Юрисдикция спартанских царей / The Jurisdiction of Spartan Kings / Die Rechtsprechung der spartanischen Könige [In Russian + German summary] (original) (raw)
A. V. Zaikov (= Andrey Zaykov) Die Rechtsprechung der spartanischen Könige (zur Interpretation von Herodot. VI 57, 4–5) Zusanmenfassung Eine Stelle bei Herodot (VI 57, 4-5), die den richterlichen Vollmachten der spartanischen Könige gewidmet ist, zeichnet sich, da der Autor auf jegliche Art von Erklärung verzichtet, durch einen Mangel an Deutlichkeit aus. Aus diesem Grunde sieht sich der heutige Interpret einer Reihe von Fragen gegenüberstellt, die nicht leicht zu beantworten sind. 1. Ist der äußerst seltene Terminus patrouchos nur ein Synonym für die gängigere Bezeichnung epikleros, oder verbirgt sich hinter ihm ein wesentlicher Unterschied? 2. Worin liegt das Wesen der gerichtlichen Vollmachten der spartanischen Könige? 3. Welchen Sinn mißt Herodot dem Ausdruck hodon demosieon peri bei? Der Interpret kommt zu folgenden Ergebnissen: 1. Eine Analyse der Stelle führt zu keiner Bestätigung der weitverbreiteten Ansicht, daß sich die spartanische Variante des Epiklerats grundsätzlich von seiner attischen Form unterscheide. Obwohl die dorische Spielart dieser Institution der Frau im Bereich der Geschäftsfähigkeit größere Freiheit einräumt, ist von einem prinzipiellen Unterschied des Status der lakonischen patrouchos und der attischen epikleros abzusehen. Herodot gebraucht den Terminus patrouchos nicht, um den Unterschied der in vollem Maße rechtsfähigen Spartanerinnen von den beinahe rechtlosen Athenerinnen auf dem Gebiet der Vermögens- und Erbschaftsregelungen hervorzuheben, sondern einfach deshalb, um der lokalen Sprachregelung Rechnung zu tragen. 2. Das Wesen der königlichen Vollmachten bei Verheiratung von Erbtöchtern bestand darin, im Falle mehrerer Bewerber eine Entscheidung zugunsten eines Bräutigams zu treffen, der bestimmte Bedingungen erfüllte. Wahrscheinlich lagen diese im Bereich des alten Sakralrechts und orientierten sich an dem gemeingriechischen Vorrecht, das dem von Vaters Seite her nächsten Verwandten eines Mädchens eingeräumt wurde. Bei einer Adoption war die Gegenwart des Königs unabdingbares Element im Rahmen eines streng formellen, feierlichen Zeremoniells. Die Entscheidungsgewalt des Königs in Fragen der Verheiratung von Erbtöchtern und seine Gegenwart bei Adoptionen waren dadurch bedingt, daß die Könige in Sparta hohepriesterliche Funktionen wahrnahmen und diese insbesondere mit dem Erbrecht verbunden waren. 3. Der Ausdruck hodon demosieon peri muß nicht in dem Sinne verstanden werden, daß er sich auf die “staatlichen Straßen” bezieht, sondern läßt sich als Hinweis auf die “staatlichen Missionen” oder “Reisen” deuten, “die im Auftrag der Gemeinschaft unternommen wurden”. Wenn diese Interpretation richtig ist, so wird genannter Punkt in Herodots Verzeichnis ьber die Vollmachten des Königs vollkommen verständlich: den Königen kam das ausschließliche Recht zu, darüber zu entscheiden (dikazein de mounous tous basileas), welche Bürger die Aufgaben der Pythioi (pythioi) wahrzunehmen, d.h. insbesondere, die staatlichen Gesandtschaften zum delphischen Apoll zu unternehmen hatten. Eine solche Interpretation verleiht der Herodotstelle logische Geschlossenheit: sämtliche richterlichen Vollmachten der spartanischen Könige werden somit erklärlich durch ihren unmittelbaren Zusammenhang mit deren sakraler Funktion. Mithin erübrigt es sich, bei der Deutung dieser Herodot-Stelle besonderes Gewicht auf den zweitrangigen Charakter der richterlichen Vollmachten der spartanischen Könige zu legen, denen nach Meinung vieler Forscher nurmehr ein unbedeutender Bruchteil der richterlichen Gewalt zukam, über die sie in alter Zeit angeblich verfügten. Bei Interpretation der vorliegenden Passage erweist es sich als weitaus wichtiger, die Aufmerksamkeit auf den Umstand zu lenken, daß den spartanischen Königen sakrale Funktionen auf die Dauer vorbehalten waren.