Der Senat und der Herrscherkult (original) (raw)
2016, 721. Der Senat und der Herrscherkult, in: Kaiserkult in den Provinzen des Römischen Reiches – Organisation, Kommunikation und Repräsentation, Akten der Tagung in Zürich 25.-27. 09. 2014, hg. A. Kolb - M. Vitale, Berlin 2016, 37-56
Der Senat war rechtlich für die Divinisierung eines verstorbenen Herrschers zuständig. Kein Senator hat sich diesem Ritual verweigert, wenn der Nachfolger die Divinisierung wollte, genauso ist aber nicht zu leugnen, dass sie ohne einen Beschluss des Senats nicht erfolgen konnte. Persönliche Folgen hatte ein solcher Beschluss für den einzelnen Senator nicht, es sei denn, er wurde als Mitglied in eine der Sodalitäten für einen der divi aufgenommen. Für das Prestige des Senators bedeutete dies nicht wenig, aber von ihm selbst wurde nichts verlangt. Wie jeder einzelne Senator persön-lich über einen divinisierten Kaiser dachte, war unerheblich. Die vergöttlichten Kaiser wurden jedenfalls nicht Teil der persönlichen Religiosität von Senatoren. Wenn man von sehr wenigen Senatoren absieht, die in julisch-claudischer Zeit kultische Monu-mente an divi errichteten, dann gewinnt man den Eindruck, dass die Verehrung von divi für Mitglieder des Senats keine Rolle spielte. Man hatte die Kaiser zu Lebzeiten zu oft in all ihren Schwächen erlebt. Weshalb sollte man sie nach ihrem Tod auch noch kultisch verehren? The Roman senate was legally responsible for the deification of a dead emperor. If the succeeding ruler was in favour of this, no senator would refuse to fulfil his ritual obligations. Deifications could only be effected by a resolution passed by the senate, and such resolutions had no direct consequences for an individual senator, apart from possible admission (or non-admission?) to the sodality of priests for the divi. This was one way in which a senator could gain prestige, but he was not really expected to participate. In practice, whatever an individual senator thought of a deified emperor, a divus did not have to be included in a senator's personal religious practices. With the exception of a handful of senators who erected cult structures for the divi during Julio-Claudian times, worship of divi does not seem to have played a particularly significant role for members of the senate. Since they all too often had first-hand experience of the emperors and their failings in real life, why should they have to worship them after their deaths? Ein Spannungsverhältnis zwischen einzelnen Personen, die für sich eine Sonderstel-lung innerhalb der res publica beanspruchten, und einem mehr oder minder großem Teil des Senats ist während der römischen Republik keine Besonderheit gewesen. Das gilt im Besonderen seit der Spätzeit der Republik, die schließlich in die langen Bür-gerkriege mündete. Auch als diese beendet waren und nach der offiziellen Rückkehr zur Ordnung der res publica in den Jahren 28 und 27 v. Chr. verschwand diese grund-sätzliche Spannung nicht, sie lebte fort.