Kriegsverletzungen an historischen Skeletten aus der Schweiz (original) (raw)

Sündenböcke auch in unserer Schweizer Geschichte

Wir können die Schweizer Geschichte nach Episoden abklopfen, in denen bestimmte Teile der Gesellschaft zu Sündenbücken gemacht werden. Warum aber danach Ausschau halten? Dafür gibt es zwei gute Gründe: Einmal, um sich schlicht auch in dieser Variante bewusst zu werden, was es mit der Schaffung von Sündenböcken auf sich hat. Und zum anderen, um zu zeigen, dass es solche soziale Mechanismen auch und sogar in der Schweiz gibt. Auch und sogar -warum eigentlich nicht? Wenn wir feststellen, dass die Schweiz diesbezüglich keine Ausnahme bildet, dann dämpft dies ein wenig die problematische Vorstellung, dass die Schweiz ein perfektes Musterland sei. Die unzutreffende Idee eines derartigen Exzeptionalismus

Sturm auf Beda? Bemerkungen zum Nachweis von Spuren der Gewalt am Beispiel der Skelettfunde aus dem spätantik-frühmittelalterlichen Gräberfeld von Bitburg „An der Römermauer“.

Menschliche Skelettreste stellen den direktesten Zugang zu gewalttätigen Akten in archäologisch relevanten Zeiträumen dar. Diese können aus eindeutig gewaltbedingten Befunden wie z. B. Massengräbern geborgen werden, Gewaltopfer finden sich aber auch auf regulären Bestattungsplätzen. Das spätrömisch-frühmittelalterliche Gräberfeld „An der Römermauer“ in Bitburg ist ein solcher, auf dem Gewaltopfer bestattet worden sind. Stark gestörte Befunde und Skelette bedingen in diesem Fall ein methodisches Vorgehen, das die taphonomischen Faktoren angemessen berücksichtigt, aber auch die anthropologischen Befunde in größtmöglicher Detailtiefe erfassen und auswerten kann. Eine anatomische Zonierung des Skeletts stellt hier die beste Wahl dar und ermöglicht den validen Vergleich mit anderen Fundorten. Weitere bioarchäologische Ansätze sind jeweils angeraten, um den Kontext der festgestellten Gewalt besser interpretieren zu können.

Gold, Gewalt und Gebrechen. Die Beziehung zwischen sozialem Status und traumatischem Skelettbefund im frühen Mittelalter am Beispiel des Hermsheimer Bösfelds, Mannheim- Seckenheim.

Merovingian cemeteries with high numbers of individual burials and evident patterns of differing grave goods are very suitable for addressing different biocultural research questions. The sex- and status-specific equipment of many burials of this time allows a comparison of various archaeological characteristics with the osteological features of the deceased themselves, including possible correlations between social status and skeletal signs of interpersonal violence. This question was specifically addressed as part of an extended palaeopathological and palaeoepidemiological study of the large Early Medieval cemetery from Mannheim-Seckenheim, Germany (the “Hermsheimer Bösfeld”). Considering the weaponry, mainly consisting of bladed weapons, sharp force injuries appear as the most suitable indicators of interpersonal violence in the osteoarchaeological record of this time. By using systematically compiled data from the cemetery it becomes quite apparent that the visible traces of sharp force injuries are not distributed randomly in the population but follow a very specific pattern. This pattern is clearly connected to the expression of social status via the grave goods, which may include bladed weapons like swords and spears. In the cemetery, women show no skeletal trauma caused by these instruments, men of low status are rarely affected. The highest prevalence of serious injury caused by interpersonal violence is found in the high status men, whose graves include the same types of weapons that caused their own, often lethal, cranial injuries. This very much suggests that these men were mainly fighting other men of roughly equal social standing, and mostly in small-scale skirmishes or even in duel situations. The presence of weapons in a grave therefore is mirrored in the presence of skeletal trauma in the same group of people, who apparently kept these weapons not only for display in life or the funerary context, but also for lethal use against each other.

Zur Spurensuche an menschlichen Skeletten

2021

Was ist Anthropologie? Die Anthropologie widmet sich dem Menschsein in seiner ganzen Vielseitigkeit und erforscht Unterschiede sowie universelle, allen Menschen gemeinsame Merkmale und Verhaltensweisen über Kulturen, Sozialstrukturen, Habitate und Umgebungen hinweg. "Warum verhalten wir uns, wie wir es tun?" ist eine grundlegende Frage der Wissenschaft. Sie zieht sich durch alle Aspekte, die den Menschen betreffen, und ist somit der Inbegriff eines interdisziplinären Feldes. Dies lässt erahnen, dass die Analyse von Skeletten nur ein Teilgebiet der Anthropologie darstellt. Das Studium der Knochen und des Skelettsystems aller Lebewesen ist die Osteologie. Dennoch greift dieser Begriff für die Analyse von Skelettmaterial zu kurz, weil auch sie von der Interdisziplinarität lebt. Dieser Befund gilt sowohl angesichts der genutzten Methoden als auch der vielen Informationen, die sich nicht direkt am Knochen, sondern aus anderen Quellen und Perspektiven-aus den Natur-, Sozial-und Kultur-bis hin zu den Geisteswissenschaften-gewinnen lassen (Mant & Holland 2016). Das Skelett ist während des Lebens wortwörtlich die Stütze des Menschen. Die Knochen sind ein lebendes, plastisches und dynamisches Organ, das sich in ständigem Umbau befindet, äußeren Einflüssen unterliegt und auf sie reagiert (Mays 2010). Weiterhin bestimmen sowohl genetische Faktoren als auch verschiedene Arten der Variation (geschlecht lich, alters-bzw. entwicklungsbedingt sowie individuell) die Größe und Form eines Knochens mit (White, Black & Folkens 2012). Knochen und Zähne überdauern den Menschen oft lange über den Tod hinaus. Diese menschlichen Überreste

Das Neolithikum in der Schweiz

Journal of Neolithic Archaeology, 2012

Forschungsgeschichte und neue «kulturhistorische» Modelle Die Erforschung des Neolithikums ist in der Schweiz untrennbar mit den zahlreichen Seeufersiedlungen verbunden, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt und als «Pfahlbauten» bekannt geworden sind. Chronologisch gesehen decken sie vor allem den Zeitrahmen des 4. und 3. Jahrtausends v.Chr. ab. Die wenigen Fundstellen des 6. und 5. Jahrtausends v.Chr. werden hingegen erst viel später entdeckt oder erst durch moderne, absolutchronologische Datierungsmethoden als solche erkannt. Es handelt sich dabei mehrheitlich um Siedlungen abseits der Seeufer oder um Gräber.

Zahm und Wild. Frühe Tierbilder auf archäologischen Denkmälern der Schweiz

martin guggisberg Zahm und wild frühe tierbilder auf archäologischen denkmälern der schweiZ Tiere begleiten die Menschen seit Urzeiten. In der künstlerischen Hinterlassenschaft aus dem Gebiet der heutigen Schweiz haben sie -mit Ausnahme einiger virtuoser Beispiele aus dem Paläolithikumallerdings erst vergleichsweise spät, gegen Ende des 2. Jahrtausends v. Chr., ihre Spuren hinterlassen. Zu diesen frühen Beispielen gehört u. a. der Tierfries auf der Goldschale von Zürich-Altstetten (Abb. 1). Wie fast immer bei prähistorischen Denkmälern bleibt uns der ideelle Gehalt der Darstellung auch hier im Einzelnen verborgen. Dass die Tiere mit Sonne-und Mondsymbolen kombiniert sind, lässt jedoch vermuten, dass ihnen bereits in dieser frühen Epoche eine tiefere, kosmischreligiöse Bedeutung eigen war. Rechts: Figürlicher Bildfries eines Halsrings aus dem Schatz von Erstfeld; frühes 4. Jahrhundert v. Chr.; max. Breite des Ringes (E1) 13,5; Zürich, Schweizerisches Nationalmuseum A-26066. Foto: © Schweizerisches Nationalmuseum, D. Stuppan. Oben: Detail des Halsrings von Erstfeld (vgl. Abb. 7) mit der Darstellung eines schlangenartigen Fabelwesens mit aufgerissenem Rachen; Zürich, Schweizerisches Nationalmuseum A-26066. Foto © M. Guggisberg. 8 7 7 8

Neues in der Römischen Archäologie: Die Sicht aus der Schweiz

Römische Archäologie in Deutschland. Stand und Perspektiven, 2023

Der Beitrag widmet sich der Forschungslandschaft und aktuellen Forschungen der römischen Archäologie in der Schweiz, unter besonderer Berücksichtigung der Provinzialrömischen Archäologie in der Deutschschweiz. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei – im Sinn des vorliegenden Buches – den Neuerungen auf methodologischer und theoretischer Ebene. Im Anschluss an eine Darstellung des Wissenschaftsbetriebes werden einige dieser Neuerungen charakterisiert und anhand aktueller Beispiele illustriert. Zum Schluss soll mit einem Blick in die Zukunft erkundet werden, welches Potential in einer künftigen (Neu-)Untersuchung der Quellen zur römischen Archäologie in der Schweiz im Licht einer Auswahl an aktuellen Theorien liegen könnte.