Zum Bedeutungsspektrum des Begriffs "Anerkennung": Die Rolle von Adäquater Würdigung und Gegenseitigkeit (original) (raw)

Unterschiedliche Denker gebrauchen oft unterschiedliche Begriffe, um über denselben Gegenstand zu sprechen, und denselben Begriff, um über unterschiedliche Gegenstände zu sprechen. Terminologische Verwirrungen gehören zu unseren ständigen Begleitern, und im besten Fall können wir Eindeutigkeit innerhalb der unterschiedlichen Verwendungsweisen eines Begriffs erreichen. Doch manchmal existieren sogar in ein und demselben Kopf widerstreitende Vorstellungen darüber, wie das Bedeutungsspektrum eines Begriffs einzugrenzen ist, welche Ausdehnung das 'Feld' eines Wortes oder Begriffs hat – und damit letztlich darüber, welches Spektrum von Phänomenen von einer erfolgreichen Theorie beschrieben wird. Dieser Aufsatz ist aus einem derartigen Konflikt in Bezug auf die Verwendung des Begriffs "Anerkennung" in Schlagworten wie "Kampf um Anerkennung", "Bedürfnis nach Anerkennung", "wechselseitige Anerkennung", "interpersonelle Anerkennung", "öffentliche Anerkennung", "Anerkennung von Differenz", "institutionelle Anerkennung" oder "emotionale Anerkennung" entstanden. Der Konflikt entspringt aus zwei grundlegenden Gedanken, die bei dem Versuch, „Anerkennung“ zu definieren oder zu umreißen, eine Rolle spielen. Ich werde sie den Gegenseitigkeits-Gedanken und den Gedanken der adäquaten Würdigung [adequate regard insight] nennen. Der Gegenseitigkeits-Gedanke besagt, dass Gegenseitigkeit der Anerkennung inhärent oder quasi eingebaut ist: Ich muss den Anderen als Annerkennungsgeber anerkennen, damit die Sicht des Anderen für mich als Anerkennung gilt. Anerkennung in eine Richtung setzt stets Anerkennung in beide Richtungen voraus. Der Gedanke der adäquaten Würdigung hingegen beruht auf der Idee, dass wir nicht nur als Anerkennungsgeber klassifiziert, sondern adäquat, das heißt, unter Berücksichtigung all unserer normativ relevanten Merkmale, behandelt werden wollen.