Das Buch in der Codexform und einblättrige Lesemedien (original) (raw)
2015, Lesen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Hrsg. von Ursula Rautenberg und Ute Schneider. Berlin/Boston
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Lesen ist eine der wichtigsten traditionellen Kulturtechniken und war die wesent liche Voraussetzung für die kulturelle Entwicklung des Menschen und die Formierung von Gesellschaften. In der modernen Informations-und Wissensgesellschaft hat das Lesen einen hohen Stellenwert, gilt Lesekompetenz doch als Schlüssel zu Bildung, Wohlstand und politisch-gesellschaftlicher Teilhabe und Mitsprache. Der Kommunikationswissenschaftler Ulrich Saxer (1931-2012) hat daher -in Anlehnung an den französischen Soziologen Marcel Mauss -pointiert vom ›Lesen als Totalphänomen‹ gesprochen. In der medialen Agenda und damit der Öffentlichkeit, aber auch in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik, hat das Thema in den letzten Jahren nochmals an Bedeutung gewonnen. Angesichts des ›PISA-Schocks‹, 2001 ausgelöst von einer ersten international vergleichenden Leistungsbewertung von Schülern (Programme for International Student Assessment der OECD) mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen zur Lesekompetenz deutscher Schüler, aber auch angesichts von ca. 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 64 Jahren, die die »leo. Level-One Studie« der Universität Hamburg für Deutschland 2011 errechnet hat, ist dies nicht weiter verwunderlich. Hinzu kommt ein Weiteres: die Veränderungen von Lesemedien und Lesekultur durch Digitalmedien. In der Alltagswelt besonders sichtbar wurde das Diskursphänomen ›digitales Lesen‹ durch den Markteintritt der rasch erfolgreichen Lesegeräte, Sony Reader (2008) und Kindle (Amazon, 2009), sowie die Tablets, mit denen das mobile Lesen von E-Books auf dem deutschen Publikumsmarkt Fuß fassen konnte, und weiter mit den sog. Social Media, die über alle Arten von Endgeräten, besonders aber die mobilen, ständige Begleiter vieler meist jüngerer Nutzer sind. Im Rahmen digitaler schriftbasierter Medien wie E-Mails, Weblogs, Wikis und Foren etc. entstehen neue Kommunikationsformen, die Lese-wie Schreibkompetenz erfordern,1 auch wenn im teils kulturpessimistischen medialen Rauschen vor einer Digitalen Demenz -so der Titel eines 2012 erschienenen Buchs des Psychiaters Manfred Spitzer -gewarnt wird.2 Das vorliegende Handbuch versucht dem ›Totalphänomen Lesen‹ aus unterschiedlichen Forschungsperspektiven gerecht zu werden; es trägt daher den Titel Lesen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Vor mehr als vierzig Jahren (1973) ist unter dem Titel