Oral History in der Ukraine. Institutionalisierung, Forschungsthematik, akademische Anerkennung (original) (raw)
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Forschungstechnik oder historische Disziplin? Methodische Probleme der Oral History
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 1994
Despite its successful practical application, the theoretical status of oral history remains unclear in the face of such problems as the function and reliability of memory; the representativeness, reliability, and validity of the interviews; and general evaluative and control criteria. Its long-term establishment as a historiographical method is dependent on a thorough examination of theoretical fundamentals, a greater acceptance of sociological and psychological findings on the "biographical method," and solutions to the problems of the "open interview process." Oral History ist eine geschichtswissenschaftliche Methode, muendliche Erinnerungsinterviews mit Beteiligten und Betroffenen historischer Prozesse durchzufuehren und (in der Regel) gleichzeitig in reproduzierfaehiger Weise auf einen Tontraeger festzuhalten, um auf diese Weise retrospektive Informationen ueber muendliche Ueberlieferungen, vergangene Tatsachen, Ereignisse, Meinungen, Einstellungen, Werthaltungen oder Erfahrungen zu sammeln und auszuwerten. Die Produktion wahrnehmungsgeschichtlicher Quellen mit Hilfe von diachronen Erinnerungsinterviews weist auf die Geschichtswissenschaft ungewoehnliche theoretische wie methodische Probleme auf, die sich vornehmlich auf die Funktionsweise und Zuverlaessigkeit des Gedaechtnisses, die Repraesentativitaet, Reliabilitaet und Validitaet von Oral-History- Interviews sowie auf generelle Auswertungs- und Kontrollmoeglichkeiten beziehen. Trotz durchaus erfolgreicher praktischer Anwendungsversuche ist der theoretische Status von Oral History im Gesamtsystem der Geschichtswissenschaft nach wie vor ungeklaert; will sie sich auf Dauer im klassischen Kanon der histioriographischen Methoden etablieren, erscheint nicht nur eine intensivierte Reflexion theoretischer Grundlagen zur Selbstpruefung, sondern auch eine verstaerkte Rezeption soziologischer und psychologischer Erkenntnisse zur biographischen Methode sowie zur Problematik des offenen Interviewverfahrens unerlaesslich. Schlagwörter: Repräsentativstudie, Erinnerung, Historiografie, Forschung, Subjektivität, Oral History, Geschichte , Historische Methode, Geschichtswissenschaft, Interview, Sachinformation
2020
Nach Einführung in die Begriffswelt von "Geschichtspolitik", "Erinnerungskultur" und "Erinnerungsort" sowie einem kurzen Überblick über den langen Weg bis zur Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine wird die aktuelle Geschichtspolitik des Landes zwischen 1991 und dem Ende der Präsidentschaft PETRO POROŠENKO's im Frühjahr 2019 analysiert. Dazu werden zunächst drei die ukrainische Erinnerungskultur grundlegend prägende Narrative in ihrer Genese, Entwicklung und Wirkung vorgestellt: das "Postulat der Kontinuität ukrainischer Geschichte", das "Opfernarrativ vom Holodomor als Genozid am ukrainischen Volk" und das "National-ukrainische Narrativ". Der Hauptteil der Arbeit ist der aktuellen Praxis der Geschichtspolitik nach dem Euromajdan 2013/14 gewidmet. Vorgestellt werden ihre Akteure auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen und deren Wirken in der ukrainischen Gesellschaft über ausgewählte Aktionsfelder. Die...
Einführung in die Geschichte der Ukraine (Ringvorlesung an der Universität Wien, WS 2014)
Die offensichtliche Unfähigkeit und Unwilligkeit des Westens, sich mit dem Konflikt in den östlichen Gebieten der Ukraine intensiver auseinanderzusetzen, gab in der westlichen Presse zu einer Reihe von Artikeln Anlass, die die Politik auf den Prüfstand setzten. So veröffentlichte etwa der britische Daily Telegraph am 10. September 2014 einen kurzen Artikel von Tony Brenton, dem ehemaligen britischen Botschafter in Russland, unter dem Titel "It's Time to Back Away from the Russian Wolf" (Es ist Zeit, vor dem russischen Wolf zurückzuweichen), in dem der Autor sich folgendermaßen äußert: "Der Westen ist in den ukrainischen Wald hineingeraten und hat dabei den russischen Wolf in Wut versetzt, um daraufhin festzustellen, dass er ihm nicht entgegentreten kann. Daher sollten wir nun nach einem Ausweg suchen. Die westliche Politik ging von falschen Prämissen aus. Die erste lautet, dass wir ein revanchistisches Russland aufhalten müssen, denn der Ablauf scheint klar zu sein: Gesten nahm Russland die Krim ein, heute die Ostukraine, morgen -wer weiß -Estland, Polen? Doch im Grunde genommen spiegelt diese Vision nur den russischen Alptraum von der rücksichtlosen NATO-Erweiterung wieder: Gestern Polen und Estland, heute Georgien, morgen -wer weiß -Russland selbst? Die Erinnerung an die gegenseitigen Unterstellungen von 1914 kommt hier auf beunruhigende Weise wieder hoch. Doch eigentlich gab es vor der (nicht ganz unberechtigten) russischen Bezichtigung des Westens, in Kiew nach der Macht greifen zu wollen, gar keinen Beleg für einen russischen Revanchismus... Unterdessen ist die Ukraine eine ganz besonders heikle Angelegenheit für Russland geworden, denn beide Länder sind durch tiefe soziale, kulturelle und historische Bande miteinander verbunden. Kiew ist als "Mutter aller russischen Städte" bekannt. Und letztlich wollen die Russen in der Ukraine Einfluss und nicht wirklich Territorien. Der Satz "Wir müssen Putin entgegentreten wie einst Hitler" zeugt von einem naiven, primanerhaften Politikverständnis. Putin ist ... kein ideologisch getriebener Fanatiker, sondern -eher noch wie Talleyrand -berechnend und pragmatisch um die Wiedererlangung des Status seines Landes in der Welt bemüht. Gewiss war die Einnahme der Krim illegal und destabilisierend. Doch war es eine Panikreaktion unter einzigartigen Umständen und nicht etwa der Beginn des Versuchs, die Sowjetunion wieder zu errichten." * Die letzten Ereignisse in der Ostukraine zeigen, dass sämtliche Annahmen dieses sowie anderer Autoren auf tönernen Füßen stehen. Die Separatisten der proklamierten, international aber nicht anerkannten Volksrepubliken Donetzk und Luhansk haben inzwischen ihre Unabhängigkeit von Kiew deklariert. Zudem hat Wladimir Putin, in einem privaten Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am 18. September 2014, das anschließend veröffentlicht und kürzlich wiederlegt wurde, seine frühere Aussage gegenüber dem Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel
Kulturelle Spurensuche im DaF-Unterricht in der Ukraine
2023
Der Beitrag präsentiert ein universitäres Projekt zu deutschsprachigen kulturellen Spuren in der Ukraine. Theoretisch stützt sich die Studie auf den Ansatz zur Transkulturalität von Wolfgang Welsch. Das ermöglicht die Beschreibung des deutschsprachigen Erbes in der Ukraine aus einer neuen Sicht. Im Projekt beschäftigen sich Studierende und Schüler*innen durch Recherche zu Namen, Fakten und Artefakten mit aus dem Deutschen entlehntem Wortschatz, mit Kultur und Geschichte ihrer multinationalen Heimat und machen gleichzeitig bei anderen Jugendlichen für das Erlernen der deutschen Sprache Werbung.
PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, 1985
Ein alter Klempner, 1900 in einer streng katholischen Arbeiterfamilie geboren, Metaller seit 1919, Gewerkschaftsfunktionär seit den 50er Jahren, seit 1928 und dann wieder seit seiner Pensionierung Ende der 60er Jahre Mitglied der KP, hat sein ganzes Leben in Kleinbetrieben der Metallbranche gearbeitet, im letzten 32 Jahre lang. Im Interview erinnert er sich auf die Frage, ob er in der »Blitzkriegsphase« an einen deutschen Sieg geglaubt habe, an die Hitlerrede, die den deutschen Angriff auf Polen bekanntgab, und erzählt: »Da hatte ich einen Kollegen, der war bei der SA, aber wir verstanden uns. Er wußte genau, daß ich frei eingestellt war. Und auf einmal hörten wir von dem Krieg. Der lebt aber auch heut nicht mehr: ist verunglückt, vom Dach gestürtzt. Da hörten wir, daß Krieg ist. 'Ja', sag' ich, 'Jupp' - Joseph hieß er, wir sagten Jupp, Abkürzung hier- 'ja, Jupp, der Krieg ist schon verloren', sagte ich zu dem SA-Mann. 'Mensch', sagt der, 'wie...
Ring-Vorlesung: Eine Geschichte der Ukraine als transkulturelle Verflechtungsgeschichte
2024
Die Vorlesung bietet einen Überblick über die Geschichte der ukrainischen Gebiete ab dem Hochmittelalter und legt dabei einen Fokus auf die Herausbildung einer ukrainischen Identität ab der Frühen Neuzeit in Interaktion mit den vielfältigen kulturellen und ethnischen Gruppen (Polen, Russen, Juden), die in der Region siedelten und folgt dabei einer transkulturellen Verflechtungsgeschichte. Besonderes Augenmerk kommt dabei den verschiedenen imperialen Grenzziehungen zu, welche die ukrainischen Gebiete am Kreuzungspunkt Polen-Litauens, des Russländischen und Osmanischen Reichs sowie der Habsburgermonarchie betrafen. Demgemäß werden die Beeinflussungen zwischen Nationen und Imperien in ihren politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Kontexten herausgearbeitet. Die Entwicklung zu einem unabhängigen ukrainischen Staat im 20. Jahrhundert wird bis in die Gegenwart verfolgt und der aktuelle Krieg vor diesem Hintergrund eingeordnet. Dabei werden aktuelle geschichtspolitische Strategien, insbesondere seitens der russischen Regierung, kritisch beleuchtet, aber auch die Prägung von Feindbildern auf Grundlage der langfristigen historischen Strukturen kritisch analysiert.
Geschichtswissenschaft/Oral History und Biographieforschung
2018
Der Beitrag diskutiert den Anspruch, Lebensgeschichten in ihrer Interdependenz mit den jeweiligen historisch-sozialen Kontexten sowie deren Wandlungsprozessen zu rekonstruieren. Wir konzentrieren uns auf einen kurzen Uberblick uber diesen ausgesprochen prominenten Bereich der Biographieforschung, der sich vor allem durch die Forschung zu den Folgen des Nationalsozialismus und des Holocaust sowie zu den gesellschaftlichen Transformationsprozessen in Osteuropa und Ostdeutschland seit 1989 auszeichnet. Des Weiteren werden wir auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Fragestellungen und angewandten Methoden zwischen der Oral History und der soziologischen Biographieforschung eingehen.
Methoden und Theorien der Bildungsmedien- und Bildungsforschung - Ein Werkstattbericht von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern des Georg-Eckert-Instituts, 2017
Oral History, also die gesprochene Geschichte oder kommunizierte Erinnerung über historische Ereignisse, eröffnet der Bildungsmedienforschung eine zusätzliche Perspektive. Interviews bieten sich dabei als Quellen an, um eine Vielzahl von Fragen zu untersuchen, die den Entstehungsprozess und die Nutzung des Bildungsmediums betreffen. Allerdings müssen bei der Durchführung und Interpretation dieser Interviews verschiedene Aspekte beachtet werden, die deren Informationsgehalt einschränken: Intersubjektivität, Erinnerung, Narrativität und Performanz. In diesem Essay geht es vor allem um die ersten beiden Charakteristika, da sie die Forscherin oder den Forscher, anders etwa als die offensichtlicher wirkende Performanz, vor besondere Herausforderungen in der Analyse stellen und zudem in der Vergangenheit von einer auf Inhalte und Verständlichkeit fokussierten Bildungsmedienforschung vernachlässigt wurden, was sich im Zuge einer empirisch ausgerichteten Bildungsmedienforschung allmählich ändert und zu ändern ist.