Sven Mahmens, "Milena Svec Goetschi. Klosterflucht und Bittgang: Apostasie und monastische Mobilität im 15. Jahrhundert," in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken (QFIAB) 96 (2016): 615-617. (original) (raw)

Das Buch basiert auf einer 2012 unter Ludwig Schmugge (heute Rom) und Claudia Zey gefertigten, an der Universität Zürich eingereichten Dissertation. Es widmet sich dem Thema der unerlaubten Klosterflucht (Apostasie) und des erlaubten Klos-terwechsels (Transitus) – die Zusammenschau beider Phänomene erweist sich als überaus sinnvoll, wird doch der Transitus als " legale Alternative zu Apostasie " (S. 97) gedeutet. Nach Schilderung der rechtlichen Bestimmungen und Rahmenbedingun-gen für beides, im Zeitverlauf und differenzert nach den Orden, kommt Svec Goetschi zu zahlenmäßigen Untersuchungen nach verschiedenen Kriterien (Geschlechterver-hältnis, Bittschriftendichte im Zeitverlauf der Pontifikate, Verteilung nach Ordenszu-gehörigkeit und Diözesen usw.). Die Autorin differenziert ihre Untersuchung jeweils nach dem Geschlecht, da sich je nach Geschlecht unterschiedliche Handlungsnot-wendigkeiten und-bedingungen zeigen. Grundlage der Quantifizierungen bilden Bittschriften an den Papst zum Thema Apostasie oder Transitus. Bei der Apostasie steht im Zentrum die Frage nach dem Handlungsspielraum der entlaufenen Reli-giosen und dem Ausmaß ihrer Ausgrenzung (S. 40), der sich als wesentlich größer bzw. die sich als wesentlich geringer erweist als man annehmen würde (siehe etwa nur die erste Fallstudie unten). Die herangezogenen Bittschriften reichen bis 1492, in den Fallstudien dagegen wird der Zeitrahmen noch bis auf die Reformationszeit ausgeweitet. Den quantifizierenden Auswertungen folgen Fallstudien. Es sind fünf Fallkomplexe aus den Diözesen Augsburg und Konstanz, die aus Gründen der guten Überlieferungslage in partibus gewählt wurden. Zunächst wird der Fall der Kloster-flucht von Mönchen des Reichsstifts Ottobeuren 1471 im Kontext eines längerwierigen Konfliktes (1467–86) behandelt (S. 211–272) – der Fall beleuchtet die Einflussnahme von Landesherren, die Abläufe päpstlich delegierter Untersuchungen und führen zur Korrektur des Bildes von exkommunizierten Mönchen als In-die Ecke-Gedrängte in Richtung auf bestehende beachtliche Handlungsoptionen, die aufgrund von Netz-werken ausgeübt werden konnten. Das zweite Beispiel betrifft den eigensinnigen Mönch Gallus Kemli (1417–1481) (S. 273–279), der in 35 Jahren munter zwischen aller-hand Klöstern hin-und herwanderte und auch außerhalb der Klöster verweilte – von stabilitas loci keine Spur! Er ist ein Extrembeispiel von Unstetigkeit, zeigt aber auf, was eben in dieser Zeit auch möglich war. Der Fall der Rückführung eines entlaufe-nen Benediktiners adliger Herkunft in sein Kloster 1497 (S. 279–287) zeigt beispiel-haft das Vorgehen des brachium seculare ebenso wie der Fall zweier Dominikaner-Tertiarinnen aus Winterthur 1511, von denen die eine ein uneheliches Kind von einem Kleriker zur Welt gebracht hatte und bereits 1505 einmal aus den Kloster geflohen war (S. 288–297). Beide Fälle bilden sozusagen gemeinsam die dritte Fallstudie. Der vierte Fall ist derjenige spezielle von St. Katharinental 1529 mit einer Massenflucht nicht aus dem Grunde dem Kloster zu entfliehen, sondern im Gegenteil: dort bleiben

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Filip Charvat, dt. Übersetzung von Hlaváček, Ivan: Rezension über: Milena Svec Goetschi, Klosterflucht und Bittgang. Apostasie und monastische Mobilität im 15. Jahrhundert, Köln: Böhlau, 2015, in: Český časopis historický, 2016, 2, S. 523-524, DOI: 10.15463/rec.935269085

Milena SVEC GOETSCHI Klosterflucht und Bittgang. Apostasie und monastische Mobilität im 15. Jahrhundert (= Zürcher Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. 7) Köln-Weimar-Wien, Böhlau Verlag 2015, 550 s., ISBN 978-3-412-50152-5. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine leicht überarbeitete Dissertationsschrift. Die Autorin, eine Schweizer Tschechin (gegenwärtig habe ich es hier mit der schon dritten mir bekannten Schweizer Mediävistin tschechischer Herkunft zu tun), hat sich hierfür ein sehr interessantes, im Mittelalter buchstäblich allgegenwärtiges, bisher dabei nicht umfassend bearbeitetes Thema ausgesucht. Die Rückkehr aus der geistigen in die weltliche Lebenssphäre war damals sowohl bei Männern, wie auch Frauen der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten eine offensichtlich alltäglichere Erscheinung, als man meint. Die Gründe, die hierzu im Einzelnen geführt haben mögen, waren verschiedenartig wie das Leben selbst. Sie wurden akzeptiert oder verurteilt je nach dem, ob sie auf Zustimmung trafen oder ob es sich um eher spontane Handlungen ohne höheren Segen handelte und natürlich auch je nach dem, wie sich das betreffende Subjekt verhalten haben mochte. Die Apostasie, der Abfall, hat im kirchlichen Kontext Grade, die sich ungefähr so charakterisieren lassen, dass der erste einen Abfall vom Glauben bedeutet, der zweite in einer Verletzung der Ordensgelübde bestand (apostasia a religione est criminosa discessio… non redeundi ad institutum regulare) und der dritte schließlich im Verlassen des geistigen Standes. Aus dieser sehr breiten Problematik wählt die Autorin den zweiten Grad aus, der – wie ihre Arbeit belegt – der in der Kirche der zweifellos am meisten verbreitete war. Wenngleich sich die Autorin auf Mitteleuropa beschränkt, behält sie aufgrund der Forschungsliteratur auch andere Territorien im Blick. Diese Art der Apostase gibt es häufig in England, das eine spezifische Stellung einnimmt.

Svec Goetschi, Milena: Klosterflucht und Bittgang. Apostasie und monastische Mobilität im 15. Jahrhundert, Wien, Köln, Weimar 2015 (Zürcher Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Bd. 7). [Volltext Open Access]

Der Mönch gehört ins Kloster wie der Fisch ins Wasser – so ein mittellateinisches Sprichwort. Manchmal aber brachen Ordensleute die Gelübde und kehrten unerlaubt in das Diesseits der spätmittelalterlichen Gesellschaft zurück. Die Studie behandelt den radikalsten Verstoß gegen die monastische Lebensweise, die Flucht aus dem Kloster und den Abfall von der Ordensgemeinschaft. Im Zentrum stehen knapp tausend Bittschriften aus dem römisch-deutschen Reich, überliefert in den Supplikenregistern der apostolischen Pönitentiarie sowie Kanzlei und Kammer, ergänzt mit lokalen Quellen. Die Untersuchung der Apostasie als Devianz von rechtlichen und gesellschaftlichen Normen bietet Erkenntnisse über Motive, Verbreitung, Prävention und Sanktionen und erklärt Divergenzen zwischen Norm und Praxis.

Ingolstadt oder Italien? Möglichkeiten und Grenzen akademischer Mobilität im Reich des 15. Jahrhunderts, in: Von Bologna zu ‚Bologna‘. Akademische Mobilität und ihre Grenzen (Itinera 31), hg. v. Tina Maurer/ Christian Hesse, Basel 2011, S. 23-45.

Die ERASMUS-Stipendien der Europäischen Union, die im Studienjahr 2008/09 fast 28 000 Studierende aus der Bundesrepublik Deutschland nutzten, um an einer Hochschule in einem anderen europäischen Land zu studieren oder ein Praktikum zu absolvieren, 1 stellen ein politisches Instrument dar, um akademische Mobilität im 21. Jahrhundert gezielt zu fördern. Das Programm soll «einen Teil der Mobilitätskosten tragen und es den Studierenden dadurch ermöglichen, einen Studienaufenthalt im Ausland zu verbringen, den sie sich sonst finanziell nicht leisten könnten». 2 Die Spannung zwischen den vielfältigen Vo rteilen eines Studienaufenthalts im A usland und den damit verbundenen ökonomischen und sozialen Kosten ist nicht nur eine Problemlage gegenwärtiger akademischer Mobilität, sondern stellte sich auch den Universitätsbesuchern im Spätmittelalter, obwohl die Studien-und L ebenswelten ansonsten wenig Gemeinsamkeiten aufweisen. Die überzeitliche Gegenwart des Phänomens weckt ein beständiges Interesse an der Thematik, wobei Geschichts-und Literaturwissenschaft bei ihrer Erforschung unterschiedliche Aspekte hervorhoben. Die literarische Überlieferung des Mittelalters etwa zeichnet ein faszinierendes Bild des fahrenden Scholaren. Dieser führt zwar ein ärmliches und einsames Leben, das aber zu weiten Teilen selbstbestimmt und frei von den sozialen Zwängen der ständischen Gesellschaft ist. Die sogenannte Va gantenbeichte des im Umfeld Rainalds von Dassel tätigen Archipoeta, 3 «nach Zahl der Handschriften wohl das verbreitetste aller weltlichen mittellateinischen Lieder», 4 wirkte dabei seit dem 12. Jahrhundert vorbildhaft für zahlreiche Studenten-und Trinkdichtungen. Die Auswirkungen dieser mobilen Form der Lebensführung werden aus der Perspektive *H erzlich danke ich Frau Dr. Stefanie Rüther (Münster) für die kritische Lektüre des Manuskripts und für ihre zahlreichen weiterführenden Anmerkungen. Herrn Prof. Dr. Rainer C. Schwinges, Frau Dr. Suse Andresen und den Mitarbeitern des Repertorium Academicum Germanicum (Bern) bin ich für die Erstellung und Überlassung der beiden Karten ebenfalls zu grossem Dank verpflichtet. 1V gl. Pressemitteilung des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes (DAAD) vom 13. 3. 2010

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