Die Drehburg auf dem Vogelbein. Ein Märchenmotiv mit mythisch-kosmologischem Symbolcharakter (original) (raw)

L' Arbre du Boeuf. Mythenmotive in einem pyrenäischen Volksmärchen

Im Jahr 1950 hat Gaston Maugard ein Märchen aus den französischen Pyrenäen aufgenommen und fünf Jahre später in seinen Contes des Pyrénées veröffentlicht: L' Arbre du Boeuf (‚Der Ochsenbaum'). Wie der pointierte Titel des pyrenäischen Märchens verrät, spielen darin – sowie verschieden stark gewichtet im ganzen Erzählzyklus von ATU 511 – zwei Gestalten eine zentrale Rolle: L'Arbre Merveilleux, der Wunder bietende Baum, und Le Taureau, der Hilfe und Weisung leistende Stier. Der Fokus wird in dieser Arbeit darauf gerichtet sein, einige der relevanten Märchenmotive mit Motiven aus Überlieferungen des weiteren geistesgeschichtlichen Umfeldes zu vergleichen, woraus sich im Hinblick auf deren ideelle Dimensionen tiefere Einblicke ergeben können.

Die mit den Rindern gehen. Die herbstliche Prozession des Almabtriebes und ein besonderer Schmucktyp des Leitrindes: Die "Stierfurkel" - ein kosmologisches Symbol mit westafrikanischen Parallelen?

Zusammenfassung Die saisonale Bewirtschaftung von Almen ist für den alpin-europäischen Raum seit der Bronzezeit archäologisch fassbar. Ein Teil der bäuerlichen Gemeinde wandert im Frühling mit dem Vieh vom Talgehöft in die Höhenlager, wo die Tiere während des Sommers die Almflächen beweiden und ihre Milch zu Produkten weiterverarbeitet wird. Im Herbst folgt der Abtrieb, der mancherorts bis heute feierlich begangen wird. Die Rinder werden geschmückt und begehen mit den Menschen in festlicher Prozessi-on den Heimweg. In Teilen Salzburgs und des Berchtesgadener Landes trägt das Lei-trind bis heute einen sehr aufwändig gestalteten Schmuck auf seinem Kopf: Die .Fur-kel" (=,Gabel') findet in ihrer Gestalt und ihrem Namen auffällige Parallelen zu Rin-dermasken-Typen in Westafrika. Summary Archeological research found evidence of transhumance in the European alpine regions dating to Bronze Age. Even today, in spring the milkmaids and cowherds take the cattle from the valley to high er places, where the livestock pastures the meadows during summer and where the milk is processed to dairy products. In autumn the animals are driven down toward their winter stalls in the valley. In some villages the day when the cattle return from the high pastures is still celebrated solemnly: Many of the animals are crowned with brightly-colored headdresses when they parade down the mountain. In parts of Salzburg and Berchtesgaden the leading bull wears an elaborate ornament on its head which is called "Furkel" (i.e. fork). Regarding its name and form, this ornament shows striking parallels with cattle masks known in West Africa.

Blauer Stier und Ochsenbaum Archaische Mythenmotive in europäischen Zaubermärchen

Im Jahr 1880 hat Paul Sébillot das bretonische Märchen Le Taureau bleu (‚Der blaue Stier') aufgezeichnet, das vor allem in den letzten Jahren durch verschiedene Neufassungen und -erzählungen sowie filmische Umsetzungen besonders im französischsprachigen Raum eine weite Verbreitung gefunden hat und auch im 21. Jahrhundert eine sehr beliebte Zaubergeschichte für Jung und Alt geblieben ist. Weit weniger bekannt, um nicht zu sagen: kaum wahrgenommen, ist ein Volksmärchen aus den französischen Pyrenäen, das Gaston Maugard im Jahr 1950 aufgenommen und fünf Jahre später in seinen Contes des Pyrénées veröffentlicht hat: L' Arbre du Boeuf (‚Der Ochsenbaum'). Beide Märchen stehen sich in verschiedenen Motiven nahe, fügen sich damit in eine breite Gesellschaft ähnlicher Fassungen in der europäischen Märchenlandschaft und stehen im Kanon eines bzw. mehrerer Märchentypen, welche die Forschung bereits lange namhaft gemacht und expliziert hat. Durch einen ersten Vergleich dieser beiden Märchen sollen vorerst deren Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede sowie ihre Stellung in den von der Märchenforschung erarbeiteten Kategorien dargestellt werden. Wie die Titel des pyrenäischen und bretonischen Märchens verraten, spielen darin – sowie verschieden stark gewichtet im ganzen Erzählzyklus – zwei Gestalten eine zentrale Rolle: L' Arbre Merveilleux, der Wunder bietende Baum, und Le Taureau, der Hilfe und Weisung leistende Stier (bzw. im Weiteren auch das weibliche Rind oder verwandte Tierfiguren). Ausgehend von diesen beiden französischen Zaubermärchen werden Wunderbaum und Wundertier mit den sie umspielenden Motiven in diesen und anderen, dem gleichen Erzählzyklus angehörenden Varianten näher betrachtet, um sodann auch Motive aus typologisch teils weiter entfernten Märchengattungen zu Vergleichszwecken miteinzubeziehen. Der eigentliche Fokus dieser Arbeit wird aber darauf gerichtet sein, einige dieser relevanten Märchenthemen mit Motiven aus Überlieferungen des weiteren geistesgeschichtlichen Umfeldes zu vergleichen, woraus sich im Hinblick auf deren ideelle Dimensionen tiefere Einblicke ergeben können. Die Herkunft der Märchenerzählungen sowie die Geschichte ihrer literarischen Verbreitungen werden dabei viel weniger zum Gegenstand gemacht als vielmehr der ursprüngliche Gehalt und Sinn mancher Motive, wenn diese in mythisch-kosmologischen Bildern begründet sind oder womöglich aus Praktiken eines schamanistisch geprägten Weltbildes herrühren.

Der Teufel als Demiurg – in südosteuropäischen Volksmärchen

Zeitschrift Fur Balkanologie, 2004

"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht." -So beginnt das 1. Kapitel des ersten Buches Mose, das über den Schöpfungsakt berichtet und im christlichen Glaubensbekenntnis seine immerwährende Bekräftigung findet. In planvollem Tun verwandelt Gott das Chaos zum geordneten Kosmos, zum Lebensraum der Geschöpfe, insbesondere des Menschen, der Krone seiner Schöpfungsordnung. Er handelt als unumschränkter Herrscher und ohne jede Beeinträchtigung. Die Allmacht des Gottvaters bricht sich freilich an der Frage nach dem Sinn und dem Woher des Leidens und der Not in dieser Welt, einer Frage, die im Alten Testament in den Texten aus der Zeit nach dem Babylonischen Exil immer stärker in den Mittelpunkt tritt und wie folgt gelöst wird: Hierin sei eine Reaktion Gottes auf die Sünde des Menschen zu sehen; Gottes Wege sind unerforschlich und dem Menschen unzugänglich; dem Menschen aber geziemt es, Gott in Demut gegenüberzutreten.

Verteufelung des Mythos. Der Teufel als poetologische Figur im ‚Meerwunder‘ des ‚Dresdner Heldenbuchs‘

in: Der Teufel und seine poietische Macht in literarischen Texten vom Mittelalter zur Moderne, hg. v. Jutta Eming und Daniela Fuhrmann, Berlin/Boston 2021, S. 87–102.

Anders als in der Hagiographie können monströse und anderweltliche Wesen in der Heldenepik Züge des Teuflischen tragen, ohne dabei eine primär religiöse Bedeutung oder Funktion in den Texten zu haben. 1 Die Erzählungen integrieren Aspekte christlicher Teufelsvorstellungen, 2 die aber nicht oder nur marginal auf Logiken oder Praktiken des Glaubens bezogen sind. Das Teuflische ist dann ein Aspekt nichtmenschlicher Figuren, die entweder Teil der Genealogie des Helden sind oder diesem als Antagonisten gegenübertreten. In der Sammlung heldenepischer Texte, die unter dem Namen Dresdner Heldenbuch bekannt ist, findet sich aber auch eine kurze Erzählung, die zwar nach dem literarischen Muster der Heldenepik gestaltet zu sein scheint, in der aber das Teuflische anderweltlicher Figuren in den Mittelpunkt gestellt wird. Diese Erzählung trägt den Titel Das Meerwunder und ist in der Forschung kontrovers diskutiert worden. Ich möchte im Folgenden vorschlagen, den Text poetologisch zu lesen und ihn als religiös perspektivierte Auseinandersetzung mit den heldenepischen Topoi der Konfrontation mit monströsen Gegnern und der Zeugung durch anderweltliche Figuren zu begreifen. Das Meerwunder lässt sich dann als ein Kommentar zu den anderen im Dresdner Heldenbuch versammelten Texten verstehen. Das Dresdner Heldenbuch (Dresden, Landesbibl., mscr. M 201) enthält Texte der aventiurehaften Dietrichepik: Ortnit und Wolfdietrich, das Eckenlied, den Ro