Ein Richter wie Šamaš": Zur Rechtsprechung der Kassitenkönige (original) (raw)

Rechtskritik und Klage. Szene der Entscheidung in Kafkas Heizer

Theater als Kritik: Theorie, Geschichte und Praktiken der Ent-Unterwerfung, 2018

Das Theater ist ein Medium der Rechtskritik. Denn das Theater hat es seit der attischen Tragödie mit der Klage zu tun, mit Klagen und Anklagen. Die älteste erhaltene Tragödie verlautet die Klage des persischen Hofs über die Niederlage bei Salamis, Sophokles' Aias und Philoktetes verlautbaren Klagen über Scham beziehungsweise Schmerz, die thebanische Trilogie verlautbart Totenklagen (etwa Antigones um sich selbst), Euripides' Troades Klagen um die gefallene Stadt. Eine Ambivalenz des Klagens zeigt sich in Aischylos' Orestie, wo Totenklagen nicht nur nach den Verlorenen rufen, sondern zugleich auch nach Rache für den Schmerz und Verlust, nach einer Erwiderung des erfahrenen Schlages. Darin stehen Totenklagen Anklagen im juridischen Sinn nahe, denen es gleichfalls darum geht, eine Kränkung oder Verletzung mit den Mitteln von Anklage und Urteil zu erwidern. Es geht Klagen um die Möglichkeit der Antwort, des Austauschs, der Wechselseitigkeit-gerade dort, wo sie in Frage gestellt sind wie bei Toten, die nicht antworten können, oder physischem Schmerz, den keiner verantwortet. Auf der Basis dieser grundsätzlichen Verwandtschaft aber zieht die Orestie eine strikte Unterscheidung: Die Trilogie endet als Schauspiel der Substitution von Rache durch Recht, der Ersetzung der Erwiderungsmoral einer in Parteien gegliederten Sippengesellschaft durch öffentliche Einzelentscheide unbeteiligter Dritter im Namen aller, der πόλις. Das Spektakuläre der Orestie aber ist, dass eigentlich gar keine Entscheidung gefällt wird: Denn ob Orest zu Recht seine Mutter Klytaimnestra tötete, um zu rächen, dass sie den Tod ihrer Tochter Iphigenie durch Mord an deren und Orestes' Vater Agamemnon gerächt hatte (und ob der Mord unter Blutsverwandten schwerer wiegt als der des Gatten), dies zu entscheiden kann keinem Sterblichen gelingen, sagt Athene. Und weiter: »Steht doch mir sogar/Gericht nicht zu, wo Mord aus Rachegroll geschah.« Statt »Rachegroll« lässt sich δίκη allerdings auch als »Recht« oder »Rechtsbrauch« übersetzen. 1 Niemand kann einfach gegen ihn entscheiden, darum setzt Athene nicht einen Einzelnen, sondern ein Gremium von Bürgern zum Richter ein, die künftig im Sinn der πόλις entscheiden sollen, nicht im Sinn der Familienehre, die oft Fehden und Bürgerkriege mit sich bringt. 2 Das Votum ist

DAS RECHT AUF MEINUNGSÄUSSERUNG EINES RICHTERS IN SLOWENIEN: KOSAŘ'S THEOREM IN DER SLOWENISCHEN JUSTIZ

Die verfassungsrechtliche Unabhängigkeit der Justiz wird in den neuen EU-Mitgliedstaaten durch die abhängige Stellung der Richter innerhalb der Justiz untergraben. Die Justiz in den neuen EU-Mitgliedstaaten wird nämlich durch die dominante Stellung der Gerichtspräsidenten gekennzeichnet. Auch Richter kom-men in Slowenien in den Genuss des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung, Konflikte mit Gerichtspräsidenten sind vorprogrammiert. In der slowenischen Ju-stiz können Versuche beobachtet werden, dieses Grundrecht zu beschränken. Der Versuch der Erweiterung der Schranken des Grundrechts auf freie Meinungsäu-ßerung z.B. nach freiem Ermessen des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Sloweniens kann als eine nie überwundene Tradition der Gewalteneinheit in der slowenischen Justiz gedeutet werden. In diesem Ermessen zeigt sich dann die lei-tende Rolle des Gerichtspräsidenten, der auch als ein Mittel der Disziplinierung und Einwirkung auf richterliche Unabhängigkeit eingesetzt wird. Die Abhand-lung untersucht die Hintergründe solcher Tendenzen in Slowenien. Schlüsselwörter: Justizverwaltung; richterliche Unabhängigkeit; Stellung des Gerichtspräsidenten; Recht des Richters auf freie Meinungsäußerung; Schranken und Grenzen

Zum Ausdruck der Bewertung in deutschen und litauischen gerichtlichen Entscheidungen

2014

This paper deals with expression of evaluation in German and Lithuanian court judgments in civil cases. The purpose is to analyze lexical and grammatical devices, which the court – the source of evaluation in this text type – uses in its judgments to express its opinion towards certain objects of evaluation. The analyzed corpus consists of 10 randomly selected court judgments in German (44 522 words in total) and 10 in Lithuanian (38 347 words in total). The actual scope of the article is one particular part of it, namely, grounds, in which the court examines the suit, pleadings of the parties, certain issues, facts and circumstances relevant for the decision etc. and gives its reasons for the decision. The main focus of the research are aspects of evaluation, i. e. particular attributes of the objects evaluated. It has been found that in the analyzed court judgments the objects are evaluated in terms of success, merits, admissibility, veracity, reasonableness, convincibility, suitability, extent, probability etc. The analyzed court judgments in Lithuanian, compared to judgments in German, contain more different lexical constructions with verba dicendi and verba putandi, in which the evaluating subject is encoded explicitly. It has been also noted that in this text type, lexical devices are also used to indicate that particular issue is not relevant in this lawsuit and it won’t be evaluated. The paper examines also optional elements of the evaluative construction: motivations, intensifiers and deintensifiers. In the analyzed judgments in both languages the evaluation is enhanced lexically and through combination of two and more lexemes, whereas the signals of deintensification vary: in addition to grammatical means diverse lexical modal words are used in the judgments in German, in Lithuanian there is participle of necessity mainly employed in this way.

Der „innere Gerichtshof“ der Vernunft

Der „innere Gerichtshof“ der Vernunft

Josifović ist Privatdozent für Philosophie an der Universität zu Köln. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Klassischen Deutschen Philosophie, insbesondere Philosophie des Bewusstseins und Selbstbewusstseins sowie Philosophie der Freiheit. Darüber hinaus ist er in der Interkulturellen Philosophie mit einem besonderen Interesse an der Chinesischen Klassik aktiv. Neueste Veröffentlichungen: Willensstruktur und Handlungsorganisation in Kants Theorie der praktischen Freiheit (2014) und Das Kanon-Problem in der "Kritik der reinen Vernunft" (2015).

Vor Gericht bei Kaiser und Kalif. Räume für die Rechtsprechung des Herrschers im Vergleich

Perspektiven und Ergebnisse der Arbeit des Forschungsclusters 3 und Beiträge seiner Abschlusstagung vom 20.-22. Juni 2012 in München Herausgegeben von Rudolf Haensch und Ulrike Wulf-Rheidt VI, 152 Seiten mit 84 Abbildungen Titelvignette: Megalithgebiet von Vale de Rodrigo, Cromlech dos Almendres (Foto: Philine Kalb, Frankfurt a. M.) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Haensch, Rudolf / Wulf-Rheidt, Ulrike (Hrsg.): Dialoge über politische Räume in vormodernen Kulturen ; Perspektiven und Ergebnisse der Arbeit des Forschungsclusters 3 und Beiträge seiner Abschlusstagung vom 20.-22. Juni 2012 in München. Rahden/Westf.: Leidorf 2013 (Menschen -Kulturen -Traditionen ; ForschungsCluster 3 ; Bd. 13) ISBN 978-3-86757-393-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Alle Rechte vorbehalten

Die Rechtslage des Kaspischen Meeres

Z. Kembayev, ‘Die Rechtslage des Kaspischen Meeres’ [The Legal Status of the Caspian Sea] 68 Heidelberg Journal of International Law 1027-1055, 2008

The aim of this article is to examine the problem of the legal status of the Caspian Sea, one of the most contentious international legal issues which have emerged after the breakdown of the USSR. The first part of the article demonstrates that the problem basically consists in the disability of the currently five coastal states of the Caspian Sea (Azerbaijan, Iran, Kazakhstan, Russia and Turkmenistan) to agree on the juridical standing of the largest inland body of water and consequently to conclude an international agreement which would determine their mutual borders and the range of their jurisdiction in the Caspian Sea. The conclusion of an agreement on the legal status of the Caspian Sea encompassing all coastal states is of enormous practical importance since the Caspian Sea contains significant oil and gas resources which are vital for the further development of the coastal states. Moreover, a solution to this problem would certainly bring more stability and security to the Caspian area, which, due to its energy reserves and immense geopolitical significance, has become an arena of competition between the most powerful international actors (such as China, the EU, Russia and the US). In turn, the conflict of geopolitical interests of the big powers increases regional rivalry, which is already very intensive, and creates a potentially explosive situation. The second part examines the historical background of the Caspian area and shows that at the beginning of the 20th century, after centuries of expansion, the Russian empire succeeded to make the Caspian Sea its mare clausum. Soon this position was claimed by Soviet Russia (and later the USSR), which, on the basis of the arrangements with Persia (Iran) from 1921-1940 on the “Soviet-Iranian Sea”, pursued primarily the aim to keep the Caspian Sea away from the influence of third countries and thus to safeguard and strengthen its uncontradicted dominance in the region. The author argues against existing views that the regime of the Caspian Sea was defined as a condominium. The 432 km-long Astara-Gassan-Kuly line (which provided merely about 11% of the water surface to Iran) was treated both by the USSR and Iran as their border and it was never formally protested by Teheran. The only reason why this line was not officially recognized is that the USSR never gave up its ambition to establish its autarchy in the Caspian Sea. The third part deals with the relevant rules of international law applicable to the division of border water territories. Reflecting the different positions of the coastal states, this part considers the provisions of both the law of the sea and the law of lakes and argues that the Caspian states, as part of the international community, must follow norms and principles of international law recognized by the overwhelming majority of the states. Furthermore, the author states that the present international practice tends unambiguously cause division of border territories using the equidistance method of delimitation (both with respect to seas and lakes). Based on this fact, the author concludes that the Caspian Sea (no matter whether it is considered as a sea or a lake) should be split into national sectors. The fourth part examines the evolution of the legal positions of the bordering states with respect to the legal status of the Caspian Sea and the development of their mutual relations. The author differentiates three major stages of the advancement of interaction of the Caspian states: 1) exploring the problem of the legal status of the Caspian Sea (1992-1996) and since 1996 two simultaneous running processes: 2) the adoption of north-Caspian agreements and 3) the elaboration of a general Caspian convention on the legal status of the Caspian Sea encompassing all coastal states. Although the adoption of a general Caspian convention and thus the final solution of the problem of the legal status of the Caspian Sea is not to be expected any time soon due to contrary interests of the coastal states, the author argues that the conclusion of north-Caspian agreements evidently demonstrates the ability of (at least north-) Caspian states to find a compromise especially regarding energy issues, which, in turn, can develop into a solid foundation for the solutions of all remaining disputes. Summing up the article, the author makes a conclusion that the fact of preventing potential conflicts and the on-going process of elaborating a general Caspian convention are to be evaluated as very positive political and legal development. Along with the commitment to the duty to refrain from the threat or use of force, the coastal states should be guided more strongly by the principle of cooperation with one another. In this regard, especially important would be the achievement of a compromise between Azerbaijan and Turkmenistan and the completion of the adoption process of north-Caspian agreements. A concerted action of all north-Caspian countries could significantly facilitate in determining the legal status of the Caspian Sea. Furthermore, the author argues that it is in the interest of all Caspian states to agree on a general and comprehensive Caspian convention which would consider their mutual interests (e.g. security concerns v. freedom of transit) and thus to safeguard peace and security in the region. In doing so, the Caspian states should distance themselves from the views of the past that more influence of one international actor necessarily results in the loss of influence of another. More prosperity in one part of the Caspian basin will inevitably cause economic growth in another, strengthen the solidarity of the Caspian states and contribute to the stability and security in the Caspian region, which, in turn, will certainly benefit the entire international community.

Der allgegenwärtige Blick des Richters. Juridische Evidenz bei Albrecht Dürer und Lucas Cranach d. Ä

Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt, 2008

Im Englischen steht evidence für den Beweis, der während des Gerichtsverfah rens erbracht werden muss. Dieser Sprachgebrauch macht deutlich, wie stark die juridische Praxis bis heute von einer Rhetorik des Sehens bestimmt ist. 1 In der Verschränkung von Reden und Sehen wird das Gericht als ein theatralischer Raum erkennbar, in dem Beweisführung auf den Fluchtpunkt einer unmit telbaren Sichtbarkeit verwiesen ist. Dabei verwandelt sich der Gerichtsraum in eine Szene, in der sich die Wahrheitsfindung unter dem richterlichen Blick ereignet. Die folgenden Überlegungen befassen sich mit den historischen An fängen dieser Konstellation im 15. Jahrhundert, wobei anhand des Kupferstichs Sol Iustitiae von Albrecht Dürer sowie des Gemäldes Das Urteil Salomonis von Lucas Cranach d. Ä. und seiner Werkstatt gezeigt werden soll, dass Bilder in maßgeblicher Weise an der Herausbildung dieses Raums juridischer Sichtbar keit beteiligt waren. I Der um 1498/99 datierte Kupferstich Sol Iustitiae gehört nach Er win Panofsky »trotz seines kleinen Maßstabes [79 x 107 mm] zu Dürers ein drucksvollsten Schöpfungen«. 2 [Abb. 1] Das Bild zeigt einen grimmig blickenden Löwen, auf dessen Rücken eine männliche Figur mit weit aufgerissenen Au gen sitzt. Eine aus dem Fleisch herausragende Flammenmaske umrahmt die schwarzen Punkte seiner Pupillen und die kreisrunden Augen, deren Ausstrah lung mittels Strahlenkranz und doppelten Nimbus verstärkt wird. Anhand die ser aus drei Flammenzungen bestehenden Maske, die auf eigentümliche Weise mit der Nase und den durch mehrere Linien umrissenen Augen verwachsen ist,