“Erinnerte Zukunft. Über die Möglichkeit der Verzeihung im Angesicht des Holocaust”. In: Universitas. Zeitschrift für interdisziplinäre Wissenschaft 1/2001, 62-71. (original) (raw)
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Erschienen in: kritisch-lesen.de 47, S. 97-100., 2018
Trump gegen Clinton, Le Pen gegen Macron, Hofer gegen van der Bellen, Pegida gegen Pulse of Europe: Ein Blick auf die politischen Auseinandersetzungen in Europa und den USA der vergangenen Jahre offenbart einen Konflikt zwischen Establishment und der rechten, vermeintlichen Alternative. Der politische Spielraum, so scheint es, ist auf die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera zusammengeschrumpft: weltoffener Neoliberalismus auf der einen, autoritärer Kapitalismus auf der anderen Seite. Diese Ausgangslage hat die seit über einem Vierteljahrhundert andauernde Krise der Linken vertieft. Die knifflige Frage lautet: Wie können sie am besten umgeworfen werden, die Verhältnisse, in denen "der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist"? An Ansätzen mangelt es ja eigentlich nicht: Stadtteilpolitik, Linkspopulismus, Selbstorganisierungen, Gewerkschaftsarbeit, Hegemoniepolitik und vieles mehr. Doch was könnte eine gemeinsame Klammer sein? Seit einiger Zeit diskutieren Linke in Europa und den USA über Ansätze einer Neuen Klassenpolitik. Diese versucht, den falschen Entgegensetzungen von objektiven Bedingungen und subjektiven Möglichkeiten, von materiellen und kulturellen Kämpfen, von Klassenkampf und "Identitätspolitik" etwas entgegen zu setzen. Die Debatte um Neue Klassenpolitik (hier ein Überblick) lotet aus, wie eine Klassenpolitik "auf Höhe der Zeit" aussehen könnte. Ein Minimalkonsens: Sie darf nicht hinter die Kämpfe der vergangenen Jahrzehnte zurückfallen. Das mag mit Blick auf lange vorhandene antirassistische, feministische wie auch
Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien, 2023
„Mehr Respekt. Mehr Offenheit. Mehr Zuhören. Das neue Erinnern“ – dieser Appell auf der Rückseite des Buchcovers zieht sich durch das neueste Buch der deutschen Publizistin und Auslandsreporterin Charlotte Wiedemann. Sie nimmt ihre Leser:innen auf eine sehr persönliche Reise durch die Welt und Weltgeschichte mit und lässt sie an ihren klugen Beobachtungen und Erkenntnissen teilhaben. Von Beginn weg benennt Wiedemann eigene vormals blinde Flecken, die ihr im Lauf von Jahrzehnten intensiver Auseinandersetzung mit Geschichte und Gesellschaften in unterschiedlichen Weltgegenden mehr und mehr bewusst wurden. Das Kapitel „Unfreie Befreier. Über Krieg und Kolonialität“ etwa beginnt mit ihrer Erinnerung an den Moment, als ihr in Mali jemand „ein Foto von Schwarzen Soldaten in einem schneebedeckten Schützengraben“ (S. 15) zeigte. Da wurde ihr klar, dass auch afrikanische Soldaten gegen das nationalsozialistische Deutschland gekämpft hatten. Das war ihr bis zu diesem Zeitpunkt trotz intensiver Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus nicht bewusst gewesen. [...]
Warum die Vergangenheitsdebatte gerade explodiert Geschichte lebt wieder in Deutschland, ist präsent im öffentlichen Raum wie lange nicht mehr. Konflikte und polemische Debatten überall: das Humboldt-Forum und koloniale Beutekunst; die Umbenennung der M-Straße; einhundertfünfzig Jahre Deutsches Kaiserreich; Achille Mbembe, Holocaust und Kolonialismus, die Deutschen mit »Nazihintergrund« und nicht zu vergessen die Machenschaften der Hohenzollern. So unterschiedlich die Debatten im Einzelnen sind, immer wird dabei die Deutung der NS-Zeit oder des Kolonialismus mitverhandelt; häufiger sogar beides. Kein Tag, an dem das Feuilleton nicht bebt, die Twitter-Sphäre ohnehin. Die Dinge, um die es geht, liegen alle lange zurück, sehr lange; manche waren beinahe vergessen. Jetzt sind die Diskussionen gleichwohl so heftig, als ginge es um alles. Warum regen sich gerade alle so auf? In dem gegenwärtigen Kampf um die historische Deutungshoheit mangelt es nicht an Kommentaren, Einlassungen, Deutungen. Aber meist geht es dabei um normative Fragen: Soll koloniale Kunst zurückgegeben, Immanuel Kant aus den Lehrplänen verbannt, sollen Straßen umbenannt werden? Sollte die deutsche Gesellschaft auf der Einzigartigkeit des Holocaust bestehen, oder gibt es eine Verantwortung für die Opfer des Kolonialismus? Diese normativen Fragen-was sollen wir tun?-sind wichtig; sie werden die Feuilleton-Öffentlichkeit noch auf absehbare Zeit beschäftigen. Bislang wird jedoch viel zu wenig thematisiert, worin die Gründe für die aktuelle Aufmerksamkeitsexplosion bestehen. Warum jetzt? Was sagt es über die Gegenwart, wenn die Geschichte wieder zum Gegenstand einer erbitterten, häufig polemischen Auseinandersetzung wird? Was wir im Kern beobachten, sind die Effekte der Ablösung eines Erinnerungsregimes durch ein anderes: Das historische Narrativ der Nachkriegszeit (Erinnerung I) wird durch einen veränderten Erfahrungshaushalt in der globalisierten Gegenwart herausgefordert oder zumindest ergänzt (Erinnerung II). Die Erinnerungsdebatte ist dabei nur die Oberfläche, unter der grundlegende gesellschaftliche Veränderungen liegen, die keineswegs auf Deutschland beschränkt bleiben.
Karl Alber Verlag, 2021
Im Jahre 1959 erschien die berühmte Schrift „Kritik und Krise" im Verlag Karl Alber. 62 Jahre später setzt sich dieser interdisziplinäre Sammelband das Ziel, die Rezeption des Koselleck‘schen Denkens auf internationaler Ebene zu studieren und das Spektrum der Themen und Perspektiven, in denen es angegangen wird, zu erweitern. Er bringt Spezialisten seines Werkes (Geschichtstheoretiker, Germanisten, Historiker, Philosophen usw.) zusammen, die ihre unterschiedlichen Lese- und Interpretationsweisen von Koselleck vorstellen und diskutieren sowie dabei seinen Beitrag und seine Originalität untersuchen.
Kulturelles Gedächtnis und Holocaust. Über den Umgang mit Darstellung und Erinnerung am Beispiel des Romans „Chronik einer fröhlichen Verschwörung“. Mit einer Analyse zum intertextuellen Verfahren des Autors Richard Schuberth, 2018
Ausgangspunkt folgender Arbeit ist, dass es eine kollektive Erinnerung an den Holocaust in den zentraleuropäischen Ländern und darüber hinaus gibt, die zugänglich ist und somit ein bewusstes Element des kulturellen Gedächtnisses bildet. Mit der zunehmenden Bedeutung von Erinnerungskonzepten und den technischen Aufschreibe- und Speichermöglichkeiten, die es erlauben, Erinnerungen dauerhaft zu speichern, ist es möglich, immer mehr Ereignisse dem kulturellen Gedächtnis zuzuführen. Dabei stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Erinnerung und Aufarbeitung des Holocausts als Thema in neuerer deutschsprachiger Literatur. Dieser Fragestellung wird anhand des Romans Chronik einer fröhlichen Verschwörung des Autors Richard Schuberth nachgegangen, der spielerisch, metareflexiv die Thematik von Darstellungsgebot und -verbot des Holocausts, sowie den literarischen Umgang um Illustration, adäquater Auseinandersetzung und Erinnerung in moderner Literatur zum Inhalt hat. Der Roman zeigt damit die Grenzen der jüngeren Auseinandersetzung mit dem Holocaust auf, indem er einerseits, den Versuch, den Holocaust über ein individuelles Schicksal literarisch zu bearbeiten, sowie parallel dazu, die Verhinderung dieses Vorhabens zum Thema seines Romans macht. Dies führt zur Frage, inwieweit Literatur selbst, in einem metafiktionalem Akt zu einem Teil des kulturellen Gedächtnisses beitragen kann, in dem sie fiktive oder reale Prozesse nacherzählt, um diese für die Zukunft zu erhalten und dabei selbst kanonisiert werden kann. Als grundlegende Methodik wird in einer hermeneutischen Lesart analysiert, wie im Roman damit umgegangen wird, Erinnerungen an ein, in das kulturelle Gedächtnis übergegangenes Ereignis, zugänglich zu machen. Dass dabei die Struktur des analysierten Romans, eng an das Konzept des kulturellen Gedächtnisses von Jan Assmann anknüpft und figurativ wiedergegeben wird, wird im ersten Teil dargelegt. Dass Literatur dabei selbst zu einem Teil des kulturellen Gedächtnisses werden kann und somit der Art, wie erinnert wird, soll abschließend in einer ersten Conclusio dargelegt werden. In einem zweiten Schritt wird das politische Schreiben des Autors Richard Schuberth und das intertextuelle Verfahren, dem er sich dabei bedient, analysiert. Der Autor verfolgt mit seinem schriftstellerischen Wirken eine, zumeist linke Kulturkritik. Diese, so die These, ist auch im Roman ersichtlich ist. Die thematischen Schwerpunkte in Schuberths Schreiben lassen sich mit Sprach- und Gesellschaftskritik, Anti-Essentialismus und der Bedeutung von Kultur und Ethnizität zusammenfassen. Dabei bedient er sich immer wieder bei vorangegangenen eigenen Publikationen und webt die darin angestellten Reflexionen als versteckte Zitate in den Roman ein. Dass dies zu einer teilweisen Aufhebung von Autor und Erzähler bzw. Figuren führt, ist Inhalt des zweiten Teils.