Nietzsches Loslösung von Wagner und Schopenhauer als Bedingung seiner philosophischen Aufgabe einer Umwertung aller Werte. In: Nietzsche und Wagner. Perspektiven ihrer Auseinandersetzung.Hrsg. v. Georg-Lauer, Jutta/Reschke, Renate. De Gruyter (Berlin/Boston) 2016 (original) (raw)
2000, Perspektiven ihrer Auseinandersetzung
Im Sommer 1875 notiert Nietzsche in seinem Tagebuch: "Socrates, um es nur zu bekennen, steht mir so nahe, dass ich fast immer einen Kampf mit ihm kämpfe" (NL 1875, KSA 8, S. 97). Dies lässt sich in gleicher Weise über die jeweils verehrende, herausfordernde und konfliktgeladene Beziehung Nietzsches zu Wagner und Schopenhauer behaupten. Im Laufe seines Lebens hat Nietzsche sich unablässig mit der Aufgabe der Philosophie befasst, die er in seinen späten Werken als seine selbstgestellte Aufgabe bezeichnet und auf die prägnante Formel einer "Umwertung aller Werte" bringt. Seine Auseinandersetzung mit Wagner und Schopenhauer spielt dabei eine maßgebliche Rolle. Entscheidend ist Nietzsches Abkehr von beiden, die sich zwischen 1877-1881 vollzieht. Wie er 1886 in der Vorrede zur zweiten Auflage von MA schreibt, sind dies die Jahre der "großen Loslösung": Sie ist eine Krankheit zugleich, die den Menschen zerstören kann, dieser erste Ausbruch von Kraft und Willen zur Selbstbestimmung, Selbst-Werthsetzung, dieser Wille zum freien Willen: und wie viel Krankheit drückt sich an den wilden Versuchen und Seltsamkeiten aus, mit denen der Befreite, Losgelöste sich nunmehr seine Herrschaft über die Dinge zu beweisen sucht! (MA I, KSA 2, S. 16f.)