Zur Ausdifferenzierung der Intimitätssemantik im Frühneuzeitlichen Japan. Ninjōbon in Revision, in: Zachmann, Urs Matthias/ Uhl, Christian (Hg.): Japan und das Problem der Moderne. Wolfgang Seifert zu Ehren, München 2015, S.290-309. (original) (raw)

Japanizität aus dem Geist der europäischen Romantik

2013

Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung sowie der Forschungskommission der Universität Luzern Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Japanizität aus dem Geist der europäischen Romantik, S. 17-50.

Vorwort und Danksagung | 11 Redaktionelle Hinweise | 15 1. Einleitung | 17 1.1 Kulturelle Stellvertretung und interkulturelleVermittlung | 17 5.3 Reisebeschreibungen seit dem Ende des Asiatisch-Pazifischen Krieges und Erzählung Ôgais | 194 5.4 Schlussbemerkung zum Kapitel 5 und Übergang zum Kapitel 6 | 197 6. Die Kanonisierung Ôgais | 199 6.1 Die politische Dimension der Schulbücher | 202 6.2 Die Schulformen der Sekundarstufe im Erziehungssystem des Vorkriegsjapans | 205 6.3 Die Kanonisierung der Schriften Ôgais in den Schulbüchern | 214 6.4 Vergleich mit der Kanonisierung anderer wichtiger Autoren in japanischen Schulbüchern | 218 6.4.1 Kanonisierung und Dekanonisierung Tsubouchi Shôyôs | 219 6.4.2 Kanonisierung und Dekanonisierung Kôda Rohans | 219 6.4.3 Kanonisierung und Dekanonisierung Natsume Sôsekis | 220 6.4.4 Kanonisierung und Dekanonisierung Nagai Kafûs | 221 6.5 Die aufgenommenen Titel Ôgais | 221 6.6 Kanonisierung von Autoren, die als Nachwuchsschriftsteller von Ôgai gefördert wurden | 223 6.7 Kanonisierung Ôgais in Zeitschriften der Ôgai-Forschung | 224 6.7.1 Kanonisierungstendenz von Schriften Ôgais in der Nachkriegszeit | 226 6.8 Schlussbemerkung zum Kapitel 6 | 227 7. Schlussbemerkungen | 235 ANHANG Übersicht der Reisebeschreibungen in Sekai kikô bungaku zenshû in Bd. 5, 6 und 7 | 254 Literaturverzeichnis | 267 Sachregister | 303 Personenregister | 311

Verortung der Liebe und amour passion in der japanischen Frühneuzeit

Emotionen, Sozialstruktur und Moderne, 2012

Nach einer allgemein verbreiteten Vorstellung verdrängen die Japaner Emotionen wie Liebe und Sexualität in Paarbeziehungen (vgl. Caudill 1981). Seit den 90er Jahren ändert sich dieses Bild (vgl. Coulmas 2007; Gössmann1998;). Im vorliegenden Text gehe ich weder darauf ein, ob dieses Klischee Gültigkeit besitzt, noch darauf, aus welchen Konstellation es entstand. Stattdessen thematisiere ich die gesellschaft liche Verortung der Emotionen, insbesondere der Liebe und Sexualität, zur Vorbereitung für weitere Forschung zu Intimbeziehungen im gegenwärtigen Japan. 2 Meine Leithypothese lautet: Die japanische Gesellschaft in der Frühen Neuzeit kannte die hoch entwickelte Liebessemantik wie amour passion, die leidenschaft liche Liebe, in Frankreich. Wie in Westeuropa entwickelte sie sich außerhalb der Gesellschaft . In Japan kostete es jedoch mehr Zeit, diese Semantik der Liebe als Grundlage für die moderne Familie wieder in die Gesellschaft zu integrieren. 3 1 Der vorliegende Text ist ein Teilergebnis des vom Schweizerischen Nationalfond geförderten Projekts Transformation der Liebessemantik in Japan. Von der Frühen Neuzeit in die Neuzeit unter der Leitung von Rudolf Stichweh. Für die sprachliche Korrektur danke ich Irene Friesenhahn und Evelyn Moser. 2 In die Semantik der › modernen ‹ Liebe ist die Sexualität eingebaut worden und auch der Zugang zur Sexualität wird durch den Code der Liebe reguliert. Dieses Verhältnis von Liebe und Sexualität ist heute eine Selbstverständlichkeit geworden, historisch betrachtet ist es aber durchaus ein modernes Phänomen. Luhmanns (1982) Modell zufolge war die idealisierte Liebe im europäischen Mittelalter jenseits der Sexualität eher platonisch konzipiert. Die Unterscheidung von der höheren (geistigen) und der niedrigen (sinnlichen) Liebe bzw. von der platonischen Liebe und der Sexualität korrespondiert mit der stratifi zierten Diff erenzierung der Gesellschaft . Im Kontext der Entwicklung der Liebessemantik in Japan wurde diese Unterscheidung im sich industrialisierenden Japan im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert durch die vom Christentum beeinfl ussten Intellektuellen wieder verstärkt. Wegen dieser theoretischen, aber auch wegen der historischen Relevanz behalte ich hier die Unterscheidung von Liebe und Sexualität im Auge. 3 Th eoretisch und methodisch liegt der vorliegenden Arbeit die klassische Unterscheidung von Semantik und Gesellschaft sstruktur zugrunde. Die Semantik -als Medium der Selbstbeschreibung und Selbstrefl e xion der Gesellschaft -wird von der Gesellschaft sstruktur bestimmt, aber nicht determiniert. Sie ändert sich nach einer eigenen Dynamik und ihr Wandel kann zur Bildung von neueren Strukturen führen, insbesondere in einer Zeit wie in der Sattelzeit im Sinne Reinhart Kosellecks. Das Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit besteht darin, diese wechselseitige Dynamik von Semantik und Gesellschaft sstruktur im frühneuzeitlichen Japan auf ihr strukturschaff endes Potenzial hin zu analysieren.

Japan als urgeschichtlicher Index der Moderne

„Dass zwischen der Welt der modernen Technik und der archaischen Symbolwelt der Mythologie Korrespondenzen spielen, kann nur der gedankenlose Betrachter leugnen“1, schrieb Walter Benjamin im Passagen-Werk. Die Moderne sei keineswegs geschichtslos. Sie sei auf der Suche nach der Urgeschichte, nach dem urgeschichtlichen Index ihrer eigenen avancierten Praxis. Wo sie sich gegen das Veraltete – das heißt: gegen das Jüngstvergangene – abzusetzen versuche, synkopiere in ihr eine Dialektik des Neuesten mit dem Vorvergangenen. Dies zeigt sich für Benjamin besonders in der Architektur. Weil im allgemeinen flüchtig, das heißt optisch-unbewusst rezipiert, sei sie kollektives Wunsch- und Traumbild der jeweiligen Epoche. Benjamin wollte seine These vom urgeschichtlichen Index der Moderne an der materiellen Kultur des 19. Jahrhunderts, an Paris und seiner Architektur, seinen Passagen, Eisenkonstruktionen und Interieurs aufzeigen.

(1997): "Heimatphantasien: Zwei neuere Publikationen zum Thema Identitätsdiskussion im modernen Japan". In: Japanstudien. Jahrbuch des Deutschen Instituts für Japanstudien, Vol. 9, pp. 347-355.

Seit der Begegnung mit dem Westen irn 19. Jahrhundert ist in Japan die Suche nach den kulturellen Wurzeln, nach unverfälschter japanischer Heimat ein Thema, das die Intellektuellen und Künstler des Landes beschäftigt. Es ist schwer zu sagen, welchen Weg Japan ohne den westlichen Einfluß genommen hätte, aber die Vorstellung, die manche von der westöstlichen Begegnung pflegen, kann man in das Bild eines ungewollten Geschenks fassen: Der Westen hat Japan bzw. Asien die "Moderne" in Form einer technisierten Zivilisation beschert. Dieses Denkmuster bildet den Angelpunkt für die Kulturdiskurse nicht weniger Vertreter der japanischen Wissenschaft und Literatur bis heute. Der Entwurf einer "idealen Heimat" als Möglichkeit, Entfremdung und Orientierungslosigkeit zu bewältigen, wird schon um die Jahrhundertwende, um 1890, von Autoren wie Kitamura Täkoku (1868-1894) und Saganoya Omuro in die japanische Literatur eingeführt. Seit dieser Zeit ist die Darstellung einer japanischen Urheimat geprägt von phantastischen Zügen. Feen und Zauberwesen besiedeln jenen Ort, der sich als asiatische Utopie konfiguriert und viel mit dem taoistischen Lande des Pfirsichblütenquells (tägenkyä) gemein hat (GEBHARDT 1996a). Utopische Entwürfe gegen die Moderne sind Teil der modernen japanischen Literatur. Sie sind ein wichtiges Moment bis in die unmittelbare Gegenwart, wo unter dem Vorzeichen der Zeitenwende in ein neues Jahrtausend, einem neuen jin de siede (seikimatsu), etwa ab Mitte der 1980er Jahre der Themenkomplex "Rekonstruktion von Heimat und Tradition -Suche nach kultureller Identität" wieder an Bedeutung gewirmt.

Japan als Entschleunigungsgesellschaft? Phänomene und -diskurse in der japanischen Gegenwartsgesellschaft

DOAJ: Directory of Open Access Journals - DOAJ, 2015

Seit dem 19. Jahrhundert lösten vielschichtige Globalisierungs-und Modernisierungsprozesse auch in Japan tief greifende Transformationen aus. Eine wichtige Grundlage hierfür bilden technologische Innovationen, die eine grenzenlose Mobilität von Menschen und Gütern ermöglichen. Erfahrungen einer immer schnelleren Beschleunigung der materiellen, geistigen und sozialen Welt sind auch dort konstitutiver Bestandteil einer Moderne, deren hegemoniales Narrativ Fortschritt und Wachstum untrennbar aufeinander bezieht. Entschleunigungsdiskurse verhalten sich relational zu Modernisierungs-und Globalisierungsdiskursen und sind daher nur kontextbezogen erfassbar, als inhärenter Bestandteil von diesen (Lindner/Meissner