Transformationen des Religiösen (original) (raw)
Einer der Begriffe, die zurzeit in den Geisteswissenschaften Konjunktur haben, ist der Begriff der Transformation. " Transformation " soll das Gleichbleibende und Übergreifende beschreiben, also nicht die Brüche, Diskontinuitäten und Neuerungen, wie dies z.B. der Begriff der Epoche tut. Grenzt der Epochenbegriff das Eine vom Anderen ab, so betont der Transformationsbegriff das Verbindende. Natürlich lassen sich die Konzeptionen nicht gegeneinander ausspielen, denn meist gibt es sowohl Kontinuität als auch Diskontinuität –, wie Reinhart Kosellecks Begriff der Sattelzeit nahelegt. 1 Dennoch kennen wir auch solche Zeiten, in denen der Schwerpunkt trotz gleichbleibender und " transformierter " Motivik verstärkt auf dem Neuen liegt. In diesen Zeiten finden so tiefgreifende Transformationen statt, dass sie als Neuerung und Bruch und als Diskontinuität empfunden werden. Diskontinuität zu betonen hilft beiden Seiten, den Vertretern des Alten und denjenigen des Neuen: Die einen betonen den Ab-Bruch als Zeichen für den Zusammenbruch, die anderen sehen ihn als Auf-Bruch zum Besseren hin. Die Beurteilung von Diskontinuitäten hängt also auch von Voreinstellungen ab und kann eine emotionale Basis haben, z.B. das Gefühl des Verlustes von Gewohntem. Wie stark die Beurteilung von Wandlung und Neuerung, Transformation und Epochenwende, Kontinuität und Diskontinuität von der jeweiligen Rezeption der Ereignisse abhängen, erkennen wir zu bestimmten Zeiten besonders deutlich: Die Schwelle zur Neuzeit war eine solche Zeit. Die " Renaissance " etwa wollte eine Wiedergeburt der Antike und ein Ende der ihr vorausgehenden Zeit markieren, die später als " Mittelalter " (ab)qualifiziert wurde. In der Spätantike stehen sich Vertreter der antiken Weltordnung und die entstehende Christengemeinde in gegenseitiger Apologetik gegenüber. Die emotionale Folie überdeckt Transformationsprozesse, die in Zeiten des Umbruchs sämtliche Legensbereiche durchdringen, aber auch Brüche und Neuanfänge beinhalten. Sowohl in der Neuzeit als auch in der Spätantike steht die fundamentale Wandlung der religiösen Sphäre im Zentrum aller Veränderungen und beide Zäsuren sind eng an die christliche Religion geknüpft: In der Spätantike liegt ihr Aufstieg, in der Neuzeit beginnt der Niedergang.