Die Pyrolyse von Aziden in der Gasphase (original) (raw)
Die Chemie der Nichtmetalle hat in den letzten Jahren eine oft als Renaissance bezeichnete stiirmische Entwicklung erlebt. Als Beispiel sei auf die Entdeckung zahlreicher kurzlebiger Verbindungen rnit Mehrfachbindungen zwischen Elementen der dritten und hoherer Perioden hingewiesen; oft gelang auch die gezielte Synthese kinetisch stabilisierter Derivate mit sperrigen Alkylgruppen. So kennen wir heute beispielsweise Silabenzole H&-.sin und Silaethene H2Si=CH2 und R2Si=CR2, Disilene R2Si=SiR2 und Diphosphene RP=PR, Phenylsilaisocyanid H&,-N=Si und Methylidinphosphane R-C=P. Sandwich-Verbindungen mit P5-und P6-Ringen oder Si-Zentren illustrieren, daD der Imagination der Nichtmetall-Chemiker kaum noch Grenzen gesetzt sind. In krassem Gegensatz hierzu steht unsere Unkenntnis vom ,,mikroskopischen" Ablauf chemischer Reaktionen: Abgesehen von Informationen z. 9. aus Molekiilstrahl-Experimenten oder numerisch genauen Berechnungen a n Ensembles aus wenigen Atomen ist fur Molekiile mittlerer GraBe weitgehend unbekannt, aus welchen Richtungen sie aufeinander stolJen miissen, urn einen ,,Reaktionskomplex" zu bilden, wie sich dabei ihre Strukturen andern oder welche Rolle die Molekiildynamik beim Energietransfer spielt. An der Pyrolyse von Aziden X-N3, die in kondensierter Phase nach Ziindung mit Wucht explodieren, in der Gasphase unter vermindertem Druck jedoch gefahrlos erhitzt werden kbnnen, lafit sich zeigen, daD Untersuchungen an reaktiven Zwischenprodukten nicht nur wegen der Entdeckung neuer Verbindungen und der Entwicklung neuer Synthesemethoden von Interesse sind. Zusltzlich kiinnen Teilaspekte des ,,mikroskopischen" Ablaufes dieser Azid-Pyrolysen durch berechnete Energiehyperflachen zufriedenstellend beschrieben werden, und der EinfluB der Molekiildynamik wird experimentell in der ,,chemischen Aktivierung" von Zwischenprodukten sichtbar, die zu deren ,,thermischem Zerplatzen" fiihrt.