Zum Begriff der Region/On the concept of ‚region’ (Vortrag Timisoara 2007) (original) (raw)
Wer sich wissenschaftlich mit einem Gegenstand wie dem der Region beschäftigt, sieht sich zunächst zu einer Klarstellung genötigt: Die Analyse von Regionen: die gegenstandstheoretische Bestimmung von bestimmten Regionen wie die Bestimmung des Begriffs der Region, ist von der praktischen Wertung des Gegenstands und von den politischen Folgerungen, die aus bestimmten Ergebnissen einer wissenschaftlichen Analyse gezogen werden, klar zu unterscheiden. Auf der Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Forschung, die sine ira et studio zu erfolgen hat, ist zu bestehen. [[Wie schwierig dies ist, zeigt sich noch bei so klaren Analytikern wie Pamela Ballinger, wenn sie etwa die Formulierung wählt: "anthropologists and other social actors". Anthropologen qua Anthropologen sind eben keine sozialen Akteure, qua Wissenschaftler sind sie unpraktisch. Dass sie einerseits, durch ihre Forschungen dazu animiert, qua Intellektuelle praktisch tätig werden können, ist dabei ebensowenig ausgeschlossen, wie dass ihre Forschungsergebnisse von sozialen Akteuren als Waffen im politischen Kampf benutzt werden können. Ihrem eigenen politischen Engagement wie der antizipierten möglichen Verwendung ihrer Forschungsergebnisse dürfen sie aber auf ihre Forschung keinen hemmenden Einfluss einräumen.]] Eine weitere Schwierigkeit, der sich Wissenschaftler, die sich dem Gegenstand ‚Region' zuwenden, stellen müssen, ist die konstruktivistische Destruktion ihres -und vergleichbarer -Gegenstände. Als Gegenbewegung zu einem substantialistischen oder essentialistischen Verständnis von Gegenständen wie Region, das sich zudem häufig in den Dienst praktischer Interessen stellte, hat lange Zeit eine scheinkritische Strömung in den Sozialwissenschaften dominiert, die -sei es ideologiekritisch, sei es diskurstheoretisch, wissenssoziologisch oder wie auch immer -den genannten Essentialismus als durch Machtinteressen oder zumin-* Vortrag auf der 4. Konferenz der Internationale Vereinigung für Südosteuropäische Anthropologie (InASEA) "Regionen, regionale Identitäten und Regionalismus im südöstlichen Europa", die vom 24. bis zum 27. Mai 2007 an der West-Universität, Timisoara, Rumänien stattfand. T. Loer, Zum Begriff der Region (Timisoara), Fassung vom 25.05.2007, 16:00 2/12 thomas.loer@udo-edu dest Machtmechanismen bestimmt, entlarvte. Scheinkritisch nenne ich diese Wissenschaftshaltung solange, solange sie den Gegenstand selbst, der einzig die Basis einer wissenschaftlichen Kritik seiner falschen Konzeptualisierung abgeben könnte, zum bloßen Konstrukt degradierten und damit destruierten. Dann nämlich bleibt ihnen letztlich nur übrig, im Zuge einer politischen Kritik eine Gegenmacht aufzubauen. Der Analyse der Sache selbst ist dies nicht dienlich.