Ökosozial ist sexy - Über die soziale Dimension der Umweltpolitik (original) (raw)
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express. Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. 3-4/2023, 2023
Der kürzlich verstorbene Bruno Latour und Nikolaj Schultz haben jüngst ein »Memorandum« vorgelegt, das in seiner Zuspitzung auf den »Hauptwiderspruch« Ökologie ebenso radikal ist wie die-durchaus nachvollziehbaren-Aufrufe zu mehr Militanz etwa des Ökomarxisten Andreas Malm (»Wie man eine Pipeline in die Luft jagt«, Berlin 2020). Ihre Radikalität liegt darin begründet, dass sie allen bisherigen Theorieschulen einen »Verrat« an ihren jeweiligen Zielen vorwerfen, das Verständnis von Freiheit und Emanzipation namentlich des Liberalismus und des Sozialismus über Bord werfen und diese Gesellschaftskonzepte samt dem Klassenverhältnis als an Produktivismus gebunden kritisieren. Es gehe nicht mehr um Produktion, sondern um »Erzeugung« (als unumgänglichen Beitrag der »Natur«). Die sich gerade-im Sinne E.P. Thompsons-herstellende und hergestellte und dann kollektiv handelnde Klasse sei die »ökologische Klasse«. Dies allerdings sei ein Prozess, der parallel zur Herausbildung der heute hegemonialen Klassen Jahrhunderte dauern könnte. Dass der Klimawandel uns diese Zeit nicht lässt, ist sicherlich ein entscheidendes Dilemma der Klimabewegung. Weil sich die »ökologische Klasse« noch nicht »gemacht« habe, wirkten ihre Ziele momentan für viele ermüdend, manchmal konservativ, hoffnungslos-denn Versprechen von Freiheit und Emanzipation könne die »ökologische Klasse« eben (noch?) nicht machen. Dass Latours und Schultz' Thesen dem allgemeinen Diskurs eines Green New Deal ganz offensichtlich widersprechen, ist sofort einsichtig, denn dieser setzt in seiner hegemonialen Form weiterhin auf wachsende Produktivität. Einsichtig wird das, wenn wir den »fossilen« Kapitalismus einerseits-die Automobilindustrie (Daimler-Benz, VW…), die Chemieindustrie (Bayer, BASF…), die Energiegewinnung (RWE, EnBW, EWE…)-und die angeblich »konträre«, »grüne« und »diverse« Kapitalfraktion der als »kalifornische Ideologie« titulierten antistaatlichen Kapitalherrschaft als Fortschrittsgarant (Tesla, Google, Amazon, Paypal…) andererseits betrachten. Der ökologische Aspekt der »grünen« Kapitalfraktionen entpuppt sich, einschließlich seiner Diversitäts-Ideologie, ganz schnell als neues Akkumulationsregime sowohl bezüglich der menschlichen Arbeit wie auch der Natur. Der »Green New Deal« wartet, in den Begrifflichkeiten der Krisentheoretiker Kondratjeff und Schumpeter gesprochen, auf die neue »Basisinnovation«, die uns auch aus dieser Krise führt-oder glaubt gar, diese bereits gefunden zu haben. Aber auch die vermeintliche Gegenposition, der »Ökosozialismus«, wie ihn etwa die Zeitschriften SoZ und emanzipation vertreten, würde nach Latour/Schultz zu kurz greifen, indem sie auf die Tradition eines vermeintlich verkommenen Sozialismus zurückgriffen. Unter »Green New Deal« können allerdings sehr verschiedene Bemühungen, die Klimakrise in den Griff zu bekommen, verstanden werden.
Grüne Politik ist heute längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch wie ist es dazu gekommen, wo liegen die Ursprünge und die Ursachen für diesen rasanten Aufstieg, der längst auch die großen Parteien erfasst hat? Für den Soziologen Andreas Pettenkofer handelt es sich dabei um eine unwahrscheinliche Entwicklung, die weder mit Theorien rationalen Handelns noch mit der systemischen Notwendigkeit im Modernisierungsprozess allein erklärt werden kann. Es bedarf einer anderen Erklärung, die individuelle Erfahrung, Ereignisse und Strukturen gleichermaßen ernst nimmt. Pettenkofer wählt einen religionssoziologischen Ansatz, und dabei wird ihm die jüngere Vergangenheit zu einem fernen Land, wo er die seltsamen gemeinschaftsstiftenden und manchmal auch gewalttätigen Rituale seiner fremdartigen Bewohner untersucht.
Editorial: Natur, Gesellschaft, Materialität: aktuelle Herausforderungen der Politischen Ökologie
Geographica Helvetica
This editorial introduces different theoretical strands in political ecology both in English and German speaking contexts. Comparing Marxist with more relational and "new materialist" approaches, it is argued that the various theoretical approaches chosen induce different ways of how the relationship between society and nature, between material and culture is conceptualized. The dialectical perspective derived from Marxism is thereby contrasted with the more emergent, and relativist understandings of actor network theory and assemblage thinking. Besides, the six single contributions in this Special Issue are introduced and five areas for further research are laid out: (1) the multiplicity of materiality, (2) the opposition between dialectic and relativist thinking, (3) the tension between elements and entire socio-material configurations, (4) materiality in the production of space and (5) issues of materiality and power.
Um die politische Ökologie, oder das, was wir so nennen denken oder so benennen würden,kritisieren zu können, müssten wir zuerst wissen, was wir da eigentlich benennen und was es ist,was wir nicht wissen richtig zu benennen. Das, was wir zuerst nicht kennen, bevor wir schon wissen, dass wir es kritisieren, ist nach seinem Namen etwas paradoxes. Obwohl wir nicht wissen, was es ist, dem antiken Namen nach bedeutet es im Gegensatz zur Politischen Ökonomie zwischen Menschen eine Politik, so was komisches, zwischen Mensch und Natur oder Mensch und anderem Leben. Dem antiken Namen nach ist es was noch mehr paradoxes. Ähnlich wie das Oikonomos ist es Politik aber von dem Bereich, wo es keine Politik gibt und auch nicht geben kann, von dem oikos, dem Bereich der Herrschaft, der Klassenverhältnisse. Ähnlich wie die Ökonomie ist es aber nicht das Nomos, also das Gesetz des oikos, der Herrschaft und des politiklosen Raumes, des Klassenraumes, ist es etwas höchst paradoxes, nämlich die Sprache des oikos, diesen Raumes, wo es normalerweise keine Sprache gibt, weil die Sprache vorbehalten für die Herrschenden ist und für die polis. Die Ökologie ist somit ein Zufall oder Ausnahme oder Wunder, das Wunder der Sprache, des Wortnehmens der Beherrschten, der Sklaven, der Sprachlosen, Wortlosen. Es ist das Klauen und die Inbesitznahme von etwas, was den Beherrschten gar nicht zusteht, der Sprache, die ihnen nicht gehört, nicht zufallen und in Kontrolle geraten sollte. Es ist die Inbesitznahme des Prometheus, aber im Klassenverhältnis, von den Sklaven. Die Sprache, das, was den Sklaven, Beherrschten nicht zusteht, gehört ihnen jetzt gleichermaßen wie den Herren, wie den Göttern, den Kapitalisten. Das ist die Ökologie in richtiger Bedeutung.
Umweltpolitik in der Schweiz: Von der Forstpolizei zur Ökobilanzierung - Einleitung
Umweltpolitik in der Schweiz: Von der Forstpolizei zur Ökobilanzierung, 2020
Dies ist die Einleitung zu dem Buch "Umweltpolitik in der Schweiz: Von der Forstpolizei zur Ökobilanzierung". Das Buch geht den Schweizer Diskursen zu Umweltfragen nach und stellt die Erfindung formaler Werkzeuge im Bereich Umweltschutz vor. Es erfasst die Diskussionen um Wald, Wasser und Naturschutz, die weit in die Schweizer Geschichte zurückreichen, und schägt den Bogen zu aktuellen Themen und Verfahren. Werkzeuge wie Umweltverträglichkeitsprüfung oder Umweltmanagement sind heute für Schweizer Betriebe gängige Praxis, die Details sind in der Öffentlichkeit jedoch wenig bekannt. In 15 Kapiteln erläutern Expertinnen und Experten aus Praxis und Forschung die vielfältigen Institutionen, Instrumente und Regelungen zu Umweltfragen in Recht, Wirtschaft und Wissenschaft.