Resilienz – Das hübsche und das hässliche Gesicht (original) (raw)
Resilienz ist, auch im deutschsprachigen Raum, ein Modewort geworden. Noch ist es-anders als 'Nachhaltigkeit'-nicht in der Alltagssprache angekommen. Die Statistiken von Google Books zeigen jedoch, wie der Gebrauch des Begriffs in der Literatur stetig zunimmt. Resilienz meint die Fähigkeit von biologischen Systemen, stabile Zustände unter internem oder externem Druck erfolgreich aufrecht zu erhalten oder diese Stabilität nach einer Krisenphase wieder zu erreichen. Dies gilt für Einzelindividuen, seit den 1970er Jahren von der Psychologie erforscht, bis zu post-modernen Megacities (Science 2016). Interessant ist, dass die Faszination für dieses Thema in eine Zeit, ja eine Epoche, fällt, die von zunehmender Unsicherheit, von Ängsten, von globalem Verlust bestehender Machtsphären, und natürlich auch in eine Zeit zunehmenden Bewusstseins des aktiven, bereits jetzt regional verheerenden globalen Klimawandels fällt. Kein Abschnitt der bisherigen Menscheitsgeschichte war jemals zuvor durch derartige, gewaltige Herausforderungen gekennzeichnet-so wird die Periode auch als "Great Acceleration", als die große beschleunigung bezeichnet (Steffen u.a. 2015a; 2015b). Seit den 1970er Jahren wächst die bewusste oder auch unbewusste Furcht vor dem Zusteuern auf einen globalen tipping point, auf eine Umkehr des Wachstums und den Ausbruch von Chaos und Zerstörung – eine weltweite complexity cascade. Daher nimmt es nicht wunder, wenn nun überall nach Lösungen gesucht wird und die Mechanismen des eigentlich vagen Phänomens Resilienz in vielen Wissenschaftsdisziplinen aber auch der breiten Öffentlichkeit und der Politik untersucht werden – dies tatsächlich schon seit etlichen Jahren. In den Archäologien – mittlerweile auch aufmerksam geworden und angesichts enger werdender Budgets im Rechtfertigungsdruck um Aktualismus bemüht – ist die Erforschung der Resilienz vielfach eng verknüpft mit dem der Adaptiven Zyklen. Dieses komplexe Denkschema sieht einen regelhaften Wandel in der Wirkkraft von Resilienz in Verbindung mit anderen Parametern und geht zurück auf antike und mittelalterliche Konzepte wiederkehrender historischer Abläufe (Gunderson/ Holling 2002; Gronenborn u.a. im Druck). Archäologie – Retter in der Not oder romantisierende Flucht?! Einst aus der Umweltwissenschaft übernommen, werden die Konzepte Resilienz und Adaptive Zyklen mit der üblichen 5 bis 10-jährigen Verzögerung zwischen englischem und deutschem Sprachraum mittlerweile auch in Mitteleuropa eingesetzt. Sie entsprechen damit dem Bedürfnis vieler Vertreter des Faches, nicht nur gegenwartsbezogen, sondern gar gesellschaftlich notwendig zu erscheinen. Umweltgeschichtliche Diskurse finden Gehör in unserer Zeit, in der die Auswirkungen der Globalen Erwärmung zunehmend für alle spürbar werden und wir uns fragen, wie wohl alles hat kommen können. Zudem lassen romantisierende Vorstellungen von vergangenem Leben hoffen, dass vielleicht in der Tiefe der Zeit Antworten gefunden werden können, wie den zukünftigen Umwelt-und Klimakatastrophen denn begegnet werden kann. Solche Ansätze sind allerdings – wenn unreflektiert vorgetragen – problematisch, verkennen sie doch die Skalenunterschiede zwischen etwa der Umweltbilanz antiker Städte und dem modernen New York. Auch die schöne Idee, dass vergangene Gesellschaften weitgehend nachhaltig gewirtschaftet hätten, wird relativiert. Die Populationszyklen ab dem Beginn der Landwirtschaft zeigen recht deutlich, dass die Bevölkerungen unter günstigen Umständen rasch stark ansteigen konnten, dann aber bei Erreichen bestimmter Schwellenwerte ebenso rasch wieder zusammenbrachen (Boquet-Appel 2011; Gronenborn u.a. 2014; im Druck). Offensichtlich neigte der Mensch auch in weit zurückliegenden Perioden dazu, bis an die