Wie dringend brauchen wir eine paraskeue? Fragen zu einer Hermeneutik der Zurüstung (original) (raw)

Einige Gesichtspunkte zum Thema „Paracelsus und Luther“

Archive for Reformation History, 1981

Zumindest in der protestantischen Theologie-und Kirchengeschichtsschreibung erschienen Luthers Person und Werk sowie das von ihm ausgelöste Geschehen im Ausgang des Spätmittelalters lange Zeit als nahezu übermächtig, eine Fülle von Strömen auf sich hin-und wieder von sich fortlenkend. Erst allmählich vermochte sich die Forschung aus dem Bann dieser Erscheinung zu lösen, ließ sie Gestalten und Bewegungen vor und während der Reformation stärker in deren eigenen Intentionen und Wirkungen hervortreten, entkleidete sie der doch wohl zu engen Rolle bloßen Vorläufer-oder Abweichlertums. Die relativ wenigen Darstellungen und Wertungen der Paracelsischen Theologie stehen großenteils noch in jenem eben angedeuteten Sog^. 1622 zählte Nicolaus Hunnius, ein Repräsentant des unbeugsamen lutherischen Dogmatismus seiner Zeit und damals noch Wittenberger Theologieprofessor, den eigenwilligen Arzt und Kirchenkritiker aus Einsiedeln, dessen mit reichem theologischen Gedankengut durchsetztes medizinisches und naturwissenschaftliches Schrifttum bereits in mehreren Ausgaben verbreitet worden war, zu den "Schwermern". Die Verbreitung dieser "Zeuberische(n) und vom Teufel eigentlich herrührende(n) Bücher" lastete er Papisten und Reformierten gleichermaßen an^. Gut zwei Jahrhunderte später konnte Hohenheim dann in umgekehrter Weise 1. Als Beispiel aus jüngerer Zeit sei die Dissertation des Mecklenburger TheologenМ/сЛае/ Bunners erwähnt ("Die Abendmahlsschriften und das medizinisch-naturphilosophische Werk des Paracelsus", Diss, theol., Berlin/DDR 1961). Gründlich werden die theologischen Kernaussagen des Paracelsus herausgearbeitet. Durch eine an Luthers Theologie und seinen Kämpfen gegen spiritualistische oder rationale Deutungen der Sakramente orientierte Hermeneutik entstehen jedoch an einigen Punkten Widersprüche und Ungleichgewichte, die weniger Hohenheims Gedankengängen als einem vom Proprium der paracelsischen Auffassung durch Luther ein wenig abgelenkten Blick entspringen. Die theol. Diss, von Stephan Török: Die Religionsphilosophie des Parcelsus und ihr zeit

Notwendig, aber unerreichbar? Über die Kunst der Ermöglichung

Möglichkeitswissenschaften, 2019

Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung globale Umweltveränderungen (WBGU) betont die Notwendigkeit der Transformation, aber er entzieht sich der entscheidenden Frage: Ist diese Große Transformation, die er hinsichtlich der Eingriffstiefe „mit den beiden fundamentalen Transformationen der Weltgeschichte: der Neolithischen Revolution … sowie der Industriellen Revolution“ (ebd.) vergleicht, auch möglich? Anscheinend betrachtet er es als eine nicht weiter zu hinterfragende Selbstverständlichkeit, dass das, was notwendig ist, auch möglich sein müsse. Aber ist dies selbstverständlich? Oder zeigt die Geschichte der modernen Zivilisation nicht, dass notwendige Maßnahmen tatsächlich nicht ergriffen wurden.

Die Unverwüstlichkeit der Hermeneutik

Philosophische Rundschau, 2021

Gadamer successfully established hermeneutics as a fundamental philosophical discipline. This finds confirmation in the fact that there are many attempts afoot, in different philosophical traditions, to steer hermeneutics in other directions than those privileged by Gadamer. This piece discusses some of these recent projects, especially those of Vittorio Hösle, Ingolf Dalferth, John Arthos and Jean Greisch, that endeavour to think through the metaphysical presuppositions and the ethical consequences of hermeneutics.

Vom hermeneutischen Bezug

Das Spätwerk Heideggers. Ereignis - Sage - Geviert. Herausgegeben von Damir Barbarić. Königshausen & Neumann, Würzburg, 2007

Heideggers Denken erfuhr und erfährt eine breite Rezeption durch unterschiedliche Richtungen der "Gegenwartsphilosophie" - von der phänomenologisch-hermeneutischen, die er selbst mitgestaltete, der existenzialistischen, der er ausweichte, der strukturalistischen, die zu beeinflussen er nicht vermeiden konnte, der analytischen, wo es trotz gegenseitiger Abstoßung interessante Begegnungen gab, der gesellschaftskritischen, die Heidegger trotz politischer Widrigkeit anziehen konnte, über die christliche, die immerfort eine Wegbegleiterin war, bis hin zur - dank japanischer Studenten - interkulturellen, um nicht noch weitere aufzuzählen. Eine etwas eingehendere useinandersetzung mit dieser Rezeption erweckt jedoch das Bedenken, von dem wahrscheinlich auch die Veranstalter dieser Tagung angeregt worden sind: Es stellt sich nämlich die Frage, ob das späte Denken Heideggers durch die sog. "Gegenwartsphilosophie" in Wahrheit rezipiert worden ist bzw. ob es überhaupt rezipiert werden kann.

Das Erfordernis der Kühlung. Besänftigung als Angelegenheit der Soziologie

Berliner Journal für Soziologie

Moderne Gesellschaften haben ein Überhitzungsproblem. Das gilt im Großen (Polkappen) wie im Kleinen (ICE im Juli), im Einzelfall (Fukushima) wie im Allgemeinen (Klimawandel)-so viel ist allgemein bekannt. Das Problem der Regulierung ihres Energieniveaus lässt sich jedoch nicht nur mit den gesellschaftlichen Naturverhältnissen in Verbindung bringen, sondern auch mit Selbst-und Sozialverhältnissen. Wenn etwa der US-Historiker Timothy Snyder über die in sozialen Medien erzeugte Dynamik sagt: "Auf Facebook werden Menschen auf andere Menschen wütend" (Snyder 2021), und diese Wut mit der Erstürmung des Washingtoner Kapitols in Verbindung bringt (wo Menschen den von ihnen selbst gewählten US-amerikanischen Vizepräsidenten hängen wollten, weil dieser drauf und dran war, seine verfassungsmäßige Pflicht zu tun)-dann kann man, jedenfalls mit etwas Kulanz fürs Metaphorische, auch das als Ausfall der Kühlung beschreiben. Moderne Gesellschaften haben es, als "heiße Gesellschaften" (Lévi-Strauss), zwar durchaus zu einer gewissen Meisterschaft darin gebracht, mit kurzzeitigen Erregungsspitzen umzugehen und das Unbekannte, das Überraschende, das Exotische oder den Nervenkitzel zu antizipieren und mit Gewinn zu rezipieren. Doch selbst wenn manche Modernen es heiß mögenzu heiß darf es nicht werden. Denn wo immer es im sozialen Miteinander zu wirklichen Verwerfungen kommt-wo Pläne zerbersten, Hoffnungen enttäuscht werden, Meinungen aufeinanderprallen, Vorstellungen sich als inkompatibel erweisen oder gleich eine ganze Welt zusammenbrichtdroht der allzu hitzige Ausbruch ungebundenen Affekts die soziale Ordnung zu ge-Hildegard Matthies (