Politik gegen „Zigeuner“ und „Landfahrer“ in Kassel im 20. Jahrhundert. Überblick und Forschungsperspektiven (original) (raw)
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Kriminologische Theorie und Praxis
Der Zigeuner ist eben ganz anders als jeder Kulturmensch, selbst von der rohesten und verkommensten Gestalt und alles, was man im Verkehr mit zahlreichen anderen gelernt und geübt hat, ist nicht zu brauchen, wenn man es mit dem Zigeuner zu tun hat." 1 Dieser Art beschrieb Ende des 19� Jahrhunderts der Kriminologe Hans Gross (1847 -1915), Professor an der Universität Graz, in einer seiner Veröffentlichungen den "Verbrechertyp" "Zigeuner"� 2 Seine Arbeit galt lange Zeit als Standardwerk und fand international breite Rezeption� Gross' Perpetuierung des Stereotyps des kriminellen "Zigeuners" wurde dankbar aufgegriffen und diente neben vielen ähnlichen Meinungen als Argument für die Forderung nach "kriminalpräventiven Maßnahmen" gegen "Zigeuner"� Die Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung der "Zigeuner" reicht also weit in die Zeit vor dem Nationalsozialismus zurück, in der nationalsozialistischen Herrschaft erreichte sie jedoch eine Radikalisierung bis dato nicht gekannten Ausmaßes� Im Folgenden wird versucht, einen kurzen Überblick über das komplexe Thema der Kriminalisierung und Verfolgung der österreichischen "Zigeuner" in der ersten Hälfte des 20� Jahrhunderts (bis 1945) zu geben, wobei der Schwerpunkt der Ausführungen auf dem Gebiet des nationalsozialistischen Gaues Steiermark (heute Steiermark und Teile des Südburgenlandes) liegt�
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der politisch-rechtlichen Diskriminierung von als Zigeuner etikettierten Personen in der Zeit zwischen 1880 und 1938 für das Gebiet des heutigen Österreichs. Ein besonderes Augenmerk gilt in dieser Arbeit juridischen Grundlagen wie dem Heimat- und Staatsbürgerschaftsrecht bzw. dem Schub- und Passwesen, welche für den gewählten Zeitraum die Basis für die Verfolgung von Zigeunern bildeten. Anhand der Analyse dieser übergeordneten Themenkomplexe wird die Radikalisierung der gesamtösterreichischen Politik gegenüber Zigeunern dargestellt, welche sich in erster Linie in der Legislative, der rigorosen Handhabung des Schubwesens sowie Sozialleistungs- und Gewerbeverweigerungen manifestierte. Von Bedeutung ist in dieser Arbeit auch die Frage nach der Entwicklung der Semantik des Zigeunerbegriffs bzw. der Relevanz von Stereotypen in der Politik gegen Zigeuner ab dem ausgehenden 15. Jahrhundert. Die Erkenntnis, wonach es sich in der Politik der „Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ letztlich um ein selbst-konstruiertes Problem der Behörden handelte, konnte aus der diskursartigen Analyse von Archivmaterial und regionalhistorischen Arbeiten gewonnen werden.
Anhand einer Analyse literarischer und philologischer Texte des 19. und 20. Jahrhunderts aus Großbritannien, Frankreich und den USA diagnostizierte Edward W. Said (1935-2003) in Orientalism (1978) eine Essentialisierung des Orients als Gegenbild des Westens, die als ideologischer Rahmen zur Durchsetzung hegemonialer Ansprüche gedient habe 1. Als Meilenstein der Postcolonial Studies entfaltete Orientalism einen nachhaltigen Einfluss auf die Kulturwissenschaften wie auch auf die historische Forschung. Dies veranschaulicht augenfällig auch das Lemma "Orientalismus" im Lexikon der Europäischen Erinnerungsorte 2. Gleichwohl treten entgegen des im Titel des Nachschlagewerks suggerierten umfassenden Blicks auf den Kontinent bei näherer Betrachtung weiße Flecken hervor. So blieb Ostmitteleuropa in dem Eintrag ausgeklammert, obwohl innerhalb dieser Geschichtsregion die polnischlitauische Adelsrepublik, das Königreich Ungarn und Siebenbürgen sowie die benachbarten Fürstentümer der Moldau und der Walachei über Jahrhunderte wichtige Schnittstellen zum Osmanischen Reich beziehungsweise zum Krimkhanat als dessen Vasall waren 3. Nach Said ist Orientalismus ein wertbehafteter Antagonismus, der ‚dem Orient' den Subjektcharakter abspricht und ihn zum Gegenstand europäischer Politik wie hegemonialer Kulturkonzepte macht. Damit wird die projizierte Gegenüberstellung in ihren macht-und kulturpolitischen Dimensionen dekonstruiert, aber noch nicht aufgelöst. Was bleibt, ist die Beschränkung auf politisch-territoriale Einheiten-auf Staaten, Nationen oder Bewegungen, die als Akteure gedacht werden, und somit gleichsam eine zentrale europäische Ordnungsvorstellung verabsolutieren. Auch als geographische Kategorie bleibt die Gegenüberstellung demnach gedanklich erhalten. Aber: Wie verhält es sich mit dem Orient, der auch in Europa verortet werden kann? An wen richten sich Orientzuschreibungen und welche Folgen ergeben sich daraus? Die Existenz orientalisierender Diskurse in Ostmitteleuropa blieb aufgrund einer fehlenden kolonialen Vergangenheit zunächst ausgeblendet. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs thematisierten dann eine Reihe von Studien die Konstruktion spezifischer mental maps von Ost-und Südosteuropa 4. Larry Wolff formulierte 1994 auf Basis einer Analyse von Reiseberichten
Der Übergang vom Jung- zum Spätpaläolithikum in Südwestdeutschland: Der Zigeunerfels
"All der holden Hügel ist keiner mir Fremd..." Festschrift zum 65. Geburtstag von Claus-Joachim KindEdition: Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie Band 327Publisher: Michael Baales and Clemens Pasda, 2019
Der Übergang vom Jung- zum Spätpaläolithikum ist in Südwestdeutschland auch nach mehr als 100 Jahren archäologischer Forschung wenig verstanden. Hier bietet der Zigeunerfels mit seiner umfassenden und gut datierten Schichtenfolge die für die Region einmalige Möglichkeit, die kulturelle Entwicklung während des spätglazialen Interstadialkomplexes feinchronologisch aufzulösen. An dieser Stelle werden die ersten Ergebnisse der Neuuntersuchung zum Zigeunerfels vorgestellt. Es wird gezeigt, dass trotz er bereits vor 45 Jahren stattgefundenen Ausgrabung die Neuanalyse des Inventars des Zigeunerfels verspricht, neue Erkenntnisse über die spätglazialen Wildbeutergesellschaften und ihrer Umwelt zu liefern.
Sigrid Ruby / Anja Krause (Hrsg.): Sicherheit und Differenz in historischer Perspektive / Security and Difference in Historical Perspective, Bd. 10: Politiken der Sicherheit, Baden-Baden: Nomos, S. 155-189, 2022
Der Beitrag analysiert Kontinuitäten und Veränderungen bei polizeilich eingesetzten Bildern von Sinti_ze und Rom_nja. Aufbauend auf Studien zur Ikonografie von visuellem Antiziganismus, werden die Polizeibilder als Ausdruck einer staatlichen Versicherheitlichungspraxis untersucht. Während die angedrohten Strafen und die staatliche Herrschaftsausübung im 17. und 18. Jahrhundert direkt im Bild als Spektakel inszeniert wurden, änderte sich dies im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Fotografie als Polizeitechnik. Zwischen 1850 und 1937 lässt sich hier eine Entwicklung vom fotografischen Experimentieren hin zum international standardisierten Verbrecherbild nachzeichnen. Der Beitrag kommt zu dem Ergebnis, dass sich die einstmals direkten Strafandrohungen in einer subtileren Form als Kriminalisierung und damit einhergehenden Drohungen des gesellschaftlichen Ausschlusses fortgesetzt haben und dass sich die staatlichen Institutionen, zunächst direkt im Bild, später als rahmensetzende Instanz, als stark und mächtig inszeniert haben. / This contribution analyses continuity and change in the representation of Sinti and Roma used by the police in German-speaking countries over several centuries. Drawing on iconographic studies of visual antiziganism, it examines images produced by the police as an expression of a state securitisation practice. Whereas in the 17th and 18th centuries the threat of punishment and the exercise of state power was enacted as a spectacle directly within the image itself, this changed in the 19th century with the emergence of photography as a police technology. For the period between 1850 and 1937, we can trace a development from photographic experimentation to internationally standardised photographs of (suspected) criminals. This contribution concludes that the once open threat of punishment continued to persist in a more subtle form of criminalisation and in the threat of social exclusion that this involved. It further shows that the state institutions used the images to present themselves as powerful and strong, initially directly by displays of state power within the image itself and later by exercising their power to set the framework.