Die Produktion rechtlicher Relevanz angesichts existenzieller Probleme (original) (raw)
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Wikipedia: Ein neues Produktionsmodell und seine rechtlichen H�rden
2010
Die erfolgreiche Internet-Enzyklopädie Wikipedia demonstriert das Potential alternativer Produktionsmodelle für bedeutende Innovationen, die mit traditionellen Methoden nicht erreichbar sind. Sie arbeitet einerseits mit einem barrierefreien Zugang und setzt andererseits -etwa bezüglich Umfang und Aktualität -neue Maßstäbe. In der Rechtsentwicklung wird dies noch kaum berücksichtigt. Die laufende Regulierung des Internets zielt fast ausschließlich darauf ab, die herkömmlichen, auf umfassenden Immaterialgüterrechten basierenden Produktionsmodelle zu stärken. Alternative Produktionsmodelle wie Wikipedia sind dadurch bedroht und damit auch die Innovationen, die sie hervorbringen. I. Einleitung Wer heute im Internet nach Wissen sucht, landet unweigerlich bei Wikipedia. Ob »Deutschland«, »Hartz IV«, »Gewohnheitsrecht« oder »Lysergsäurediethylamid«, Wikipedia-Artikel finden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit weit vorne in den Suchergebnissen der gängigen Internetsuchmaschinen. Eine kürzlich publizierte Studie bestätigt diesen Eindruck für Suchbegriffe aus der Medizin. 1 Dreizehn Prozent aller deutschen Suchabfragen bei Google liefern einen Wikipedia-Artikel an erster Stelle. 2 Marktforscher zählen die Internet-Enzyklopädie seit Jahren zu den zehn meistbesuchten Websites -für Nachrichten und Informationen gilt sie gar als die wichtigste. 94 Prozent der deutschen Jugendlichen nutzen Wikipedia. 3 Jeder zehnte Autor der Zeitschrift »Nature« gab schon 2005 an, Wikipedia regelmäßig zu konsultieren. 4 Gemäß einer Umfrage sucht ein großer Teil der Ärzteschaft in Wikipedia nach medizinischen Informationen. 5 Wikipedia ist aber nicht nur eine bedeutende Informationsquelle, der eine Reihe von Studien zumindest eine mit herkömmlichen Enzyklopädien vergleichbare Qualität bescheinigt. 6 Wikipedia ist darüber hinaus ein wichtiger Ort öffentlicher Kommunikation und repräsentiert zugleich ein neues Produktionsmodell. Dieses legt Wissen als (ökonomische) Ressource nicht mehr auf Exklusivität an, sondern ermöglicht die Verknüpfung von bestehendem mit neuem Wissen als öffentlichem Gut (als »Wissensallmende«). 7 Unterstützt wurde dies durch neue, offene Lizenzen mit Copyleft-Klauseln, welche die Weiterverwendung von Inhalten durch Andere alleine davon abhängig machen, dass die daraus entstehenden Inhalte die gleichen Rechte zur Wiederverwendung 1
Wikipedia: Ein neues Produktionsmodell und seine rechtlichen Hürden
2010
Die erfolgreiche Internet-Enzyklopädie Wikipedia demonstriert das Potential alternativer Produktionsmodelle für bedeutende Innovationen, die mit traditionellen Methoden nicht erreichbar sind. Sie arbeitet einerseits mit einem barrierefreien Zugang und setzt andererseits -etwa bezüglich Umfang und Aktualität -neue Maßstäbe. In der Rechtsentwicklung wird dies noch kaum berücksichtigt. Die laufende Regulierung des Internets zielt fast ausschließlich darauf ab, die herkömmlichen, auf umfassenden Immaterialgüterrechten basierenden Produktionsmodelle zu stärken. Alternative Produktionsmodelle wie Wikipedia sind dadurch bedroht und damit auch die Innovationen, die sie hervorbringen. I. Einleitung Wer heute im Internet nach Wissen sucht, landet unweigerlich bei Wikipedia. Ob »Deutschland«, »Hartz IV«, »Gewohnheitsrecht« oder »Lysergsäurediethylamid«, Wikipedia-Artikel finden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit weit vorne in den Suchergebnissen der gängigen Internetsuchmaschinen. Eine kürzlich publizierte Studie bestätigt diesen Eindruck für Suchbegriffe aus der Medizin. 1 Dreizehn Prozent aller deutschen Suchabfragen bei Google liefern einen Wikipedia-Artikel an erster Stelle. 2 Marktforscher zählen die Internet-Enzyklopädie seit Jahren zu den zehn meistbesuchten Websites -für Nachrichten und Informationen gilt sie gar als die wichtigste. 94 Prozent der deutschen Jugendlichen nutzen Wikipedia. 3 Jeder zehnte Autor der Zeitschrift »Nature« gab schon 2005 an, Wikipedia regelmäßig zu konsultieren. 4 Gemäß einer Umfrage sucht ein großer Teil der Ärzteschaft in Wikipedia nach medizinischen Informationen. 5 Wikipedia ist aber nicht nur eine bedeutende Informationsquelle, der eine Reihe von Studien zumindest eine mit herkömmlichen Enzyklopädien vergleichbare Qualität bescheinigt. 6 Wikipedia ist darüber hinaus ein wichtiger Ort öffentlicher Kommunikation und repräsentiert zugleich ein neues Produktionsmodell. Dieses legt Wissen als (ökonomische) Ressource nicht mehr auf Exklusivität an, sondern ermöglicht die Verknüpfung von bestehendem mit neuem Wissen als öffentlichem Gut (als »Wissensallmende«). 7 Unterstützt wurde dies durch neue, offene Lizenzen mit Copyleft-Klauseln, welche die Weiterverwendung von Inhalten durch Andere alleine davon abhängig machen, dass die daraus entstehenden Inhalte die gleichen Rechte zur Wiederverwendung 1
Registrieren, Identifizieren, Zuweisen. Produktion und Technizität des Rechts bei Latour
Im Vorwort zur englischsprachigen Ausgabe seiner Studie über den Conseil d'État bemerkt Bruno Latour: »I found, on the whole, law more technical and difficult to follow than science or technology« (ML viii). Diese beden-kenswerte Feststellung findet sich, leicht verschoben und komparatistisch eingebettet, in Latours jüngerer Ontologie der Existenzweisen wieder, hier versehen mit einem Appell an den common sense der Leserinnen. [...]
Risiken und Katastrophen als Herausforderung für die Rechtsordnung
Das Risiko hat sich seit den 1980er Jahren zu einem Schlüsselbegriff der Gesellschaftswissenschaften entwickelt. Der Soziologe Ulrich Beck erhob in seinem Buch „Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne“ (erschienen 1986) das Risiko zum Wesensmerkmal des modernen Zeitalters. Auch die Rechtswissenschaft kann sich diesem gesellschaftlichen Blickpunkt nicht entziehen und ringt um eine kohärente Einordnung in das hoheitliche Sicherheitsrecht.
Einige Fragen und Probleme der Rechtsanwendung aus soziologischer Sicht
Soziologie, 1973
Es bedarf keiner sonderlichen Anstrengungen und Belege, urn heute Zustimmung fiir die Aussage zu gewinnen, daB das Selbstverstandnis der Rechtswissenschaft und das SelbstbewuBtsein ihrer Vertreter in einem MaBe verunsichert und bedroht scheint, wie es sich in der jahrhundertealten Geschichte dieser Disziplin bisher nur selten hat beobachten lassen. Es fallt keineswegs schwer, dafiir eine ganze Reihe von Zeugnissen zusammenzutragen, die diesen Tatbestand ausweisen 1. Die Rechtswissenschaft hat zwar stets ihre eigenen AuBenseiter und Kritiker produziert, aber sie hat ebenso regelmaBig vermocht, sich gegeniiber derartigen Anfechtungen intakt zu halten und an dem Bild und der Wirklichkeit ihrer januskopfigen Funktion in der Gesellschaft nur wenige, dann aber auch nur kosmetische Retuschen zuzulassen 2. Es mag Beobachter geben, die einige Symptome dafiir zur Hand haben, daB sich an dieser Situation grundsatzlich auch heute noch nichts geandert hat und daB meine globale Einschatzung Wunschdenken eher als einer niichternen Analyse entspricht. Sie mogen etwa an den in der Tat bemerkenswerten und natiirlich in gewisser Weise symptomatischen Vorgang erinnern, der sich kiirzlich in der Biirgerschaft des Landes Bremen abspielte. Dort fiihrte eine Passage aus einem Diskussionspapier zur intendierten Reform der Juristenausbildung, wie sie an der neugegriindeten Bremer Universitat praktiziert werden solI, zu einer parlamentarischen Kontroverse, die mit einer von allen Parteien unterstiitzten Zuriickweisung einer darin aufgestellten Behauptung endete, daB namlich die gesellschaftliche Rolle der Rechtswissenschaft und der Justiz fiir die Interessen bestimmter Gruppen in der Gesellschaft instrumentalisiert worden sei 3. Diese Begebenheit signalisiert natiirlich Umfang und Intensitat, mit denen es den Vertretern eines gesellschaftlichen Teilbereiches gelungen ist, selbst Vermutungen und im Feld politischer Vorlaufigkeit verbleibende Hypothesen den Garaus zu machen, bevor es iiberhaupt darum gehen kann, sol chen Aussagen auf den Grund zu gehen und sie nach Kriterien auf ihre Richtigkeit hin zu priifen, iiber die man sich ja vorher einigen konnte. Zweifellos erhellt diese parlamentarische Spielerei und Arabeske einerseits nebenbei, unbemerkt und unbeabsichtigt die Tatsache, wie leicht es gerade Juristen gelingt, einen legitimen Akt der Selbstverteidigung einer sich angegriffen fiihlenden Gruppe zu einer illegitimen Angelegenheit des gesamten Gemeinwesens werden zu lassen, wie willfahrig m. a. W. Nichtjuristen gegeniiber Anliegen von Juristen sind, selbst wenn es sich urn Dinge handelt, die rein empirischen Charakter tragen und wissenschaftlich entscheidbar sind. Freilich, die Bremer Posse ist auch denkbar vor dem Hintergrund einer extremen Gereiztheit, existenzbedrohenden Unsicherheit und professionellen Sensibilitat, wie G. Albrecht et al. (eds.
Jogelméleti Szemle, 2021
Eine Rechtswissenschaft, die mit der Idee der Wissenschaft übereinstimmt, d. h. als sozialwissenschaftliches Rechstdenken, ist erst im Entstehen begriffen und derzeit beschränkt auf den Hilfsstatus der Rubrik Rechtssoziologie. Die rechtsdogmatischen Aktivitäten der Sinnschicht des Rechts, die heute im Rahmen der einzelnen Rechtzweige als Rechtswissenschaft bezeichnet werden, sind trotz ihres hohen intellektuellen Wertes keine Wissenschaften, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil des komplexen Rechts. Die Rechtsdogmatik ist keine Wissenschaft, sondern eine Schicht des Rechtssystems in den modernen westlichen Ländern. Wenn wir die Etappen der Entwicklung des intellektuellen Denkens über das Recht zu einer Wissenschaft isolieren wollen, können wir zwei große Sprünge in diesem Prozess in den Veränderungen in der Entwicklung des europäischen Rechts seit Mitte des 17 herausheben. In der ersten Phase wurde die praktische Jurisprudenz der Vergangenheit programmatisch durch die Rechtsdogmatik ersetzt, die den Begriff Rechtswissenschaft bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts für sich beansprucht hatte, und in der zweiten Phase entstand seit dem späten 19. und vor allem seit dem 20. Jahrhundert eine wirklich sozialwissenschaftliche Form des Rechtsdenkens.
Haslbauer_Zur Notwendigkeit rechtlicher Subjektivität_2014
Zur Notwendigkeit rechtlicher Subjektivität 1. (Inwiefern) Ist das Recht bürgerlich? 1.1. Die Bezeichnung "bürgerliche Recht" ist allgemein geläufig und wird auch von jedermann genutzt als Kennzeichnung unseres aktuellen Rechts (in seiner Gesamtheit, und nicht nur, wie für die Juristen, v.a. des Privatrechts). Seine Befürworter sehen in dieser Bürgerlichkeit eine historische Errungenschaft und darin das Recht seiner Bestimmung zugeführt, seine Kritiker nehmen es eher als Ausdruck noch ungerechter Verhältnisse, seine Verwirklichung stehe noch aus. Hier gilt es zu klären, ob und inwiefern diese Benennung des Rechts als bürgerliches gerechtfertigt ist; und darüber hinaus: Ob und wie etwa nähere Bestimmungen dieser seiner Bürgerlichkeit doch auch seine inhaltliche Beurteilung zulassen könnten.
Materialitäten im Rechtsdiskurs. Von Gerichtssälen, Akten und Fallgeschichten
De Gruyter eBooks, 2012
State problems and solve them in terms of time rather than of space. GWes Deleuze 1 Was geschieht (noch) im Gericht? Was wird dort kommuniziert? Inwieweit erwächst die Verhandlung dem situativen Austausch? Rechtspraktische Kommunikationen beruhen, so die Arbeitshypothese, auf Investitionen und Vorfestlegungen, die allerdings das kontingente Spiel der Kräfte nicht stilllegen, sondern zuspitzen und ausstatten. Diese Doppelperspektive auf Gerichtsverhandlungen erlaubt es, verschiedene praxisrelevante Daten/Materialien in die Analyse von Recht und Kommunikation einzubeziehen, die allzu leicht dem Sprech-Bias oder Text-Bias der herkömmlichen Diskursforschung zum Opfer fallen. Der Fokus der Untersuchung richtet sich auf Kommunikationen vor Gericht sowie auf die schlichte Frage, wie (und wann) diese praktisch hergestellt werden. Die Gerichtsverhandlungen dienen als Brennglas, um das kommunikative Phänomen der Vorbereitung und Darbietung, oder noch allgemeiner, der "geplanten Situation" (Goffman) methodisch zu erschließen. Ähnlich Vorträgen, Prüfungen oder Parlamentsdebatten setzen sich Gerichtsverhandlungen, so der Vorschlag, aus gewachsenen Komponenten zusammen, die für die aktuelle Situation ,nur' mobilisiert und kombiniert werden. 2 Dass Vieles hier und jetzt zum Einsatz kommt, heißt dabei nicht, dass es auch in situ kreiert wird. Die schlaglichtartig präsentierten Daten verweisen auf spezifische Gerichtsverhandlungen: es geht um "hearings" vor englischen "Crown Courts", einer Art Landgericht, in dem eine Jury anhand der ihr präsentierten Beweise ein Urteil (schuldig/nicht-schuldig) fällt, während der Richter über den ,fairen' Wettstreit zwischen Anklage und Verteidigung