Verrat zwischen Vorsehung und Freiheit. Sergij Bulgakovs Apologie des Judas. In: Geist & Leben 2 (2016), S. 166–170. (original) (raw)

„…der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt…“ (Ex 34,7). Sünde und Schuld in der Hebräischen Bibel, in: Michel Meyer-Blanck / Ursula Roth / Jörg Seip / Bernhard Spielberg (Hg.), Sündenpredigt (Ökumenische Studien zur Predigt 8), München 2012, 95–107.

„…der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt…“ (Ex 34,7). Sünde und Schuld in der Hebräischen Bibel, in: Michel Meyer-Blanck / Ursula Roth / Jörg Seip / Bernhard Spielberg (Hg.), Sündenpredigt (Ökumenische Studien zur Predigt 8), München 2012, 95–107.

An der Grenze von Schuld und Vergebung, in: J. Luchsinger, H.-P. Mathys, M. Saur (eds.), --der seine Lust hat am Wort des Herrn. FS E. Jenni, Münster 2007

1. Einen Überblick zum Stand der Forschung gibt Y OUNG , Biblical Hebrew; vgl. auch S CHÜLE , Deutung. 2. F INLEY , Dimensions. 3. Vgl. A NGERSTORFER , Schöpfergott. 4. Eine Überprüfung verdient m.E. Angerstorfers These, wonach die vorexilischen Belege für arb (qal und nif > al) in gerichtstheologischen Kontexten begegnen (a.a.O. 47f.). Angerstorfer verweist insbesondere auf Am 4,13 und Num 16,30 (zu letzterem vgl. auch H ANSON , Num 16:30). Die These hierbei ist, dass arb ein juridischer Schöpfungs-und Ordnungsbegriff sei. So «erschafft» Gott nach Num 16,28-33 Wundertaten, mit denen die abtrünnigen Israeliten -Korach, Datan und Abiram -zur Rechenschaft gezogen werden. 5. Dazu sprachvergleichend P UËCH , Racine.

Fortuna bei Lucan. Vor- und Nachgedanken, in: Thomas Baier (Hrsg. unter Mitarbeit von Ferdinand Stürner), Götter und menschliche Willensfreiheit, Von Lucan bis Silius Italicus, München 2012, 57–74 (= Zetemata 142).

Seit mehr als einem Dezennium beschäftige ich mich von verschiedenen Perspektiven intensiver mit Lucans anstrengendem Epos und habe dabei den Eindruck gewonnen, daß das Gedicht über den Bürgerkrieg mit jedem Tag immer komplexer wird. Als Gegenargument gegen diese Einschätzung könnte man natürlich vorbringen, daß Dinge meist nicht so verwickelt sind, wie sie gemacht werden, aber dies hieße letztlich vor der (auch sprachlichen) Komplexität Lucans kapitulieren. Dies gilt insbesondere für die Frage, wie es im Bellum Civile m i t den Schicksalsmächten bestellt ist. Trotz der Dominanz dieser Fragestellung in der Lucan-Forschung wären m.E. jedoch erst die Rahmenbedingungen zu eruieren, die ihre Beantwortung ermöglichen.

Entsagung vom Eros als Überwindung des Todes in Tolstojs Spätwerk, oder ‚Šopengauer vinovat'!

jfsl.de

1 Cristina Beretta (Heidelberg) Entsagung vom Eros als Überwindung des Todes in Tolstojs Spätwerk, oder ‚Šopengauer vinovat'! 1. Einleitung: Entsagung -Schopenhauer -Fin de Siècle Das gesamte europäische Fin de Siècle 1 ist von der Suche nach neuen Eroskonzepten als Alternativmodelle zur puritanischen Doppelmoral des 19. Jahrhunderts durchzogen. Obwohl die Kunst und Literatur der Zeit von eher spektakulären Themen dominiert zu sein scheinen, die generell unter dem Terminus "dekadente Erotik" (Rasch 1986, 67) subsumiert werden, existieren ein "Streben nach Reinheit" (Gerigk 2000, 180) und ein Bedürfnis nach Spiritualität nicht nur parallel zum dominanten Paradigma der dekadenten Erotik, sondern diese verbergen sich meist hinter der ‚dekadenten' Oberfläche ein und desselben Werkes. Schon die ‚Bibel' der Décadence, Joris-Karl Huysmans Roman À Rebours (1884), ist für das komplexe, "janusköpfige" (Schmoll 1977, X) Verhältnis dieser Epoche zum Eros symptomatisch, da dort die Geschlechtsliebe nur imaginiert wird. Diese Suche beschäftigt das kulturelle Leben in Russland auf eine besonders intensive Weise. Im erotischen Ausbruch der Literatur der Epoche ist die 1858 von Nikolaj Černyševskij angezeigte russische ‚Timidität' im Bereich Sexualität (Černyševkij 1858, bes. 193-196), von Vasilij Rozanov verächtlich als ‚Oblomoverei' abgetan (Engelstein 1992, 325), offensichtlich verschwunden. Dennoch erweist sich kaum ein Werk dieser Epoche als unbekümmerte, unproblematische Bejahung der Geschlechtsliebe: Einige Werke sind entweder von dem Versuch, eine meist religiös gefärbte (Vasilij Rozanov), neoplatonisch geprägte (Vladimir Solov'ev), griechisch-humanistische (Michail Kuzmin), oft scheiternde (Fëdor Sologub), Synthese der Gegensätze zwischen Körper und Geist, Weltverneinung und Weltbejahung, Eros und Agape, Kultur und Natur zu schaffen; andere Werke sind von der Tendenz zur Vergeistigung als Fortsetzung der russischen ‚onirischen' Tradition 2 in der Darstellung erotischer Sachverhalte (Solov'ev, Sologub) oder zur Ablehnung der Sexualität in toto gekennzeichnet (Lev N. Tolstoj, z.T. Zinaida Gippius). Dem allgemeinen Diskurs über Sexualität, Ehe und Askese, der sich um die Jahrhundertwende in literarischen Werken (in der Prosa neben den erwähnten Autoren auch Lidija Zinov'eva-Annibal, Michail Artsybašev u.a.), philosophischen Abhandlungen (Solov'ev, Rozanov, Dmitrij Merežkovskij), 1 Zum Begriff "Fin de siècle" vgl. Bauer/Heftrich 1977, bes. Schalk 3-15. 2 publizistischen Essays und öffentlichen Diskussionen (etwa im Peterburgskoe Religioznofilosofskoe Obščestvo) entfachte, 3 liegen zwei Komponenten zugrunde: Zum einen die biologische Dimension als Gleichsetzung von Eros und Fortpflanzung; zum anderen die ethisch-moralische, meist stark religiös gefärbte Dimension. Beide Komponenten treten in den unterschiedlichsten Verbindungen auf, manchmal in überraschenden Mischverhältnissen, etwa bei Rozanovs heidnischer ‚Religion des Geschlechts', die er stets mit dem Christentum in Einklang zu bringen sucht. 4 Eine fundamentale Rolle in dieser Debatte nimmt die Rezeption von Schopenhauers Philosophie ein, insbesondere die des 44. Kapitels seiner Welt als Wille und Vorstellung II. Teil, der "Metaphysik der Geschlechtsliebe", die 1864 in Russland als eigenständige ‚Schmähschrift' erschienen und bis zur Jahrhundertwende ins allgemeine Bewusstsein eingedrungen war. Der geistige Vater der Dekadenz hat mit seiner Reduktion der Liebe auf den Fortpflanzungstrieb die Debatte um Sexualmoral stark geprägt. In Auseinandersetzung mit Schopenhauers rigoristischer Lehre der totalen Ablehnung sind um die Zeit zahlreiche literarische Werke erschienen, die die Entsagung vom Eros, der im Folgenden in Anlehnung an den deutschen Philosophen als Geschlechtsliebe verstanden wird, thematisieren. Der vorliegende Beitrag stellt den aktuellen Stand meiner Reflexion über einen der zumindest in seinen späten Jahren 5 drastischsten Verfechter der Entsagung und gründlichsten Kenner Schopenhauers dar: Lev Nikolaevič Tolstoj. Die Krejcerova sonata ist nur das sichtbarste Beispiel der Auswirkungen dieser ‚Begegnung'. Mit seiner "Daseinshermeneutik" (Safranski 1987, 320) hat Schopenhauer, der "genialste aller Menschen", wie ihn Tolstoj in einem Brief an Afanasij Fet vom 30. August 1869 genannt hat (Tolstoj 1842-81, 682), dessen geistige Entwicklung stets begleitet: als urteilende Instanz, Vergleichsfolie, Feind, stets aber als privilegierter Gesprächspartner, genauso wie sein Porträt, das Tolstoj im gleichen Jahr in sein Arbeitszimmer hängte und nie abnahm. 6 Von dieser Prägung zeugt das gesamte literarische, biographische und religiös-philosophische Spätwerk Tolstojs, in dem er immer wieder auf Schopenhauer expressis verbis oder auf dessen Denkkategorien und Begrifflichkeit rekurriert. Sein Credo hat Tolstoj freilich selbständig entwickelt, jedoch stets auch in Auseinandersetzung mit Schopenhauers Philosophie. Die Untersuchung von Tolstojs Konzept 3 Religion denke man nur an die Interpretation der Figur Oscar Wildes als Verkörperung des christlichen Leidensideals (vgl. Berštejn 2004, 43-44). 5 Zum vermeintlichen Tod des "Künstlers" Tolstoj im Spätwerk vgl. Ėichenbaums 1962, 62-66 und 67-72. 6 Vgl. dazu Maurer 1966, 224. der absoluten Enthaltsamkeit erfolgt nun hier hauptsächlich in Auseinandersetzung mit seiner kritischen Schopenhauer-Rezeption, da diese einen entscheidenden Schlüssel zum Verständnis seiner Werke liefert. Vorweg sei betont, dass der Fokus nicht auf der erwähnten "Metaphysik der Geschlechtsliebe", sondern auf dem Gesamtsystem Schopenhauers liegt, das Tolstoj im Original gründlich studiert hat. 7 An dieser Stelle sei präzisiert, dass literarische Rezeption philosophischer Gedanken als Ergebnis eines aktiven und kreativen ‚Gesprächs' verstanden wird. Als spezifische Form der Interpretation, in der der Rezipient zum Produzenten wird, ist Rezeption, mit Gadamer gesprochen, eine "Aneignung des Gesagten, dass es einem selbst zu eigen wird" , worin die "Vollzugsform des Gesprächs" (Gadamer 1965, 376 und 365) sichtbar wird. Rezeptionsspuren sind keine Abdrücke fremder Gehalte, sondern der Reflex einer Auseinandersetzung mit denselben, deren Spannweite von Identifizierung und Assimilation über kreative Umdeutung und kritische Infragestellung bis zur Überwindung oder Ablehnung reicht. Kultur wird hier als Gespräch aufgefasst: Nach Osip Mandel'štam ist sie ein Ozean, in dessen Fluten "ein Seefahrer eine versiegelte Flasche mit seinem Namen und der Aufzeichnung seines Schicksals wirft" (Mandelstam 1991, 9). Derjenige, der die Flasche findet, ist der Adressat. Wir wollen uns nun ansehen, was Tolstoj mit dem ziemlich langen Flaschenbrief Schopenhauers angefangen hat. -Vorerst seien aber dessen Hauptgedanken, wie er sie in seinem Hauptwerk Welt als Wille und Vorstellung (Bd. I 1819; Bd. II 1844) darstellt, kurz in Erinnerung gerufen. 7 Entgegen der Meinung einiger russischer Forscher (Andreeva/Gulyga 2003, 321ff.) erteilte Tolstoj Schopenhauer nach seiner geistigen Krise nicht nur keine Absage (vgl. auch Maurer 1966, bes. 275ff. und Thiergen 2004, 138), sondern gewährte ihm bis an sein Lebensende den Status des privilegierten Gesprächspartners in allen existentiellen, ja sogar religiösen Fragen. Mitmenschen getrennt, differenziert ist. 14 Die Entsagung von der Identität im Leben ist die conditio sine qua non für den Sieg über die Sterblichkeit. Um diese paradox anmutende Vision zu verstehen, klären wir zunächst die metaphysische Prämisse, auf die sie sich stützt. 15 An die Stelle des vernunftlosen Willens Schopenhauers setzt Tolstoj als Prinzip des Lebens die vernünftige Einheit, die er Gott nennt. 16 Diese ursprüngliche Einheit, als Ding an sich jenseits von Zeit und Raum, kennt in ihrer Ewigkeit keine Differentiation. Die Vielfalt gehört nur ins Reich des Zeitlichen. Wenn der Mensch zum reinen Geist wird, kann er gar nicht sterben, denn mit dem Tod fließt er als Geist in die ursprüngliche vernünftige Einheit des Geistes zurück. 17 Wir stellen fest: trotz Tolstojs grundlegender Nichtübereinstimmung mit dem Frankfurter Philosophen in Sachen Metaphysik klingt dessen Idee vom wahren Tod als restitutio in integrum und von der metaphysischen Einheit im Willen 18 bei Tolstoj an. Identität 19 -Dies geklärt, wenden wir uns dem Konzept der Identität zu, weil diese ja den Tod impliziert. Unter Identität versteht Tolstoj die fleischliche, materielle Seite im Menschen, die in Zeit und Raum existiert und als solche der Endlichkeit, d.h. der Sterblichkeit geweiht ist. Die fleischliche Existenz (plotskoe ličnoe suščestvovanie) ist nicht das Leben, sondern nur dessen Schatten. Diese Seite nennt er "das Animalische", worunter er die biologischen Bedürfnisse, die Lebensbedingungen versteht, die mit dem Leben nicht gleichzusetzen sind. 20 Identität ist also Körper. Es wird nun klar, dass die Auslöschung der Identität die Entsagung vom Körper bedeutet, die neben dieser existentiellen Dimension auch eine moralische impliziert: als Kampf um das eigene Leben bedeutet Identität notwendigerweise Egoismus, der wie schon bei Schopenhauer unabwendbar als Krieg aller gegen alle ausgetragen wird. Als stringente Veranschaulichung dieses "Seins zum Tode" (Hamburger 1963, 62-73) gilt die Erzählung Smert' Ivana Ilič'a (1881), in welcher die Voraussetzung zur Selbstvervollkommnung dargestellt wird: die Erkenntnis der Falschheit eines ganz alltäglichen, ganz gewöhnlichen, aber dennoch -Tolstoj würde sagen: darum -gänzlich selbstsüchtigen Lebens im Zeichen des Kampfes um die eigene Identität. Der letzte Gedanke 4) formuliert, 25 ist für Tolstoj logisch nicht nachvollziehbar. Körper und Seele haben nur insofern etwas miteinander zu tun, als der Körper das Werkzeug (orudie) des Geistes ist. 26 Religiöses Weltbild -Diesen Dualismus kann man besser begreifen, wenn man Tolstojs religiöses Weltbild berücksichtigt. 27 Davon interessiert uns die Ablehnung aller Dogmata, die auf eine Körper-Geist...