- Avalon, 66° Nord. Zu Frühgeschichte und Rezeption eines Mythos. (=Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 95), Berlin – Boston: de Gruyter 2015. [x, 590 S.] (original) (raw)
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Heute sind die historischen Hilfswissenschaften an den Rand des wissenschaftlichen Interesses geraten. Daher begrüßt man die vorliegende Arbeit des an der Universität Poznań lehrenden Verfassers mit hohen Erwartungen, arbeitet er doch akribisch die Leistung Jean Mabillons (1632-1707), des Nestors der Diplomatik, der Urkundenlehre, heraus, indem er den Benediktinermönch des Klosters Saint Germain des Prés (Paris) bis in feinste Verästelungen in seinen Fachkollegenkreis einordnet, die Einwände seiner Konkurrenten, z. B. Barthélémy Germon, prüft und abwägt, die historischen Umstände seiner Epoche skizziert und seine Nachfolger Revue passieren lässt. Seine 634 Folioseiten umfassende Veröffentlichung 'De re diplomatica Libri VI' von 1681 kann noch heute als Grundstein angesehen werden, auf den sich die Diplomatik als eine selbständige Wissenschaft-ja sozusagen als deren Krönung-gründet. Mabillon verleiht ihr eine eindrucksvolle Aufwertung in historischer Dimension und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Entstehung wissenschaftlicher Geschichtsforschung allgemein. Es werden bisherige Sachkenner aufgezählt, wie Harry Bresslau, Theodor Sickel, Arthur Giry, Maurice Prou, Georges Tessier u. a. Aber bisher hat sich noch niemand in derart tiefschürfender Weise an die Untersuchung der Spezifika der Diplomatik der frühen Neuzeit herangewagt "und eine adäquate Definition des Bahnbrechenden" (S. 13) am Werk Jean Mabillons vorgenommen. Dorna geht dabei besonders auf die Schlussfolgerungen des Bollandisten Daniel van Papenbroeck (1628-1714) für die Entstehung der Diplomatik ein. Dies gilt auch für die Epigonen René Prosper Tassin und Charles Francois Toustain. Dornas Ziel ist, "[d]as kohärente Gesamtbild vom Entstehungsprozess der Diplomatik als eigenständige Disziplin" herauszuarbeiten (S. 13). Dieser Prozess ging in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s zuende. Damals kam es zur Etablierung der Diplomatik als Fach in der Universitätslehre, d. h. zur Erreichung ihres anerkannten Status als Historische Hilfswissenschaft. Auch der didaktische Fortschritt und Erfolg des Wirkens Johann Christoph Gatterers (1727-1779) in Göttingen wird natürlich in diesem Entwicklungsstrang geschildert. Hinzu kam, dass an der Wende des 18. zum 19. Jh. der Wandel des Status der mittelalterlichen Urkunden sich vor dem Hintergrund politischer und verfassungsrechtlicher Veränderungen vollzog. Daher setzte sich die vorherige Epoche von der neuen ab in Form eines totalen Wandels der Diplomatik. Seine schlüssige und trotz der komplizierten Materie gut lesbare Arbeit gliedert Dorna folgendermaßen: Er beschreibt in einem ersten Teil die "Entdeckung der Urkunde" nicht nur als Speicher rechtlichen Inhalts, sondern auch als historische Quelle. Dabei geht er gründlich auf die frühneuzeitliche diplomatische Kritik ein und vertieft sich in die sog. Urkundenkriege, die bella diplomatica des 17. und 18. Jh.s, wobei er die bemerkenswerten Streitfälle, wie die Auseinandersetzung des This material is under copyright. Any use outside of the narrow boundaries of copyright law is illegal and may be prosecuted. This applies in particular to copies, translations, microfilming as well as storage and processing in electronic systems.
2008
[1] Giovanni Boccaccios Decameron (entstanden nach 1348) gilt als Inbegriff, zuweilen auch als Gründungswerk der Novellistik; seine frühe Rezeption in Deutschland in Überlieferung und Übersetzung-sei es des gesamten Zyklus, sei es einzelner Novellen-ist seit geraumer Zeit im Blick der germanistischen Spätmittelalter-und Frühneuzeitforschung. Ursula Kocher unternimmt in ihrer Dissertation von 2001 (FU Berlin), deren anzuzeigende Druckfassung 2005 erschien, den ambitionierten Versuch, diejenigen deutschen Kurzerzählungen, die Übertragungen einzelner Novellen des Decameron sind oder zumindest nahe Parallelen in solchen haben, bis etwa 1520 vollständig zu erfassen und mithilfe von narratologisch informierten Einzelinterpretationen ihre Eigenart und Differenz gegenüber den Vorlagen beziehungsweise Parallelen im Decameron herauszuarbeiten. Zugleich möchte die Arbeit einen grundlegenden Beitrag zum Thema ›Boccaccio und die deutsche Novellistik‹ leisten und damit auch die in der Neueren Germanistik gängige Lehrmeinung vom Beginn einer deutschen Novellistik im vollen Sinn des Begriffs erst bei Goethe (Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, 1795) revidieren.