Die neue Imperialismusdebatte (2004) (original) (raw)

In den bedeutenden Zeitungen und politischen Zeitschriften der USA wird nicht mehr nur offen der Kapitalismus affirmiert, sondern auch der Imperialismus. Konservative denken, die USA könnten ihrer geschichtlichen Rolle als Hüterin der Weltordnung gerade dann gerecht werden, wenn sie sich zu ihrer imperialen Struktur bekennen. Die europäische Abneigung gegenüber Machtpolitik sei nur Folge von Machtlosigkeit, wobei Europa von der imperialen Politik der USA profitiere (Kagan 2003, 45 u. 117), der »großmütigsten imperialen Macht aller Zeiten« (DʼSouza, zit. n. Mann 2003, 24). Selbst ein liberaler Autor wie Michael Ignatieff fordert einen »weichen Imperialismus«, der über gezielte Luftschläge hinausgehen müsse, um die Ordnung in den entsprechenden Regionen herzustellen. »Was 1945 für Deutschland und Japan galt und heute nicht weniger wahr ist, bildet das zentrale Paradox des Imperialismus. Er ist zur Vorbedingung für Demokratie geworden.« (2003, 28) Im Unterschied zum alten Imperialismus, der immer nur eine Hauptstadt kannte und mit den anderen Imperien im Konflikt stand, sei der humanitäre vergleichbar mit einer Hausgemeinschaft: Washington gebe den Ton an und London, Paris und Berlin folgten zögerlich (22). »Das Imperium des 21. Jh. ist […] ein Empire lite -eine globale Hegemonie, deren Merkmale freie Märkte, Menschenrechte und Demokratie sind, durchgesetzt mit Hilfe der abschreckendsten Militärmacht, die es je gegeben hat. Es ist der Imperialismus eines Volkes, dem immer vor Augen steht, dass es die Unabhängigkeit erwarb, indem es gegen ein Empire revoltierte, eines Volkes, das sich als Freund der Freiheit in aller Welt versteht.« (2003b, 17) Trotz der ›realistischen‹ Tradition der amerikanischen Politikwissenschaften sind Begriffe wie Imperialismus oder Imperium als Selbstdefinition der USA neu, und die Analogie zum Britischen Empire beschwört nicht mehr bei allen »unangenehme historische Bilder von Rotröcken und Steuern herauf« (Mann 2003, 22). Max Boot vom Wall-Street-Journal glaubt, »Afghanistan und andere Länder in Schwierigkeiten« riefen »nach der Art aufgeklärter Fremdverwaltung, die einst von selbstsicheren Engländern in Reiterhosen und Tropenhelmen ausgeübt wurde« (zit. n. Johnson 2003, 97). Bekanntlich hielt das Britische Empire aber nicht lang; daher geht man »besser schnell ein paar Jahrhunderte zurück, zum erhabensten Empire überhaupt, und schon reimt sich: pax romana, pax americana« (Mann 2003, 22). Der dies schreibt, ist kein Befürworter imperialer Politik. Für ihn entpuppt sich das »American Empire« als »militärischer Riese, ökonomischer Trittbrettfahrer, politisch Schizophrener und ideologisches Phantom« (27). Es handelt sich um ein »ungeordnetes Empire, mit einer ›ohnmächtigen Supermacht‹«, »deren unerschütterlich