Schmitt, Rudolf; Köhler, Bettina (2006). kognitive Linguistik, Metaphernanalyse und die Alltagspsychologie des Tabakkonsums. Psychologie und Gesellschaftskritik, Nr. 119/120, Heft 3-4/06, S. 39-64. (original) (raw)
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Rundbrief Gemeindepsychologie, 1999
. Von oberen Totpunkten, inneren Schweinehunden und anderen Männern. Zwischenbericht: Alkohol im Alltag und Metaphernanalyse. In: Rundbrief Gemeindepsychologie 1999, Schwerpunktthema Qualitative Forschungsmethoden in der Gemeindepsychologie. Band 5, Heft 2, S. 84-95
Oder: Problematische Implikationen metaphorischer …, 2002
Sober, dry and continent. Or: Problematical implications of metaphorical concepts concerning abtinence Abstract (deutsch): Die drei gebräuchlichsten deutschen Worte für den Nichtgebrauch von Alkohol, "nüchtern", "trocken" und "enthaltsam", sind Metaphern, die Abstinenz unattraktiv darstellen. Aus Interviews in einem Berufsbildungswerk werden zwei metaphorische Konzepte vorgestellt, die Abstinenz positiv besetzen und die Sprache der KlientInnen ernst nehmen.
Metaphernanalyse und helfende Interaktion Der Aufsatz führt in das Phänomen alltäglicher Metaphorik praktisch wie theoretisch ein, bevor er an einem Fallbeispiel die Möglichkeiten der Metaphernanalyse in der Supervision und einen Überblick über Möglichkeiten metaphorischer Intervention in Beratungsgesprächen zeigt. Der Ablauf der Metaphernanalyse als Forschungsmethode wird skizziert. 1. Metapher und Alltag; oder: Verstehen und Nichtverstehen An einem meiner ersten Arbeitstage in einer psychiatrischen Klinik führte mich eine Kollegin in den schwierigen Umgang mit einer noch akut psychotisch kranken Patientin erzählend ein: Diese Patientin hatte sie vor der Stationstür um einen kleinen Geldbetrag angebettelt, und sie hatte das mit der Notlüge (so ist der Alltag) abgelehnt: Das ginge nicht, sie sei selbst im Moment "abgebrannt". Die Patientin wäre sehr erschrocken und hätte dann versucht, einen Feuerlöscher aus seiner Halterung an der Flurwand zu reißen, um, wie meine Kollegin dann verstand, sie zu löschen. Wenn unsere alltäglichen Bilder nicht mehr verstanden werden, stoßen wir darauf, daß es Bilder sind, die zwar noch einen engen Zusammenhang mit dem gemeinten Sinn haben, jedoch nicht wörtlich zu nehmen sind: "Abgebrannt" zu sein bedeutet real wie bildlich eine empfindliche Verminderung unserer materiellen Ressourcen. Dieses Vermögen der Metaphorik, mit kräftigen Bildspendern ("Brand") alltägliche Phänomene zu beschreiben, läßt sich jedoch auch in Formen erkennen, in denen diese Trennung zwischen "wörtlicher" und "übertragener" Bedeutung verschwimmt. An einem transkribierten Interview will ich dies im mikroskopischen Ausschnitt zeigen. Eine Sozialarbeiterin beschreibt, wie die von ihr betreute ältere Frau versucht, die Helferin zu bemuttern (Schmitt 1995/181ff): Helferin: ... oder wenn sie die Stimmen hört, die reden ihr ja manchmal auch ein, Rabenmutter zu sein, und dann hat sie eben Gewissensbisse, weil die Ehe damals halt so schlimm war, und sie denkt, daß das Kind viel davon abgekriegt hat von ihrem Frust. Und daß sie jetzt halt versucht, bei mir keine Rabenmutter zu sein, jetzt halt eine richtige Mutter zu sein, aber es ist schwierig. Interviewer: Und Dir ist das zu dicht? Helferin: Mir ist es, mir ist es zu dicht, ja. Sie weiß es aber auch, also sie nimmt mich in den Arm, und sagt dann gleich: "Ich weiß, ich weiß .." oder so, so war es zumindest gestern. "Aber ich freue mich halt so, daß Sie da sind." Mir ist es zu dicht, auf jeden Fall. Was ist an dieser Stelle passiert? Der Interviewer versucht nach den Regeln der Interviewführung von Witzel (1989) durch Reformulieren und Spiegeln des Gesagten das Interview in Gang zu halten. Schneller als es seine theoretischen Überlegungen zulassen, hat er das für die Sozialarbeiterin zu enge Verhältnis zur Betreuten in der Metapher, es sei "zu dicht" reformuliert-also eine räumliche Metaphorik für das Beziehungsverhalten gewählt. Und da zögert die Sozialarbeiterin zunächst-die Kommata stehen in der Transkriptionsanleitung für eine kleine Pause mit Stimmsenkung-und erzählt dann, daß diese
Metaphernanalysen erfassen individuelle und kollektive Muster des Denkens und Handelns. Wenn im folgenden Fallbeispiel eine Brustkrebserkrankung als "Kampf" metaphorisiert wird, dann sind darin gleichermaßen produktive wie blockierende Selbstdefinitionen angelegt. Die Analyse individueller und kollektiver Sprachbilder könnte helfen, die Reflexion von professionell in der Sozialen Arbeit Tätigen zu verändern und somit die Beratung Betroffener zu verbessern.
Rudolf Schmitt: Fragmente eines kommentierten Lexikons der Alltagspsychologie
Aber Metaphern muß man erfinden können, und das ist nichts für einen Bauern wie mich ... " (Umberto Eco, Die Insel des vorigen Tages, 1995, S. 103) Fragmente eines kommentierten Lexikons der Alltagspsychologie: Von lichten Momenten, langen Leitungen, lockeren Schrauben und anderen Metaphern für psychische Extremzustände. Übersicht Warum Metaphernanalyse-Hirn-Gespinste-Umwege-Exkurs: Handeln und Metaphorik-Höhen und Tiefen-nicht dicht-Exkurs: Denken und Metaphorik-armer Irrer-Lampenbauer-lockere Schrauben-Wachsen und Welken-Psychohygiene-heiße Köpfe-Leib und Seele-Exkurs: Psyche und Faschismus-Bühne des Lebens-Mondsüchtige-Besessenheit-Kleider-Gleichgewicht-Krieg-Schule-Gesellschaft-Geometrie-Schuld-Haus-lange Leitungen-Methodisches. 0. Warum Metaphernanalyse? In der Arbeit mit Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen bin ich immer wieder auf Worte gestoßen, die in konzentrierter Form Lebenslagen und ihre ProtagonistInnen benannten; als Beispiel nehme ich eine Situation aus ein...
Resonanzen – E-Journal für biopsychosoziale Dialoge in Psychosomatischer Medizin, Psychotherapie, Supervision und Beratung, 2016
Der Umgang mit Metaphern in Beratung und Therapie wird oft selbst nach der Logik eines Werkzeugs diskutiert, als wären Metaphern Instrumente, die man kunstfertig einsetzen könnte. Die von der kognitiven Linguistik (Lakoff & Johnson, 1980, 1998) abgeleitete Metaphernanalyse erschüttert dieses naive Selbstverständnis: Auch BeraterInnen und TherapeutInnen leben in ihren kaum bewussten metaphorischen Mustern, und qualitative Forschung zeigt, dass metaphorische Kommunikation ein situatives und interaktives Phänomen ist, zu dem alle Teilnehmenden beitragen. Der Aufsatz fasst den aktuellen Diskussionsstand zusammen und schlägt eine behutsame und reflexive Vorgehensweise vor.