Tagung »Rechtsräume« Historisch-archäologische Annäherungen (original) (raw)

Der Forschungsschwerpunkt „Rechtsräume“ untersucht für die Rolle des Rechts bei der Integration von Räumen durch Personen. Mit dem Sammelbegriff des Rechts im Sinne normativer Ordnungen werden Regelungsvorstellungen sowohl aus der weltlichen als auch der kirchlichen Sphäre beschrieben, die Anspruch auf Beachtung erheben und einzeln oder zusammen als Konfigurationen neuer oder Modifikationen bestehender Ordnungsmuster erkannt werden können. Die Beobachtung dynamischer Veränderungen durch räumliche, sprachliche sowie kulturelle Übertragung von Normen und Praktiken steht im Fokus des Projektes. Das zweite Schlagwort, Raum, bezieht sich in erster Linie auf eine definierbare und kartierbare Fläche, während das Kriterium ‚Recht‘ zwar definierbare, doch zunächst nicht kartierbare, kulturelle und konstituierende Vorstellungen von Ordnung beinhaltet. Die Vorgänge der Übertragung setzen einen zeitlichen Ablauf voraus und bedeuten Interaktion von Menschen (als Handelnde wie als Betroffene) und beziehen sich auf religiöse und weltliche Ordnungsmuster, wie Glaubensinhalte und Riten, Bekenntnisse zu Religionen und Herrschaftsmodellen oder auf die Annahme bei den Rezipienten zunächst unbekannter wirtschaftlicher und sozialer Verhaltensweisen. In ihrer Gesamtheit bieten solche Transferprozesse Möglichkeiten zur Inklusion wie zur Exklusion. Sie sind ein bedeutendes Mittel für Integration sowohl von Menschen als auch von Räumen, bieten aber ebenso den Handelnden gerechtfertigt erscheinende Gründe für die Neuordnung von Lebensweisen und kulturellen Praktiken bis hin zur Vernichtung der Renitenten. Historische Prozesse dieser Art hinterlassen stets Quellen für deren Erforschung. In den Kulturwissenschaften hat in den letzten Jahrzehnten die Kategorie des Raumes wieder konstruktive Bedeutung gewonnen, als es gelang, sich von zeitgebundenen geopolitischen Prämissen und ‚volksgeschichtlichen‘ Vorstellungen zu lösen. National rückgebundene Geschichtsschreibung als Fundament für Deutungen der Vergangenheit oder für staatliche Ansprüche auf Räume haben sich weitestgehend, aber beileibe nicht immer, zu Gunsten von Fragen nach kulturellen und normativen Entwicklungen erledigt, deren Beantwortung nicht Konstruktionen von Identitäten verlangt, sondern interdisziplinäre und transnationale Ansätze sowie diachrone Komparatistik voraussetzt, die alle Quellengruppen der klassischen Historik wieder einbezieht. „Traditionen“, „Überreste“ und „Denkmäler“ müssen mit den modernen Fragestellungen der historischen Kulturwissenschaften, aber auch der Rechtswissenschaften, der Archäologie wie der Volkskunde und der Soziologie verbunden werden. Die Verknüpfung mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden, etwa der Paläogenetik, verspricht darüber hinaus tiefe Erkenntnisse jenseits der Horizonte schriftlicher Überlieferungen. Der Begriff „Raum“ wird im Zentrum der ersten Tagung stehen und es wird klar werden, wie vielschichtig er ist und wie divers die Zugänge. Meint er eine Landschaft, eine Stadt oder ein Gebäude? Bezieht er sich auf existierende beziehungsweise rekonstruierbare Topographien oder auf gedachte Strukturen, prägt er die Entstehung von Zentren und Peripherien, den Verlauf von Traditionsbildung und Innovation oder kann die Vorstellung von Raum bei Bedarf beliebig – auch rückwirkend – überwunden und neu gestaltet werden? Vier Leitmotive sollten in den Vorträgen aufgegriffen werden, soweit es thematisch möglich ist: • der Raumbegriff • die Quellen • die methodischen Ansätze • die Lösungsperspektiven