Jacobs 2002, Die Galerien der Ahnen des Königs Antiochos I. von Kommagene auf dem Nemrud Dağı (original) (raw)

J. M. Højte (ed.), Images of Ancestors, Aarhus Studies in Mediterranean Antiquity V (Aarhus 2002) 75-88

Die Ahnengalerien des Antiochos I. auf dem Nemrud Dağı illustrieren ausführlich eine Gegebenheit, die schon bei den meisten älteren Bauprojekten des Königs im Hintergrund stand, nämlich seine Abstammung aus griechischem und iranischem Geschlecht. Das religiöse Anliegen, die Ahnenverehrung, wird unter einem Aspekt vorgetragen, der deutlich auf die Interessen des Grabherrn zielt. So scheint der Ahnenkult in der religiösen Praxis auch nicht die überragende Bedeutung gehabt zu haben, die man nach dem Umfang vermuten könnte, den die Ahnenreliefs innerhalb des Ausstattungsprogramms des Heiligtums auf dem Nemrud Dağı einnehmen. Dafür, dass ihnen so breiter Raum gegeben wurde, scheint eine profane Zielsetzung verantwortlich gewesen zu sein. Im Verlaufe der Arbeiten am Heiligtum rückte der gleichsam biographische Charakter des Programms immer deutlicher in den Vordergrund. Das ursprüngliche Vorhaben, die Vorfahren abzubilden, wurde dahingehend abgewandelt, dass Antiochos auch verstorbene Verwandte und schließlich sogar lebende Familienangehörige abbilden ließ. Eine Deszendenz wie die des Antiochos war im kleinasiatischen Raum keineswegs einzigartig, und so stellt sich die Frage, warum sie an der Begräbnisstätte des Königs so ausführlich thematisiert wurde. Eine Erklärung mag sein, dass nur das eigene Grabheiligtum zwanglos Gelegenheit zu einer so umfangreichen Darstellung der persönlichen Verhältnisse bot. Antiochos präsentierte sich selbst in aller Ausführlichkeit als Verkörperung seiner synkretistischen Religionspolitik. Zudem spiegelte er sich im Ruhm der bedeutenden Vorfahren, denen tatsächlich eine Sonderstellung in der für seine Zeit überschaubaren Historie zukam. Hinter der aufwendigen Herstellung der zahlreichen Reliefplatten stand also weniger der Wunsch, die Ahnen durch ein Denkmal noch einmal in außerordentlicher Weise zu ehren, als der Selbstdarstellung eine besondere Note zu geben.