"Frauenliteratur." In: Gender Glossar (Sept. 2016) (original) (raw)
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Fin de siècle, 2014
In der Übergangszeit, als die sich das Fin de Siècle verstand, begannen Frauen verschiedenster Herkunft ähnlich der Arbeiterschaft nach Mitteln und Wegen zu suchen, um sich aus einer Situation der Macht- und Rechtlosigkeit zur Selbstbestimmung durchzuringen. Hatte der Kampf einzelner Frauen gegen ihre Unterdrückung im deutschen Vormärz bereits emanzipatorische Prozesse eingeleitet, so lernten die Frauen in Deutschland um 1900 mit etwas Verspätung gegenüber Frankreich, den USA und England im Kollektiv zu denken und zu handeln, was zur Entstehung der ersten deutschen Frauenbewegung führte. Die Herausbildung einer spezifischen Frauenliteratur um 1900 kann als Parallele zum Aktivismus gewertet werden, der sich in der Frauenbewegung entfaltete und der weibliche Fantasien mit dem Schritt über die Schwelle spielen ließ. Die wichtigsten Bürgerrechte wurden den Frauen noch verweigert und die Bildung junger Mädchen war so rudimentär, dass sie in ihren Entscheidungen von der Wertskala ihrer Eltern abhängig blieben. Riskierten sie daher viel, wenn sie im realen Leben konventionelle Fesseln sprengten, so bot ihnen die Schrift die Möglichkeit, ihre Ansprüche in weiblichen Figuren zu spiegeln und ihre bisherigen Rollen zwischen Autobiografie und Fiktion kritisch zu beleuchten.
2016
Rezension: Anna Katharina Knaup: Der Männerroman. Ein neues Genre der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Bielefeld: transcript Verlag 2015. 378 Seiten, ISBN 978-3-8376-3309-2, € 37,99 Anna Katharina Knaup legt eine erste Genrekonfiguration für den deutschsprachigen Männerroman vor und leistet damit Grundlagenforschung im Bereich der Gattungstheorie. Darüber hinaus wird jene Tradition, in der männliche Autorschaft als ‚Norm‘ galt und daher nicht – wie die ‚Frauenliteratur‘ – gesondert deklariert werden musste, zumindest für den Bereich der zeitgenössischen Unterhaltungsliteratur, in Frage gestellt. Während die komparativ verfahrende Untersuchung von ihrem literaturwissenschaftlichen Anspruch her überzeugt, wäre aus gendertheoretischer Perspektive ein etwas reflektierterer Umgang mit Sprache und Genderkonzepten wünschenswert. DOI: http://doi.org/10.14766/1203 Es gibt sie doch: Männerliteratur von Sandra Folie steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz und ist in der Zeitschrift querelles-net unter https://www.querelles-net.de/index.php/qn/article/view/1203/1325 erschienen.
Rundum Gender" : Literatur, Literaturwissenschaft, Literaturtheorie
2007
Literatur gilt trotz vielfältiger neuer Medienangebote als bedeutende kulturelle Praxis. Diese wurde und wird wissenschaftlich erforscht, wobei in den letzten Jahrzehnten gendertheoretischen Ansätzen wachsende Bedeutsamkeit zugemessen wurde. Gendertheoretisch orientierte Forschung kann und soll die Literaturwissenschaften unterstützen und begleiten. Sie kann zum Beispiel darüber nachdenken, wie literarische Texte funktionieren und wie geschlechtliche Identitäten in diesen konstruiert werden bzw. organisiert sind. Diese Untersuchung erfolgt theoriegeleitet, wobei Theorie und Praxis nicht als starre Oppositionen gefasst werden, sondern als in Wechselwirkung stehende verwobene dynamische Konzepte
Literatur gilt trotz vielfältiger neuer Medienangebote als bedeutende kulturelle Pra-xis. Diese wurde und wird wissenschaftlich erforscht, wobei in den letzten Jahr-zehnten gendertheoretischen Ansätzen wachsende Bedeutsamkeit zugemessen wurde. Gendertheoretisch orientierte Forschung kann und soll die Literaturwissen-schaften unterstützen und begleiten. Sie kann zum Beispiel darüber nachdenken, wie literarische Texte funktionieren und wie geschlechtliche Identitäten in diesen konstruiert werden bzw. organisiert sind. 1 Diese Untersuchung erfolgt theoriegelei-tet, wobei Theorie und Praxis nicht als starre Oppositionen gefasst werden, sondern als in Wechselwirkung stehende verwobene dynamische Konzepte. Wenn von Theo-1 Literatur wird in jüngeren kulturwissenschaftlichen Ansätzen als »performativ« verstanden, also als textuelle Praxis, die nicht nur die Welt beschreibt, sondern vor allem etwas tut. Das heißt, dass jede literarische Äußerung nicht einfach einen vorgängigen Sachverhalt beschreibt, sondern die diskursiven Tatsachen konstituiert, auf die sie sich bezieht: Das können literarische Charaktere und ihre Handlungen sein, aber auch Ideen und Begriffe, die durch den literarischen Text über-haupt erst etabliert werden (z. B. das »romantische« Konzept der Liebe). Literatur als performativ zu verstehen trägt damit zugleich zur ihrer Legitimation und Verteidigung gegen positivistisch motivierte Abwertungsversuche bei: literarische Texte bestehen nicht einfach aus Pseudo-statements, sondern performieren Sprechakte, die die Sachverhalte hervorbringen, die sie be-nennen, und auf diese Weise die Welt verändern (vgl. Culler 2002, S. 140–155).
Testi e linguaggi, 2022
Every wave of the women’s movement seems to be accompanied by at least one wave of feminist ‘new women’s fiction’. Thus, the late 20th century daughters of the second-wavers were often associated with freche Frauen literature (cheeky women literature). Somewhat analogous to chick lit in the Anglo-American world, this genre supposedly became what third-wavers at the time wanted to write and read. At least that was what major publishers and bookstores suggested with their freche Frauen book series, bookshelves, and genre categorizations. In 1999, when the freche Frauen were just becoming more widely known, the literary critic Volker Hage coined the literarische Fräuleinwunder (literary young miracle women), another gendered literary label. Among these Fräuleinwunders, he grouped authors such as Karen Duve, Judith Hermann, and Zoë Jenny, whom he considered more elaborate successors to the commercial women’s fiction of the time. In this article, I approach the two German literary labels freche Frauen and literarisches Fräuleinwunder terminologically and discursively. In a comparative analysis of secondary literature, reviews, and (archived) websites of publishers and booksellers, I highlight the pejorative connotations of both labels alongside their ostensibly empowering implications. My aim is to illustrate that the once emancipatory potential of so-called ‘new women’s fiction’ has all but faded in the gendered literary labeling of the late 20th and early 21st centuries. In fact, the formerly feminist attempts to appropriate and renew the problematic label ‘women’s fiction’ have transformed into either a harmless neoliberal feminism or a paternalistic pseudo-elevation through which publishers, booksellers, or literary critics infantilize, sexualize, and devalue women and their literature.
J elineks Oeuvre ist immer "mehr", ist literarische Gesellschaftskritik und Auseinander-setzung mit Identitätsdiskursen, ist Reflexion auf Kapitalismus, Nationalismus und Im-perialismus, auf Kolonialismus, Chauvinismus und Rassismus, auf Körperkonstruktionen und Normierungen im Rahmen biopolitischer Machtregime, auf die Frage von Autor_innen-schaft und Sprecher_innenpositionen, auf ästhetische Verfahrensweisen als avantgardisti-sche und politische Schreibpraxen im Spannungsfeld von Autorität und Subversion, Macht und Ermächtigung. Ihre radikale Gesellschaftskritik entäußert sich als progressiver Schreib-fluss, oft in Kleinschreibung und/oder "Flächenschreibung" (Textflächen) und willkürlicher Interpunktion. Geschlechtsidentitäten und ganz besonders Geschlechterverhältnisse stehen dabei beständig im Zentrum der Jelinek'schen Textwelten. 2 Ist nun Gender Revisited im Zusammenhang mit dem Jelinek'schen Oeuvre das Thema, so sind, qua relevanter Theoriebestände und Wissensformationen, nicht zuletzt Fragen der Identi-tätskonstruktion oder der Subjektivierung (subjectivation) angesprochen-wobei die Viel-stimmigkeit von Jelineks Texten, die Differenziertheit und oft auch Widersprüchlichkeit der Argumentationslinien verschiedene Formen kritisch feministischer Ansätze erfordern, zumal oftmals diskrepante Formen von Identitätskonstruktionen oder-dekonstruktionen in ein-und demselben Text lesbar werden. Das Spektrum der ertragreichen Ansätze reicht von gender-und queertheoretischen bis zurück zu klassisch feministischen dort, wo es um benachteiligte, diskriminierte oder unterdrückte Frauen geht-"Frau" also als Entität not
Frauen- und Geschlechtergeschichte [Women's and Gender History] (Gender Glossar, 2017)
Frauen- und Geschlechtergeschichte verfolgt das Anliegen, die Gewordenheit von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen zu verstehen, bisherige Darstellungen darüber kritisch zu hinterfragen und neue Erzählungen des Vergangenen für die Gegenwart zu entwickeln. Geschichtsschreibung beabsichtigt, die Vergangenheit darzustellen. Sie drückt das Prozesshafte des gesellschaftlichen Werdens aus und wendet sich gegen die Ahistorisierung von Ideen, Ereignissen und Zuständen. Link: https://www.gender-glossar.de/post/frauen-und-geschlechtergeschichte
zu transzendieren, wie Bachmann es in den Frankfurter Vorlesungen als Ziel des Dichters umschreibt. Ein neuer, auch femininen Ansprüchen gerecht werdender Sprachgebrauch kann von der Erzählerin nicht begründet werden, somit mißlingt ihr auch die weibliche Identitätsbildung. Sie vermag sich gegen die männliche Vorherrschaft im öffentlichen Diskurs nicht durchzusetzen. Da für Bachmann eine regressive Festlegung der Frau auf die konventionelle Rolle nicht in Frage kommt, löst sie das Dilemma durch Verzicht auf die weibliche Identität und Orientierung an maskulinen Identifikationsmustern. Diese Lösung, in den Augen der meisten Frauen sicher keine Lösung, erscheint bei der Bachmann ambivalent: einerseits sieht sie in der Übernahme eines männlichen Konzepts den Gewinn einer Perspektive, der das Weiterschreiben ermöglicht 26 , andererseits entläßt sie den Leser mit der Anklage: "Es war Mord".