(2015) Trauma und gesellschaftlicher Kontext (original) (raw)
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Trauma - aus der Perspektive eines Psychoanalytikers. Eine Buchbesprechung [2011]
Phänomenal - Zeitschrift für Gestalttheoretische Psychotherapie, 2011
Summary in English (text in German): Mathias Hirsch is a specialist in psychiatry and psychotherapeutic medicine, psychoanalyst, group analyst, lecturer at the University of Hamburg and honorary member of the Psychoanalytical Seminary in Vorarlberg. As an author he has published on various topics, with traumatisation one of his main areas of expertise. In the series "Analyse der Psyche und Psychotherapie" his latest book "Trauma" has recently been published, in which Hirsch presents basic concepts of psychoanalysis on this topic in a concise yet very precise manner. Zusammenfassung: Mathias Hirsch ist Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker, Gruppenanalytiker, Lehrbeauftragter der Universität Hamburg sowie Ehrenmitglied des Psychoanalytischen Seminars in Vorarlberg. Als Autor ist er zu verschiedenen Themenbereichen hervorgetreten, wobei Traumatisierung einen seiner Forschungsschwerpunkte darstellt. Nun ist in der Reihe „Analyse der Psyche und Psychotherapie“ jüngst sein neuestes Buch mit dem Titel „Trauma“ erschienen, in welchem Hirsch knapp und dennoch sehr präzise grundlegende Konzepte der Psychoanalyse zu diesem Thema darstellt.
Journal Fur Psychologie, 2011
Zusammenfassung Unter respektvoller Berücksichtigung konventioneller diagnostischer und therapeutischer Zugänge zum Thema Krisen und Trauma wird ein Perspektiven-und damit Paradigmenwechsel vorgeschlagen, der kurzfristig auf notfallpsychologischen Akutinterventionen, mittel-und langfristig auf der konsequenten Implementierung von gesundheitsfördernden Rahmenbedingungen bzw. Strategien basiertund somit insgesamt auf die Prävention von Traumafolgeerscheinungen bzw. eine explizite Fokussierung auf Ressourcen und Gesundheit abzielt.Ausgehend von praktischen Erfahrungen mit Jugendlichen am äußersten Rand der Gesellschaft (die in diesem Kontext als RepräsentantInnen besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen zu verstehen sind) wird ein Modell präsentiert, das die konventionellen Grenzen der kurativen Traumatherapie überschreitet und stringent dem Paradigma der Gesundheitsförderung folgt.Zentral erscheint in der Auseinandersetzung letztlich die Entwicklung einer genuin gesundheitsfördernden Haltung. Diese impliziert neben der Bereitschaft zur tatsächlichen Ermächtigung der Klien-tInnen eine Konzentration auf die Rahmenbedingungen der Entwicklung von Gesundheit und damit die bewusste Integration der Gemeinschaft / des Gemeinwesens in sämtliche so genannte HelferInnensysteme, aber auch und vor allem eine schonungslose Reflexion des Selbstverständnisses als psychosozialeR Arbeite
In den letzten Jahren erfuhr nicht nur der Begriff des Traumas einen massiven Aufschwung, sondern damit einhergehend auch die Idee, dass Kollektive oder gar ganze Gesellschaften durch erschütternde historische Ereignisse ein Trauma erlitten hätten. Spätestens seit den Anschlägen auf das World Trade Center vom 11. September 2001: Begriff des ›kollektiven Traumas‹ in aller Munde. Er, oder zumindest die Idee für die er steht, taucht mittlerweile in fast allen Debatten auf, in denen die Folgen gesellschaftlicher Gewaltereignisse oder -verhältnisse diskutiert werden. In den Blick genommen werden dabei neben 9/11 die Auswirkungen so unterschiedlicher Ereignisse und historischer Konstellationen wie die Bürgerkriege in Rwanda und im exjugoslawischen Raum, der Holocaust -sowohl im Bezug auf die israelische wie auf die postnationalsozialistische deutsche Gesellschaft -, die israelische Besatzung Palästinas, die Apartheid in Südafrika und zuweilen sogar Polit-oder Medienereignisse wie z.B. die Ermordung von John F. Kennedy, die die Welt, eine Nation oder bestimmte Minderheiten in ihr erschütterten. Diese Ereignisse hätten, so die Idee, tiefe Wunden in die betroffenen Nationen, Gesellschaften oder Gruppen gerissen, unterlägen einer emotionalen und diskursiven Abspaltung und zeichneten spezifische Wirkungen, die den Symptomen gleichen, die traumatisierte PatientInnen in der klinischen Praxis zeigten. Das gesellschaftliche Klima sei geprägt von emotionaler Stumpfheit, Teilnahmslosigkeit, Freudlosigkeit und alle Aktivitäten und Situationen, welche Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten, würden rigide zu vermeiden versucht. Diese Vermeidungsabsicht ist mit einer Überaufmerksamkeit verbunden, und wenn die Erinnerung dann doch einmal durch eine gegenwärtige Situation wachgerufen wird, zeigt sich eine große Erregtheit, die immer wieder in aggressiven Ausbrüchen und irrationalen Handlungen terminiere. Häufig wird auch die lange traumatypische Latenzzeit bis zum Ausbruch der Symptome beschrieben: Oft dauert es Jahrzehnte, manchmal mehrere Generationen, bis ein solcher Zeitkollaps zu verzeichnen sei, d.h. bis die Erinnerung wieder angerührt wird und die frühen traumatischen Gefühle wieder über die Nation hinwegrollt. Bis dahin lebe sie in scheinbarer Normalität, die aber nur eine prekäre Pseudonormalität darstelle.
Das Bewusstsein in der traumatischen Kultur
In dieser Arbeit werden die vornehmlich individual-pathologischen Erkenntnisse der Psychotraumatologie zu einem Konzept des stabilisierten traumatischen Bewusstseins (KtB) ausgearbeitet, wodurch die Herrschaft von Trauma als kulturelle Bewusstseinsform sichtbar wird. Wir blicken heute auf eine lange Kultur der Psychotraumatisierung von Kindern zurück, die in der Aufklärung als Erziehung rationalisiert wurde. Die unerträgliche Ausgeliefertheit gegenüber erzieherischen Zurichtungen wird von den kindlichen Opfern durch Dissoziation bewältigt, die zu einer Reihe von Privationen des Bewusstseins, wie Körperlosigkeit, Gefühllosigkeit und Beziehungslosigkeit führt. Kontroll-und Machtphantasien und Reinszenierungen der traumatischen Situation sind einige produktive Elemente von Trauma als Bewusstseinsform. Weil wir in einer traumatischen Kultur leben, passen sich die herrschenden Denkformen, insbesondere der Sozialwissenschaften, dem traumatischen Bewusstsein an. In der Anwendung des KtB auf die sozialwissenschaftliche Disziplin der Volkswirtschaftslehre offenbart diese zahlreiche traumatische Aspekte. In den mathematischen Modellen der Volkswirtschaftslehre zeigt sich die Sprachlosigkeit gegenüber realwirtschaftlichen Phänomenen. Jene Modelle basieren nahezu alle auf der komparativen Statik, sind also fundamental zeitlos. Auch die Geschichtslosigkeit des traumatischen Bewusstseins zeigt sich darin, dass die Dogmengeschichte zunehmend aus den Lehrbüchern verschwindet, die ökonomischen Gesetze als ewig gültig dargestellt werden und mit fiktiven Zahlen statt realen Daten gerechnet wird. Das ökonomische Menschenbild des Homo Oeconomicus ist durch fundamentale Gefühl-und Beziehungslosigkeit gekennzeichnet und das Grundziel der Volkswirte ist die Berechnung (Kontrolle) und Steuerung ökonomischer Akteure durch Anreize (Macht). Dies und mehr deutet auf eine enge Verwandtschaft ökonomischer und traumatischer Denkformen. Weil wir in einer traumatischen Kultur leben, denken wir gewöhnlich im traumatischen Bewusstsein und können deshalb nicht darüber denken. Diese Arbeit will dieses Reflexionsdefizit am Beispiel der herrschenden Ökonomik beheben.
Bei der brasilianischen Religion Umbanda – die sich im Bundesstaat von Rio de Janeiro am Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Grundlage von afrikanischen, indigenen und europäischen Religionen bildete – steht die Kommunikation mit Geistwesen im Zentrum, die an die brasilianische Geschichte erinnern. Seit den 1940er Jahren ist sie weltweit verbreitet und ab ca. 2010 auch im Zuge der transatlantischen sakralen Globalisierung im deutschsprachigen Europa angesiedelt. Dennoch ist ihre Ausbreitung bislang kaum erforscht. Inga Scharf da Silva schließt hier eine Forschungslücke, indem sie sich auf der Grundlage einer über fünfjährigen ethnologischen Feldforschung mit der spirituellen Gemeinschaft des Ilê Axé Oxum Abalô (auch Terra Sagrada genannt) befasst, die ihr Mutterhaus in den Schweizer Bergen im Kanton Appenzell verortet und mit sieben Ablegern in Graz und Wien, Zürich und Bern, Berlin und Cumuruxatiba in Brasilien ein überregionales Netzwerk bildet. Jedes Kapitel der Studie wird durch...
Trauma und Film. Inszenierungen eines Nicht-Repräsentierbaren. Einleitung
2012
Kaum ein anderes Medium scheint besser geeignet, traumatische Verletzungen zu visualisieren und zu speichern, zu kommunizieren und zu transformieren, als der Film. Er macht sie sichtbar, indem er sie als Wunden ausstellt, er öffnet sie, legt den Finger in sie hinein oder bepflastert sie. Dabei bereichert er um neue Interpretations- und Darstellungsweisen sowie symbolische Deutungsmuster. Der internationale, interdisziplinäre und bilinguale Sammelband mit Beiträgen von Geistes- und MedienwissenschaftlerInnen widmet sich der Paradoxie scheinbar un/sagbarer und un/darstellbarer historischer Traumata. Diese lassen ein bewusstes Erinnern und eine adäquate Repräsentation des traumatisierenden Geschehens zunächst scheitern. Abgesehen von dieser Lücke bildet das „Trauma“ jedoch eine besondere zeitliche Struktur der Nachträglichkeit und Latenz, Indexikalität und Wiederholung aus. Diese ‚traumatische Zeitform‘, die in Alpträumen, Flashbacks, Loops, Halluzinationen und anderen Geisterscheinungen Ausdruck findet, lässt Parallelen zur Zeitlichkeit und Ästhetik des Films erkennen. Entlang klinischer, theoretischer und kultureller Traumakonzeptionen werden Spielfilme aus den letzten Jahrzehnten und unterschiedlichen nationalen Kontexten untersucht, in denen individuelle und kollektive Traumata – unter anderem in Verbindung mit der Shoah/dem Holocaust, dem Vietnamkrieg, den Irakkriegen, dem Israel-Palästina-Konflikt und 9/11 – inhaltlich und strukturell sowie ästhetisch-narrativ gestaltet werden.
Krisenbilder im Kontext der Kommunikation von Gewalt Trauma in Kategorien
Krisenbilder im Kontext der Kommunikation von Gewalt Trauma in Kategorien, 2011
Es existiert eine Art „Kommunikation von Gewalt“ im Sinne der Bildkommunikation von und mit Krisenbildern. Dabei handelt es sich um ein bildästhetisches Erlebnis, welches in vielerlei Hinsicht ein Trauma entstehen lässt – wie kann man dieses Trauma kategorisch erfassen, es analysieren, teils um es zu verarbeiten? Eine Arbeit über das Betrachten "des Leids der Anderen", am Beispiel von professionellen und leienhaften Fotografien der Gewalt. Blick in die Geschehen der grünen Revolution von 2009 (Iran), aus einer Zeit in der ein vermeintlicher Revolutions-Spirit im Mantel von Social-Media-Positivismus stand. Aufstellung einer neuen Betrachtungskategorie: Die Intervisualität von Traumata durch das Betrachten von Gewaltbilder (in Anlehnung an Intertextualitätstheorien (Kristeva, Genette) und R. Barthes' Denkfiguren "punctum" und "studium").
Aus politischen Gründen - zum Umgang mit Merkmalen eines Traumatextes beim Comicübersetzen
Transposition, Migration und KörperGrenzen in der Romania, 2023
In diesem Beitrag reflektiere ich als Übersetzerin über die Arbeitsschritte und Herausforderungen im Rahmen meiner Übersetzung einer Graphic Novel über die Lebensgeschichte von Simón Radowitzky. Der jüdische Anarchist kam 1891 in Stepan, Ukraine, zur Welt und starb 1956 in Mexiko-Stadt. Die Graphic Novel- Biografie des argentinischen Zeichners Agustín Comotto erschien original unter dem Titel 155 Simón Radowitzky (Nørdica Cómic, Madrid 2016) und deutsch in meiner Übersetzung 2019 bei bahoe books (Wien) unter dem Titel Simón Radowitzky. Vom Schtetl zum Freiheitskämpfer. Sie wurde auch ins Englische übersetzt, Prisoner 155: Simón Radowitzky (AK Press, 2018, Übersetzung: Luigi Celentano).