Günter Grass’ Novelle Im Krebsgang (2002), die von der Versenkung eines ostpreußischen Flüchtlingsschiffs am Ende des Zweiten Weltkrieges handelt, und Heinrich von Kleists Drama Penthesilea (1808), in dem die Gründung des Amazonenstaates der vorausgegangenen Vernichtung durch die Äthiopier zugeschrieben wird, haben ein Thema gemeinsam: wie das Gedächtnis an massenhaften Tod von den nachkommenden Generationen getragen wird. In dem vorliegenden Aufsatz zeige ich an den beiden bisher kaum zusammen diskutierten Texten eine gemeinsame Vergegenwärtigungsform katastrophaler Vergangenheit.
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