Karl Marx: Herakles oder Sisyphos?Eine philosophische und ökonomische Untersuchung (original) (raw)
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Die poetische Ökonomie von Heine und Marx
Übergänge. Zwischen Künsten und Kulturen
die Idee eines Mittagessens begriffen, mein Lieber? Wer diese begriffen hat, der begreift auch das ganze Treiben der Menschen. ... die Poesie, die Himmelstochter, die Hochgeborene, hat selbst nie Geld und wendet sich, bei solchem Bedürfnis, immer an Cotta. Der Titel einer poetischen Ökonomie von Heine und Marx bezieht sich durch Assonanz und Wissen auf die politische Ökonomie, deren Kritik die Hauptwerke von Karl Marx, insbesondere das Kapital, bekanntlich gelten. Auch aus einigen der wichtigsten Werke Heines, den Reisebildern, den Französischen Zuständen und der Lutetia (aber damit sind keineswegs alle benannt) ließe sich eine Kritik der politischen Ökonomie extrahieren, wenn man darunter die Kritik der politischen Konsequenzen wirtschaftlichen Handelns versteht. Etwa in den Ausführungen über die Eröffnung der neuen Eisenbahnenlinien und über den Baron Rothschild in Lutetia wird implizit ein wirtschaftlich induzierter Funktionswandel des Souveränitätsbegriffs verzeichnet. (Vgl. 5, 448ff. "... es ist das Staatsruder, dessen sich die herrschende Geldaristokratie täglich mehr und mehr bemächtigt." 1) Über die Begegnung von Heine und Marx im Jahr 1843 und in späteren Jahren ist viel geschrieben worden. Wolfgang Hädecke hat in seiner Heine-Biographie die Erfindung des Kommunismus durch Heinrich Heine eindrucksvoll beschrieben. 2 Das nahezu einhellige Urteil der Forschung lautet, Heine habe vieles in der Begrifflichkeit und dem politischen Anspruch nach vorweggenommen und formuliert, was Marx und später Marx und Engels dann ausgearbeitet und (leider) vereinseitigt hätten. 3 Auch stilistisch zehrt Marx von Heine. 4 Erinnert sei hier nur an das bedeutende Werk von Siegbert Prawer: Karl Marx und die Weltliteratur. Heine, Shakespeare und Goethe sind die Dichter, die das Denken und Schreiben von Marx nachhaltig beeinflusst haben. Ich möchte aber diesem Kapitel kein weiteres hinzufügen. Vielmehr geht es mir um das Irreduzible des rhetorisch-poetologischen Modells. Es ist die poetisch-rhetorische Konstruktion von Wirtschaft und Gesellschaft, von Ökonomie und Religion, welche die "metaphysischen Spitzfindigkeiten" und die "theologischen Mucken" von Ware, Geld und Kapital offen legt. Das Ziel meiner Ausführungen besteht in einer Stilkritik der ‚politischen Ökonomie', welche die sprachliche Konstitution ökonomischer ‚Tatsachen' aufdecken möchte. In der Erkenntnis einer ‚poetischen' Ökonomie bei Heine und
2005
Das Papier enthält vier Teile: zwei deskriptive und zwei normative. Im ersten deskriptiven Teil geht es um die wichtigsten analytischen Tatbestände, aus denen Marx seine moralische Verurteilung des Kapitalismus ableitet. Im zweiten (normativen) Teil fasse ich die wichtigsten moralischen Einwände Marxens gegen den Kapitalismus zusammen. Nach meiner Auffassung können sie unter dem alleinigen Hinweis auf die (fast!) überall zu beobachtende Wohlstandssteigerung nicht insgesamt entkräftet werden. Im dritten (wiederum deskriptiven) Teil geht es um die Frage, welche grundlegenden Erkenntnisse der Sozialwissenschaften wir heutzutage beim Nachdenken über eine bessere Welt berücksichtigen müssen – und zwar gerade dann, wenn wir die normativen Ziele Marxens teilen. Und im vierten (wiederum normativen) Teil wird erörtert, wie wir unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse die Moral der Wirtschaftswelt aus heutiger Sicht denken und institutionalisieren können.
Marx' Ökonomisch-philosophische Manuskripte im Vergleich zu seiner späteren Kritik der politischen Ökonomie 1 Der Begriff Entfremdung hat Konjunktur. TheoretikerInnen, die sich als gesellschaftskritisch verstehen, greifen auf ‚Entfremdung' als sozialphilosophischen "Schlüsselbegriff" 2 zurück. Dabei spielt allerdings der Begriff der entfremdeten Arbeit, wenn überhaupt, nur noch eine untergeordnete Rolle, 3 während der frühe Marx und eine ganze Tradition des humanistischen Marxismus in ihm die wesentliche Grundlage zum Verständnis der modernen Entfremdungsphänomene erblickten. 4 Im Folgenden soll der Begriff der entfremdeten Arbeit, wie Marx ihn insbesondere in den Ökonomisch-philosophischen Manuskripten aus dem Jahre 1844 5 verwendet, rekapituliert und der dort formulierte Anspruch geprüft werden, mit ihm eine Analyse des inneren Zusammenhangs und der Dynamik des Kapitalismus zu liefern. In einem zweiten Schritt wird dann der Frage nachgegangen, in welchem Verhältnis der Begriff entfremdeter Arbeit zum Zentralbegriff des Kapitals, der ‚abstrakten Arbeit', steht, mit dem Marx beansprucht, den "Springpunkt" (MEW 23, 56) zu einer Kritik der politischen Ökonomie gefunden zu haben. Diese Frage verlangt nicht nur Aufmerksamkeit, weil die Manuskripte eine enorme Wirkmächtigkeit entfaltet haben, die sowohl Anhänger als auch Kritiker von Marx dazu verleitet hat, sein Projekt der Ökonomiekritik ausgehend vom Arbeitskonzept dieser Frühschrift stehen oder fallen zu sehen. 6 Die Behandlung dieser Frage könnte auch dazu beitragen, an das in heutigen Entfremdungsdiagnosen häufig nur in Nebensätzen verhandelte Hypozentrum moderner Entzweiungs-, Verselbständigungs-und Beschleunigungsdynamiken zu erinnern. Der Schwerpunkt wird daher auf der Herausarbeitung und dem Vergleich der Begriffe entfremdeter und abstrakter Arbeit liegen. Eine umfassende Analyse der Entfremdungstheorie von Marx, vor allem 1 Ich danke Hannes Künemund, Urs Lindner und Michael Quante für kritische Kommentare zum vorliegenden Text.
Zur Kritik der Anthropologie. Marx’ Theorie des Kapitals und seine ethnologischen Studien
Marx-Engels Jahrbuch , 2017
Marx' Theorie des Kapitals und seine ethnologischen Studien 1 Emanuela Conversano Im Laufe seines Lebens hat Karl Marx gründlich über eine nicht-kapitalistische Zukunft nachgedacht und um sie gekämpft. In keiner Weise wollte er seine Überlegungen und seinen Kampf als utopisch oder als deterministisch gekennzeichnet wissen. Seine Arbeit bestand in erster Linie darin, das principium individuationis des gesamten historischen Prozesses, dessen historisches Resultat die gegenwärtige bürgerliche Gesellschaft ist, durch die Kritik der Gegenwart selbst in den Produktionsverhältnissen zu ermitteln. 2 Dadurch -oder besser gesagt durch das Erkennen des Widerspruchs zwischen Produktionsverhältnissen und Produktivkräften in der Geschichte des Kapitals -würden zugleich die inneren Keime zur Überwindung der gegenwärtigen sozialen Beziehungen dargestellt. 3 Darin besteht der "rationelle Kern" der Dialektik, der eine Einsicht in die Bedingungen der Möglichkeit des Kommunismus im jetzigen Zustand gestattet. 4 Bekannt -und verkannt -war diese Geschichtsauffassung schon, als Marx noch am Leben war. Durch die spätere Marx-Forschung ist überdies mehr und mehr publik geworden, dass der Autor des Kapital auch eingehend und wiederholt nicht-kapitalistische Gesellschaften untersuchte, um die konkreten Bedingungen der menschlichen Befreiung theoretisch zu begreifen und sich für ihre Herstellung praktisch einzusetzen. Marx interessierte sich nicht nur für die nicht-kapitalistischen Formen, die der Vergangenheit der kapitalistische Gesellschaft in "großen Umrissen" 5 entsprechen, sondern auch für die nicht-1 Der Aufsatz ist eine überarbeitete Fassung eines auf der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisierten Tagung "Marx200. Politik -Theorie -Sozialismus" am 3. Mai 2018 in Berlin gehaltenen Vortrags.
Kommentar: Karl Marx - Das Kapital
Neue Bibliothek des Eigentums, 2023
Es handelt sich hierbei um einen Text, der im Rahmen einer Kommentarreihe der „Neuen Bibliothek des Eigentums“ (NBE) entstanden ist. Die NBE ist am Sonderforschungsbereich/Transregio 294 „Strukturwandel des Eigentums“ angesiedelt. Ziel der Kommentarreihe ist es, klassische Text, die die Eigentumsfrage thematisieren, einem politisch und wissenschaftlich interessiertem Publikum nahezubringen. Die Kommentare sollen eine historisch-kritische, problemgeschichtlich akzentuierte Einführung in das Werk geben.
Karl Marx - Philosophie, Pädagogik, Gesellschaftstheorie und Politik
2018
1980: 697), wie Walter Benjamin Paul Klees "Angelus Novus" interpretiert, zeigt als vom Sturm des Fortschritts weggerissen mit rückwärtsgewandtem Blick nicht nur recht angemessen, was die Triebkraft der Geschichte seit jeher war und in derselben anrichtet, insofern sie "unablässig Trümmer über Trümmer häuft" (ebd.), sondern er verweist mit seiner Abkehr von der Zukunft zugleich auf ein Problem, das zu stellen sich Geschichtsphilosophie immer wieder vornahm, ohne es frei von der Rücksicht auf die Vergangenheit angehen zu können. Dies nicht ohne Grund, denn drehte sich der Engel um, so fragt es sich, ob er in der Zukunft lediglich sein eigenes Spiegelbild sähe, oder einen vom Sturm aufgewühlten Sandnebel, in dem nur vage Umrisse sichtbar sind, oder aber einen leeren Raum, den zu gestalten er sich den Sturm nutzbar machen könnte, wobei dies nicht zuletzt davon abhinge, inwieweit der Sturm vom Engel selbst angefacht wird. Letzteres verweist auf die Frage, aus welchen Quellen sich der Sturm speist, der laut Benjamin "vom Paradies her" (ebd.: 698) weht. Sind es die Nachkommen des paradiesischen Paares selbst, die ihn antreiben, oder hat der Sturm andere Quellen, die dafür sorgen, dass die Nachkommen durch die Zeit gewirbelt werden? Oder bekommt der Wind nur deshalb stürmische Formen, weil er auf bestimmte Bahnen verengt und gebündelt wurde, wobei es erst einer Öffnung dieser Kanäle bedürfte, um ihm Raum zu kontrollierterer Gestaltung zu geben? Dieses metaphorische Feld an Fragen sei hier mit Bezug zu drei unterschiedlichen geschichtsphilosophischen Konzepten bewandert, wobei mit Hegel eine erste Station auf diesem Wege umrissen wird, die den rückwärtsgewandten Blick des Engels fokussiert, um dann mit Marx, als zweiter Station, die Quellen des Sturms näher in den Blick zu nehmen, worauf dann mit Ulrich Sonnemann die Frage danach gestellt wird, inwieweit eine offene Umwendung des Engels nicht allererst einen geschärften Blick auf die wahren Quellen des Sturms gewährt.
Zwischen Mythos und Philosophie. Orpheus’ Entscheidung
Mythen und Narrative des Entscheidens, 2019
Der Beitrag widmet sich dem Mythos von Orpheus und Eurydike, der aus einer ungewohnten Perspektive gelesen wird, nämlich aus derjenigen der Entschei- dung in ihrer Beziehung zu dem Thema ›Zeit‹. Zunächst wird geklärt, unter welchen Rahmenbedingungen die Philosophie überhaupt autorisiert ist, über Mythen zu sprechen. Der zweite Teil ist der negativen Bedeutung des Mythos als einer Art vager, die Realität verfremdender intellektueller Konstruktion ge- widmet: Es gibt in der Tat auch inakzeptable Mythen über die Entscheidung, inakzeptabel deshalb, weil sie mit der Erfahrung des Ichs nicht kompatibel sind. Vor diesem Hintergrund wird eine philosophische Prüfung des Mythos von Orpheus und Eurydike vorgenommen.
Kapitalisierung - Marx` Non-Ökonomie
Die traditionelle Fraktion der marxistischen Ökonomen spricht hinsichtlich der unaufhörlichen Durchsetzung der Finanzialisierung nach wie vor von einer bloßen Anomalie, vom Aufschub von Entwertungsprozessen, der durch den langfristigen Fall der Profitrate seit dem Ende des Fordismus in den 1970er Jahren dokumentiert wird, von einer fortschreitenden Untergrabung der Wertproduktion durch das Abschmelzen der Wertsubstanz qua lebendiger Arbeit, was durch die Akkumulation von fiktivem Kapital nur hinausgeschoben würde. In dieser Denkweise gründet der Kapitalismus vor allem auf der Produktion von Waren und der Ausbeutung der Arbeitskraft. Auf der anderen Seite gibt es eine marxistische bzw. postoperaistische Fraktion, die in der Finanzialisierung eine völlig neue Phase des Kapitalismus sieht; der sog. kognitive Kapitalismus basiert nach dieser Auffassung auf einer Strukturalität, die nicht nur den Modus der Produktion, sondern auch den der Akkumulation permanent verschiebt; das Kapital gründet nicht mehr in erster Linie auf der Produktion von Waren und Dienstleistungen, sodass die Akkumulation auch nicht ausschließlich auf der Extraktion des industriellen Mehrwerts beruht. Christian Marazzi gesteht dem finanziellen Kapital eine real-dominierende und nicht primär abgeleitete Rolle zu. Er beschreibt die Finanzialisierung als die Kehrseite der Entmaterialisierung des fixen Kapitals sowie als Folge der gestiegenen Bedeutung der kognitiven Arbeiten, die mit einer Freisetzung enormer Mengen Liquidität einhergeht, um in erster Linie der fallenden Profitrate entgegenzuwirken, wobei der Marktkapitalisierung der dominanten Unternehmen der Vorzug gegenüber der industriellen Produktion gegeben wird. Allerdings bezieht sich Marazzi nach wie vor affirmativ auf die marxistische Position, die den Mehrwert ausschließlich als ein Produkt der lebendigen Arbeit auffasst; den unaufhörlichen Siegeszug der Finanzialisierung begleitet lut Marazzi die non-industrielle Extension der Wertproduktion, die zum einen auf der Koproduktion des Wertes durch den Konsumenten selbst beruht, der immanenter Teil der Wertproduktion wird (z.B. das IKEA Modell, wo der Konsument das Produkt findet, um es zu transportieren und selbst zusammenzubauen), und zugleich findet eine Inwertsetzung von freiwilliger Arbeit statt, z.B. durch die Betätigung des Konsumenten in sozialen Netzwerken. Alternativen zu den beiden marxistischen Positionen scheinen die machttheoretisch konzipierten Analysen von Bichler/Nitzan (Capital as power) anzubieten, die ihr Augenmerk weniger auf die industrielle Akkumulation von Mehrwert legen, sondern das Maß der konstitutiv monetären kapitalistischen Akkumulation in der Marktkapitalisierung eines Unternehmens fundieren,