„Political Correctness “–Ideologischer Code, Feindbild und Stigmawort der Rechten (original) (raw)
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‚Political Correctness‘ als Sklavenmoral? Zur politischen Theorie der Privilegienkritik
Leviathan, 2020
Rechte Intellektuelle berufen sich oft auf Nietzsches Konzept der Sklavenmoral, um damit ihre Kritik an ‚political correctness‘ zu untermauern. Diese Verschaltung von Nietzsches Sklaven- moral und ‚PC‘-Kritik ist zutreffend, wie die systematische Analyse ihrer gemeinsamen Ele- mente zeigt, die zu einer Neubeschreibung von ‚PC‘-Kritik als Privilegienverteidigung führt. Im Gegensatz zur rechtsnietzscheanischen ‚PC‘-Kritik zeigt der linksnietzscheanische Begriff des privilegienkritischen ‚politischen Urteilens‘, dass Politik ein Kampf um Macht und Ansprüche ist, wobei der politische Raum und seine Diskurse immer verregelt und ein Verteilungssystem für Ressourcen und Privilegien sind. Deshalb ist es für eine emanzipatorische Position ange- bracht, die etablierten Normen kritisch zu hinterfragen und politische Projekte, die sie emanzipa- tiv umschreiben wollen, zu unterstützen. Weil ‚PC‘ als emanzipatives politisches Urteilen Privi- legien abbaut, ist es kein zu vermeidender Nebeneffekt, sondern ihr vernünftiger Kern, wenn Privilegierte davon eingeschränkt werden. Der Linksnietzscheanismus hilft, nicht von rechter Aggression überrascht zu werden und ihr entsprechend kämpferisch durch strikte Normsetzung zu begegnen.
„Political Correctness“ in der Schweiz Geschichte eines semantischen Schweizer Taschenmessers
2019
Der Stigmabegriff der "Political Correctness" konnte, als er 1990 in die Schweiz importiert wurde, an zwei rechtsnationale und konservative Imaginationszusammenhänge anschließen: 1. Dass die Rechte der Frau seit den 1970er Jahren zu einem Übermaß eingefordert wurden und zu einer Schwächung der althergebrachten Geschlechterordnung geführt haben. 2. Dass nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 die kommunistische Bedrohung durch eine durch Rassismus-KritikerInnen und so genannte "Linke und Nette" abgelöst wurde, die mit der "Faschismus"-Keule und einer links dominierten Presse gegen Rechte agitierten. Im Artikel soll aufgezeigt werden, wie der Begriff der "Political Correctness" dann, von Satire und Journalismus verbreitet, Rechts-Nationalen wie auch Liberal-Konservativen zunehmend als semantisches Taschenmesser diente, um alle möglichen politischen GegnerInnen zu subsumieren und zu diskreditieren.
"Political Correctness" als Kern der Politik. Mit Nietzsche gegen die neue Rechte
Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Beiheft 164), 2020
The article develops the concept of "political judgement" - a new, affirmative understanding of the phenomena which are criticized as "political correctness" by both right-wing and liberal commentators. To that end, it takes the right's claims, that "political correctness" is slave morality in Nietzsche's sense seriously and proposes a systematic reading of a right-nietzschean position. Connecting current "political-correctness"-critique and Nietzsche in this way allows for a deeper understanding of the right-wing rationality and the affective energy underlying the critique. Through contrasting this right-nietzschean reading with its systematic opposite, a left-nietzschean position, the article shows that the essence of politics is to redesign norms which distribute privilege. What is critically labelled "political correctness" is, thus, better captured by the notion of "political judgment", because - given an interest in emancipation - such politics should not be demonized when they limit the freedom provided by undeserved privileges .
Politikum, 2018
Feministisches, schwul-lesbisches oder antirassistisches Engagement hat in den vergangenen Jahrzehnten die Gesellschaft grundlegend verändert, gesellschaftlich vorhandene Diskriminierungsformen aufgezeigt und erste Schritte durchgesetzt, um diese abzubauen und perspektivisch zu überwinden (z.B. durch „Gender Mainstreaming“). In den vergangenen Jahren lässt sich eine konservative Gegenoffensive („Rollback“) beobachten. (Vermeintliche) Identitätspolitik rückt im Zuge des Rollbacks ins Zentrum konservativer Kritik. Die konservative Reaktion stützt sich in Deutschland auf zwei zentrale Diskursfiguren: Erstens eine vermeintlich hegemoniale, von „Gutmenschen“, „versifften links-rot-grünen 68ern“, der „Lügenpresse“ oder dem „feministischen Volkssturm“ durchgesetzte political correctness, die explizit mit identitätspolitischen Forderungen (z.B. Quotenregelungen) verknüpft wird. Diese verunmögliche es, so die These, sachlich und angemessen über gesellschaftliche Probleme zu sprechen. Weißen, heterosexuellen Männern mit konservativen Positionen werde das Recht abgesprochen, sich zu äußern. Als Gegenspieler der politischen Korrektheit fungiert zweitens der gesunde Menschenverstand – im Sinne eines homogenen Volksempfindens –, der eine vermeintlich natürliche moralische Ordnung der Gesellschaft vorgebe. Eine wichtige Triebkraft des Rollbacks, so wird im Folgenden argumentiert, sind so genannte Moralpaniken: Medienereignisse, in denen eine Gruppe als ‚fremd‘, ‚bedrohlich‘ und als Gefahr für die moralische Ordnung der Gesellschaft identifiziert wird.
Transformationen des Politischen. Radikaldemokratische Theorien für die 2020er Jahre, 2023
Jenni Brichzin plädiert in diesem Beitrag - entlang der Einsichten zweier politikethnografischer Studien - für die praxeologische Verschiebung einer klassisch-radikaldemokratischen Differenz. Das Beispiel rechtsradikaler Bewegungen in Chemnitz zeigt, dass nicht nur Politik, sondern auch Formen des Politischen essentialisierende (also potentiell antidemokratische) Wirkung entfalten können. Anstelle der Unterscheidung Politik/Politisches tritt damit diejenige zwischen essentialisierender/nicht-essentialisierender Politisierung (pol ess/pol n-e) in den Vordergrund; es gilt, theoretisch den schmalen Grat abschreiten zu lernen, der in praxi zwischen beiden Politisierungsformen verläuft. Dabei hilft überraschenderweise der empirische Blick in politische Institutionen wie Parlamente: Hier lassen sich historisch voraussetzungsvolle Sub-Repertoires der politischen Ent-Essentialisierung-etwa die Instituierung agonistischer Relationalität-beobachten.