Die NS-Ordensburg Vogelsang als umkämpfter Ort europäischer Erinnerung (original) (raw)
Als der Truppenübungsplatz "Camp Vogelsang" in der Eifel im Dezember 2005 von der belgischen Armee geräumt und das Gelände der Bundesrepublik Deutschland überschrieben wurde, trat damit auch die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang erstmals wieder in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit, der sie in militärischem Sperrgebiet fast sechzig Jahre lang entzogen war. Nach der Rückgabe der zuerst unliebsamen, mitten im Nationalpark Eifel, nahe der belgischen Grenze, gelegenen, NS-Hinterlassenschaft begannen intensive Debatten, wie mit dem "bösen Ort" 1 der ehemaligen NS-Kaderschule zukünftig umgegangen werden sollte. Da sich auch neofaschistische Gruppierungen für die nach dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände und dem "Kraft durch Freude" (KdF)-Bad Prora größte erhaltene NS-Architektur in Deutschland zu interessieren begannen und die neonazistische "Kameradschaft Aachener Land" bereits eine Art Neonazitourismus nach Vogelsang plante, 2 gab es anfangs noch Überlegungen, die "in Stein gehauene Ideologie" 3 der NS-Ordensburg absperren und verfallen zu lassen. In einer Leitentscheidung des Landes Nordrhein-Westfalens wurde jedoch festgelegt, dass Vogelsang als ehemaliges NS-Schulungszentrum und architektonisches Propagandaobjekt erhalten werden soll, um die "Ordensburg" zu einem internationalen Lernort mit NS-Dokumentationszentrum auszubauen. Gleichzeitig soll Vogelsang als zukünftiges touristisches Zentrum des Nationalparks Eifel entwickelt werden, um die Wirtschaft der strukturschwachen Eifelregion zu stützen. Damit stellt sich die Frage, wie sich, trotz Einbindung in ökonomische Interessen und einer sehr heterogenen Besucherschaft, ein historisch und pädagogisch angemessener Umgang mit der Vergangenheit Vogelsangs wahren lässt. Aufgrund der bisher auch wissenschaftlich nur unvollständig aufgearbeiteten Geschichte der NS-Ordensburg gestaltet sich die Einordnung des Ortes in die Geschichte des Nationalsozialismus und den Kontext transnationaler europäischer Erinnerungslinien schwierig; denn Informationen zur Geschichte der NS-Ordensburg überschneiden sich in Vogelsang mit der Bewerbung des Nationalparks Eifel und Narrativen deutscher Bombenund Vertreibungsopfer, die sich vor allem am nahe gelegenen Ort Wollseifen manifestieren, der im Zuge der Einrichtung des Truppenübungsplatzes von der britischen Armee geräumt wurde. Für die zukünftige Nutzung Vogelsangs ist es im Sinne einer historisch-kritischen Bildungsarbeit deshalb unerlässlich, den regionalen und transnationalen Geschichtslinien nachzuspüren, problematische David Christopher Stoop: Die NS-Ordensburg Vogelsang als umkämpfter Ort europäischer Erinnerung, in: Engel, Ulf; Middell, Matthias; Troebst, Stefan (Hg.): "Erinnerungskulturen in transnationaler Perspektive", Berlin: Leipziger Universitätsverlag, 2012, S. 63-81