Maria Stuart oder Die Kunst des Sterbens (2016) (original) (raw)
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Stöhr Jürgen Das Sehbare und das Unsehbare. Gericault, Frank Stella, Anselm Kiefer
Das Sehbare und das Unsehbare. Abenteuer der Bildanschauung, 2018
Wenn Kunstwerke wirklich intensiv betrachtet werden, dann wird die Bildanschauung zu einem unvergleichlichen Abenteuer. Dann taucht man ein in ihre Phänomenwelt und in die Eigenwirklichkeit der Malerei. Erst dann aktualisiert sich auch das genuine Wirkungspotential der Bilder. In drei ausführlichen Kapiteln wird eine rezeptionsästhetisch- phänomenologische Reise durch großartige Bildlandschaften unter- nommen. In Théodore Géricaults Floß der Medusa gilt es, das dynamische Seh- geschehen und die komplexen Gestaltbildungen zu verfolgen, die dem Werk bisher ungesehene Sinndimensionen eröffnen. Mit den Bildreliefs von Frank Stella beginnt die Jagd auf Moby Dick. Alles kreist hier um die Frage: Wie können dessen ungegenständliche Werke Melvilles Roman narrativ folgen, wenn dieser selber schon von der Unmöglichkeit des Erzählens handelt? Die Bildlandschaft, die Anselm Kiefer in seinem Historienbild Varus entfaltet, erfordert ein Eintreten in den Gründungsmythos der Hermannsschlacht. Hier stößt man auf eine detaillierte bildlogisch entfaltete Genealogie patriotisch-vaterländischen Denkens – aber auch auf die Frakturen und Instabilitäten und auf die apokalyptischen Konsequenzen dieses deutschen Ur-Narrativs. Stets geht es um das, was für das Auge sehbar wird und um das, was unsehbar bleibt, aber dennoch nicht wegzudenken ist.
Luise Charlotte von Schwerin (1684–1731) often wrote in her autobiography that she or someone else cried. Her text provides a point of departure for a discussion of the relationships between tears, spectacle and gender. For the author, who converted from Calvinism to Catholicism, tears represented an opportunity to insert herself into a Christian tradition of tears as an offering, a sign that she has been chosen by God. In this way, she makes sense of a life that was marked by many breaches and losses. Her self-presentation was also encouraged by the fact that the Catholic Church of the Counter-Reformation sought to take advantage of the story of a woman who had abandoned husband and children to follow Christ and, so, provided her a stage upon which to display her tears. She was thus able to transcend the limits imposed upon her gender and to give new meanings to established tradition. The history of Luise Charlotte von Schwerin makes clear once again that courtly society demanded not only the control of emotions (Norbert Elias) but also the creation and cultivation of certain feelings. In ihrer Autobiographie schreibt Luise Charlotte von Schwerin (1684-1731) sehr oft, dass sie oder andere geweint haben. Ihr Text bildet den Ausgangspunkt, um das Verhältnis von Tränen, Spektakel und Geschlecht zu diskutieren. Für die Autorin, die vom Kalvinismus zum Katholizismus konvertiert war, stellen die Tränen eine Möglichkeit dar, sich in die christliche Tradition der Tränengabe einzuschreiben, um sich als eine Person zu präsentieren, die von Gott auserwählt ist. Auf diese Weise gibt sie ihrem Leben, das durch viele Brüche und Verlusterfahrungen gekennzeichnet ist, einen Sinn. Ermöglicht wurde ihre Selbststilisierung auch dadurch, dass die katholische Kirche der Gegenreformation die Geschichte einer Frau, die ihren Mann und ihre Kinder verlassen hat, um Christus nachzufolgen, vermarkten wollte und ihr eine Bühne gab, auf der sie ihre Tränen zur Schau stellen konnte. Dadurch wird es ihr möglich, Geschlechtergrenzen zu überschreiten und die Tradition umzudeuten. In dieser Geschichte wird einmal mehr deutlich, dass in der höfischen Gesellschaft neben der Affektkontrolle (N.Elias) auch die Generierung und Kultivierung bestimmter Gefühle erforderlich ist.