Fragen, Methoden, Möglichkeiten. Zur Interpretation des Oberrheins als archäologische Flusslandschaft, in: M. Schönfelder, S. Sievers (Hrsg.), L’âge du Fer entre la Champagne et la vallée du Rhin / Die Eisenzeit zwischen Champagne und Rheintal. RGZM – Tagungen 14 (Mainz 2012), 573-586. (original) (raw)
a. M.) Katharina von Kurzynski (Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden) Stéphane Marion (Service régional d'archéologie de la Lorraine, Nancy) Markus Marquart (Museen der Stadt Aschaffenburg) Réjane Roure (Université Paul Valéry, Montpellier) Satz: Michael Braun (Datenshop Wiesbaden); Manfred Albert, Hans Jung (RGZM); Umschlaggestaltung: Reinhard Köster (RGZM) nach Vorlagen aus C. Nickel und C. Féliu Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funk-und Fernsehsen dung, der Wiedergabe auf fotomechanischem (Fotokopie, Mikrokopie) oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbei tungs anlagen, Ton-und Bild trägern bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vor be halten. Die Vergü tungsansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG. werden durch die Verwertungs gesellschaft Wort wahrgenommen. Herstellung: Strauss GmbH, Mörlenbach Printed in Germany. Die Tagung wurde unterstützt von: Direction régionale des affaires culturelles Alsace, Institut national de recherches archéologiques préventives (Inrap), Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. e.V., Sparkassenstiftung Aschaffenburg, Aschaffenburger Versorgungsbetriebe, Freunde des Römisch-Germanischen Zentralmuseums e.V., Freunde der Archäologie in Europas e.V. CHRISTIANE SCHMID-MERKL FRAGEN, METHODEN, MÖGLICHKEITEN -ZUR INTERPRETATION DES OBERRHEINS ALS ARCHÄOLOGISCHE FLUSSLANDSCHAFT Flussfunde werden häufig als Überreste sakraler oder profaner Deponierungen diskutiert, während der Ort ihrer Herkunft -der Fluss selbst -kaum beachtet wird. Ihre Befundsituation ist oft schwer zu greifen und wird nur in den seltensten Fällen berücksichtigt. Im besten Fall kennt man die Kiesgrube, aus welcher sie stammen, im schlechtesten Fall nur den Fluss an sich. Doch durch den Einbezug der sie umgebenden Landschaft können diese beinahe kontextlos erscheinenden Flussfunde in Bezug gesetzt und ein Stück weit die Wechselwirkung zwischen Mensch und Fluss rekonstruiert werden. Der Fluss selbst spielt dabei als naturräumliches Element nicht nur eine passive Rolle, sondern er trägt als landschaftsbildendes Phänomen auch aktiv dazu bei. Im Rahmen dieses Aufsatzes werden Überlegungen zu Fragestellung, Methodik, Interpretation und Einordnung eines Flusses und der aus ihm stammenden Flussfunde vorgestellt und diskutiert. Sie sind Teil einer Dissertation über den Oberrhein als archäologische Fundlandschaft, welche derzeit an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg verfasst wird. BISHERIGE FORSCHUNGSTENDENZEN Die Forschungsdiskussion zu den Flussfunden durchlebte vor allem in der deutschsprachigen Diskussion in den letzten 150 Jahren eine große Entwicklung, während der unterschiedlichste Theorien und Erklärungsmodelle vorgeschlagen wurden. Bereits ab der Mitte des 19. Jahr hun derts wurden Objekte aus fluvialem Milieu im Rahmen des »Pfahlbaufiebers« mit den Pfahlbausiedlungen assoziiert. So war es auch bei dem eponymen Fundort La Tène, welcher von Beginn an prägend für die Interpretationen der Flussfunde war. Hier, am Ausfluss der Zihl aus dem Neuenburger See, wurde erstmals ein Fundkomplex aus einem Fluss in einem größeren Ausmaß bearbeitet und diskutiert. Auch ist es der Fundort, über welchen zum jetzigen Zeitpunkt -über 150 Jahre später -mit dem größten personellen Aufwand und Budget geforscht wird 1 . Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Idee von Flussfunden als Opfer und Prestigegüter populär. Während es 1952 bei Klaus Raddatz noch einfache Opferhandlungen ähnlich den Deponierungen in dem Moor von Hjortspring waren 2 , wurden in den 1980er und -90er Jahren die bronzezeitlichen Flussfunde auf Grund ihrer oftmals hohen Qualität neben anderen von Richard Bradley 3 , Nico Roymans 4 und Koen Verlaeckt 5 als Prestigegütern gesehen, hinter denen ein komplexes gesellschaftliches System stand (Abb. 1) 6 . Eingereiht in diese Opferszenarien werden seit den 1990er-Jahren auch die eisenzeitlichen Fundedarunter wieder der Fundort La Tène -welche, wenn sie in einer gewissen Konzentration vorkommen, von Felix Mül ler 7 und Gabriele Kurz 8 mit keltischen Heiligtümern und anderen Massenfundorten verglichen werden. Der größte Schritt in der Diskussion der Flussfunde fand 1970/71 statt. Damals veröffentlichte Walter Torbrügge eine ausführliche Studie zu den vor-und frühgeschichtlichen Flussfunden in den Berichten der 573 Die Eisenzeit zwischen Champagne und Rheintal deut lichten. Die Flussarchäologie gewann in Gesamteuropa an Bedeutung und mehrere Flüsse gerieten in den Fokus der Forschung. Adaptiert wurden Torbrügges Anregungen auch in Frankreich. Durch die detaillierte Analyse der Saône haben Louis Bonnamour und später Annie Dumont bewirkt, dass sich ein Bewusstsein für die Funde aus dem Flussbett und damit eine eigene archéologie fluviale entwickelt hat 14 . Da Bonnamour nicht nur die in Kieswerken geborgenen Funde auswertete, sondern auch Tauchgänge durchführte und flussgeographische Methoden anwandte, war es ihm möglich, auch Befunde wie Furte 15 , versunkene Siedlungen 16 und Brücken 17 im Flussbett zu dokumentieren und so der Forschung einen neuen Rahmen zu geben 18 . Der Oberrhein selbst stand nur äußerst selten in Zentrum der Forschung: Im Jahr 1976 promovierte Wegner über den Abschnitt des Oberrheins bei Mainz, in welcher er, auf Torbrügges Studie aufbauend, ebenfalls sehr quellenkritisch arbeitete 19 . Bei der Arbeit von Wolf Haio Zimmermann über die urgeschichtlichen Opferfunde kommen insgesamt nur 20 Fundstellen von Hoch-und Oberrhein, so dass diese nur eine stark begrenzte Auswahl darstellen 20 . Weitere Untersuchungen zu einzelnen Fundpunkten stammen neben zahlreichen Einzelfundvorlagen von Rolf-Heiner Behrends 21 , Helmut Bernhard 22 , Ernst Künzl 23 und von Lothar Sperber 24 . Sammler, welche verschiedene Kieswerke begangen haben, veröffentlichten zudem ihre Funde und Überlegungen 25 . Große Vorarbeit auf diesem Gebiet lieferte Thierry Logel. Er untersuchte Metalldeponierungen und hat in diesem Rahmen bislang als einziger einen größeren Abschnitt des Oberrheins berück sichtigt. Sein Arbeitsgebiet umfasste die Ill sowie den Rhein von Basel bis zur Lautermündung, wo er neben der Analyse der metallzeitlichen Deponierungssitten versuchte, anhand der Fundverteilung Furten und Übergänge zu rekonstruieren 26 . Seine Untersuchungen zur Fundverteilung zeigten erstmals die Möglichkeiten zur Rekonstruktion prähistorischer Flusslandschaften und zur Kontextualisierung von Flussfunden auf. 574 C. Schmid-Merkl · Fragen, Methoden, Möglichkeiten Abb.