Stiftungen als Akteure im politischen Raum (original) (raw)

Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeß

Partizipation, 1970

Die Reichen in der Bundesrepublik haben plötzlich eine bisher nicht bekannte öffentlichkeit. Reichtümer und deren Besitzer werden in Massenmedien benannt, aufgezählt und analysiert. Selbst die Unauffälligen, die in aller Publicity-Stille ihre enorm en Vermögen verwalten und mehren konnten, sehen sich nun im Rampenlicht. Und dies alles, weil die Umrisse einer möglichen Steuerreform sichtbar geworden sind. Vor allem die anvisierte Reform des Erbschaftssteuerrechts zeigt bereits Signalwirkung: das Institut der Familienstiftung kommt wieder in Mode. Nach Informationen aus dem HessisdIen Finanzministerium werden seit einiger Zeit auffallend viele Privat-Unternehmen in Familienstiftungen umgewandelt. Anspruch des Fiskus abwehren Es schei nt jetzt also ein Prozeg in Gang gekommen zu sein, den Alfred Weber und andere in den ersten Nachkriegsjahren aus gesellschaftspolitischen Motiven heraus vergebens zu initiieren versuchten. Die damals als Weg zu sozialem Frieden propagierte Unternehmensstiftung, die seit langem nur noch unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten in Stiftungsdiskussionen einige Beachtung findet, solI jetzt eine neue Funktion übernehmen: die Abwehr neuer fiskalischer Ansprüche auf Privatvermögen. Die künftige Entwicklung des deutschen Stiftungswesens scheint also in absehbarer Zeit von der Verwirklichung der angekündigten Steuerreformen abzuhängen. Dabei wird es als nicht uninteressant zu sehen sein, ob die Philanthropie von dieser Entwicklung profitieren wird. Auch welln steuerliche Faktoren die Entwicklung des Stiftullgswesens nicht Ullwesentlich beeinflussen dürften, einen Automatismus gibt es hier sicher nicht. Denn nicht so sehr rein ökonomisch rationales Handeln als vielmehr die Stellung der Vermögenden zu den Herrschendell und zur Gesamtgesellschaft dürfte der Philanthropie letztlich die Prägung geben. Dieser Zusammenhang, der in den Stiftungsdiskussionen der vergangenen Jahre vielleicht nicht immer gesehen wurde, wird in der Arbeit Theo Schillers "Stiftungen im gesellschaftlichen Prozeg « deutlich herausanalysiert. 137 H. Boss-Stenner et al. (eds.

Die Stiftung als Familiengesellschaft (?)

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

Die Kautelarpraxis hat ihre Liebe zur Familienstiftung entdeckt. Einst verschrien als Relikt der Feudalzeit und Sinnbild der „toten Hand“, gilt sie neuerdings als das „Königsinstrument“ der Nachlassplanung – vor allem bei der Unternehmensnachfolge. Erblasser, die von der Vorstellung beseelt sind, ihre Nachkommen dauerhaft an ihren Willen zu binden, können sich mit Hilfe solcher Stiftungen Erbrechtsordnungen schaffen, die das gesetzliche Normalstatut weitgehend eliminieren, und das mit tatkräftiger Unterstützung des Erbschaftsteuerrechts. Tatsächlich ist es möglich, den Typus der Familiengesellschaft mit Stiftungskonstruktionen nachzubilden, d. h. gleichsam zu virtualisieren. Das Stiftungsrecht setzt zwar dogmatische Grenzen. Die verbleibende Gestaltungsfreiheit ist gleichwohl frappierend. Wer sie nutzt, sollte wissen, was er tut.

Stiftung/en. Eine selektive Lektüre in systematischer Absicht

2020

In der Phänomenologie Husserls ist "Stiftung" ein Begriff zur Erklärung der Sinngenese. In seiner weiteren Bedeutung bezeichnet er ein Ereignis, das eine Geschichte, einen Diskurs oder eine Institution in Geltung setzt. In seiner weiteren Rezeption wurde "Stiftung" vornehmlich als politiktheoretischer Begriff gebraucht, der die Kontingenz von Gründungsakten benennt, die am Beginn einer Institution stehen. Der Beitrag unternimmt eine Rekonstruktion der theoretischen Beiträge zur posthusserlschen Genealogie des Stiftungsbegriffs in den Phänomenologien von Heidegger über Merleau-Ponty bis Waldenfels, die eine systematische Lesart von Stiftung als politischem Begriff vorbereiten helfen soll. I. Einleitung Der Begriff der Institution bezeichnet in dem Sinne, wie er aus Anthropologie, Soziologie und Politikwissenschaft bekannt ist, ein Regelsystem oder eine durch Regeln definierte Setzung, die eine bestimmte soziale Ordnung erzeugt und dadurch Handeln erwartbar macht. Der Setzungsakt spricht aus der lateinischen Etymologie mit, wo instituere das Wortfeld "hinstellen, errichten, aufstellen, anlegen, einrichten", aber auch "in Angriff nehmen" umfasst. Der Begriff der Stiftung meint im alltagssprachlichen Verständnis einen eingeschränkten Typus von Institutionen, nämlich solche, die ein Erbe, ein Eigentum oder eine Überlieferung zu erhalten und seine Nutzung nur zu jenen Zwecken zu gewähren haben, die die Gründer dieser Institution, eben die StifterInnen, ihnen mitgegeben haben. Institutionstheoretisch mag ein empirischer oder historischer Blick auf Stiftungen in diesem Sinne von Belang sein, politiktheoretisch rückt dagegen die Semantik des Anfangens und Gründens in den Vordergrund, wie

Stiftungen Und Stiftungswirklichkeiten

Humboldt-Universität zu Berlin, 2000

Mehr denn je wird derzeit über Stiftungen diskutiert, jedenfalls in Deutschland. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie erhebliches Kapital, das die erste oder schon die zweite Generation der (westdeutschen) Nachkriegszeit angesammelt hat, statt im privaten Erbgang zu versickern dem Gemeinwohl zugute kommen könnte. Als Hindernis hierfür wird besonders ein Steuerrecht angesehen, das die Stiftungsfreudigkeit dämpfe. Offensichtlich zieht man hierbei kaum in Betracht, daß auch ein Vermögen der Allgemeinheit nützlich wäre, das in hohem Maße durch den Fiskus abgeschöpft würde. Demokratisch gewählten Politiker(inne)n und rechtsstaatlich verfaßten Behörden wird allem Anschein nach wenig Vertrauen entgegengebracht, wenn es darum gehen soll, die monetär nutzbare Lebensleistung von Einzelnen effektiv einzusetzen zur Beseitigung von Mißständen, für Werke der Sozialfürsorge und zur Förderung von Kunst und Wissenschaft. Wer stiftet, will stattdessen Adressaten und Zwecke seiner Wohltaten genau bestimmen, jeden Mißbrauch ausschalten und seinem Vorhaben Beständigkeit über den Tod hinaus verleihen. Die Zinsen seines Kapitals sollen sich in Zinsen seines Lebenswerkes verwandeln. Diese Erwartung beruht auf einer jahrtausendealten Denkform, die merkwürdigerweise durch die Erfahrung neuerer Zeiten nicht überholt worden ist; denn Stiftungen, die einem bestimmten Zweck auf Dauer verpflichtet bleiben, den der Stifter gesetzt hat, widersprechen der alltäglichen Beobachtung des rasanten Wandels, der keinen Bereich der Wirklichkeit auszusparen scheint. Soll man also heute eine Forschungsrichtung fördern, die vielleicht morgen bereits durch andere Ansätze überholt ist? Soll eine karitative Einrichtung unterstützt werden, der jederzeit von der Kirchenleitung die Approbation entzogen werden kann? Sollen Musiker Stipendien erhalten, während Konzerthäuser und Opernbühnen schließen müssen? Der Stifter kennt natürlich das Risiko einer Fehlinvestition, er will sogar häufig verhängnisvollen Entwicklungen durch seine Initiative zuvorkommen; aber bedenkenswert bleibt es doch, daß abertausende von Bürgern ihren Wohlstand, den sie im hektischen Wechsel der Verhältnisse und häufig in geschickter Anpassung an diesen erworben haben, dafür nutzen wollen, Ruhepunkte zu suchen für eine rationale und einlineare Gestaltung der Zukunft. Dabei geht es wohl, aller Einsicht der Modeme zuwider, um den unausrottbaren Wunsch, die Zeitgrenze des eigenen Lebens zu durchbrechen und mit einem Anliegen, womöglich auch mit seinem Namen, in künftige Generationen hineinzuwirken.

Nutzen der Digitalisierung für die Stiftungsarbeit. Beispiele aus Bürgerstiftungen

Stiftung & Sponsoring, 2022

Stiftung&Sponsoring 04.22 Organisation & Kommunikation Die Digitalisierung wird oft gepriesen. Doch was kann sie und was ist ihr Nutzen für die Stiftungsarbeit, so z. B. für Bürgerstiftungen, die von Stiftungsvorständen und Stiftungsräten ehrenamtlich geführt werden und die auf Wachstum ausgerichtet sind? Für die Verantwortlichen von Bürgerstiftungen geht es um das Konkrete, insbesondere wie digitale Lösungen ihre Arbeit erleichtern können, also Arbeitsprozesse vereinfachen sowie bestenfalls Zeit für strategische und operative Aufgaben freisetzen.

Bürgerstiftungen und ihre Zusammenarbeit mt Ehrenamtlichen

Stiftung&Sponsoring, 2018

18 05 Demokratie stiften: Einmischen erlaubt?! Rote Seiten: Entwicklungshilfe 2.0. Lizenziert für Frau Christiane Biedermann. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Wer sich heute engagieren will, kann zwischen einer Vielzahl von gemeinnützigen Organisationen und Möglichkeiten wählen -und im Gegenzug für sein Engagement ein qualifiziertes Freiwilligenmanagement erwarten. Die wachsende Zahl an Organisationen und demografische Entwicklungen verstärken den Wettbewerb um Ehrenamtliche. Diese Entwicklung, die das Gros gemeinnütziger Organisationen erreicht, macht auch vor Bürgerstiftungen nicht halt. Mehr Ehrenamtliche zu gewinnen, zählt nach Einschätzung der Gremienmitglieder dieser Stiftungen zu ihren wichtigsten Herausforderungen.

Bürgerstiftungen und ihre Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen

Dass Bürgerstiftungen bürgerschaftliches Engagement unterstützen, ist sowohl ihr Ziel als auch ihr Wesensmerkmal 1 . Vielerorts sind sie die ersten Ansprechpartner für Menschen, die sich lokal engagieren möchten. Die Möglichkeiten richten sich dabei zum einen auf die eigene Arbeit der Bürgerstiftungen. Zum anderen können sie weit über die eigene Organisation hinausreichen, wenn diese lokales bürgerschaftliches Engagement fördert sowie wichtige zivilgesellschaftliche Themen artikuliert und voranbringt 2 . Ihr Profil als Plattform für bürgerschaftliches Engagement manifestiert sich vielerorts in ihrem Wirken. Dieser Beitrag nimmt in den Blick, wie Menschen für und mit der Bürgerstiftung die Gesellschaft vor Ort mitgestalten können. Die Grundlage bilden die Befunde des Reports Bürgerstiftungen 2018 3 , der die Zusammenarbeit der Bürgerstiftungen mit Ehrenamtlichen 4 genauer untersucht hat.

Sind Stiftungen soziale Investoren? Zur Anwendbarkeit eines ökonomischen Begriffs auf die Tätigkeit gemeinnütziger europäischer Stiftungen

Der Begriff „Investition“ entstammt dem Bereich der Ökonomie. Von Investitionen ist in einem betriebswirtschaftlichen Kontext dann die Rede, wenn es um die Anschaffung von Produktionsmitteln oder um Geldanlagen mit dem Ziel der Generierung finanzieller Gewinne geht. Stiftungen hingegen engagieren sich mit eigenen Projekten oder finanziellen Transfers für das Gemeinwohl. Auf den ersten Blick scheinen Stiftungen also alles andere als klassische Investoren zu sein. Inwiefern lässt sich philanthropische Tätigkeit dennoch als – wenngleich Soziale – Investition beschreiben und welchen Nutzen hat eine solche Perspektive für die wissenschaftliche Analyse und für die Praxis? Unser Beitrag untersucht diese Fragestellung auf Grundlage der Ergebnisse des Forschungsprojekts „Strategies for Impact in Philanthropy“ (SIP). Ausgangspunkt für unser Vorhaben war die Beobachtung, dass die materiellen Ressourcen, die Stiftungen zur Verfügung stehen, in Relation zu den adressierten Problemen in der Regel als marginal anzusehen sind.