Kamenez-Podolsk. In: Martin Langebach und Hanna Liever (Hrsg.): Schatten von Auschwitz Spurensuche in Polen, Belarus und der Ukraine: begegnen, erinnern, lernen. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 2017.) (original) (raw)

Daniel Brewing: Im Schatten von Auschwitz. Deutsche Massaker an polnischen Zivilisten 1939–1945 (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2016).

Francia recensio, 2017

Deutsche Einheiten begangen im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Massaker an der zivilen Bevölkerung, vor allem in osteuropäischen Ländern. Alleine in Polen ermordeten die Besatzer etwa 1 Million Menschen (S. 291). Diese Morde fanden im Schatten von Auschwitz oder der Ermordung von 3 Millionen polnischen Juden statt, wie es Brewing metaphorisch im Titel ausdrückt. Obwohl die Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung in vielen Einzelstudien untersucht wurden, sind die Umstände und Hintergründe des Geschehens, wie seine aufschlussreiche Studie zeigt, im Detail immer noch kaum bekannt. Der Autor geht dem Thema auf den Grund und analysiert an aussagekräftigen Beispielen viele zentrale Aspekte dieser Problematik, wodurch er neues Licht auf die Ereignisse wirft und den Stand der Forschung voranbringt. Gleichzeitig schließt seine Studie jedoch auch methodologische Probleme ein, die sich aus einer nicht vollkommen überzeugenden Kontextualisierung und Konzeptualisierung des Themas ergeben bzw. die Folge der Nichtbeachtung bestimmter Quellen, Perspektiven, Publikationen und Forschungszweige sind.

Deutsch-polnische Erinnerungsorte. Band 2: Geteilt / Gemeinsam. Hrsg. von Hans Henning Hahn / Robert Traba unter Mitarbeit von Maciej Górny / Kornelia Kończal. Paderborn, München, Wien [usw.]: Schöningh, 2014. 732 S., 57 Abb. ISBN: 978-3-506-77339-5.

Der zweite Band des bi-nationalen und sehr umfangreichen Projekts der Erinnerungsorte bringt die bis jetzt mit wenigen Ausnahmen national-orientierte Forschung der Erinnerungsorte voran, indem er die Rezeption der Objekte um eine weitere nationale Perspektive erweitert und die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen ihnen erklärt. Er demonstriert aber auch, wo die Grenzen der geschichtswissenschaftlichen Erinnerungsforschung liegen. So werden den Lesern zahlreiche, meistens durch Intellektuelle oder Politiker erschaffene Bilder von für die kollektive Identität relevanten Gegenständen präsentiert, ohne dass die Geschichte dieser Objekte selbst eingehend beleuchtet wird oder dass vertiefende Forschung durchgeführt wird. So veranschaulicht die Erinnerungsgeschichte zwar, wie nationale Kollektive bestimmte Ereignisse, Personen oder geographische Orte in Erinnerung behalten bzw. wie die Erinnerung an diese Objekte konstruiert wurde und wie wechselhaft oder sogar widersprüchlich sie sein kann. Gleichzeitig lässt sie aber die Geschichte selbst am Ende eines langen Tunnels zufälliger oder absichtlicher Wahrnehmungen und Darstellungen klein und irrelevant erscheinen.

Martin Aust, Krzysztof Ruchniewicz und Stefan Troebst (Hg.), Verflochtene Erinnerungen. Polen und seine Nachbarn im 19. und 20. Jahrhundert

2011

Polen überfallen und unter sich aufgeteilt hatten. Sollte der russische Historiker Michail J. Geller recht haben, der seinem mehrbändigen Werk zur Geschichte des Russischen Reiches das Motto voranstellte: "Nichts ändert sich schneller als die Vergangenheit"? Werden doch nach jeder größeren politischen Umwälzung die Schulbücher für Geschichte neu geschrieben, Denkmäler und nationale Feiertage durch neue ersetzt, Straßen und Plätze umbenannt, Museen neu gegründet und alte umgewidmet. Gerade Polen und seine Nachbarländer haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrfach diesen Wechsel des historischen master narrative mitgemacht. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass diese Wandlungen nicht unabhängig voneinander, sondern in 1 Ein amerikanischer Student würde vermutlich den 7. Dezember 1941 (Pearl Harbor), ein chinesischer den 7. Juli 1937 (japanischer Angriff) nennen, und beide das kaiserliche Japan als Schuldigen benennen.

Deutsch-Polnische Erinnerungsorte. Bd. 4: Reflexionen. Hrsg. Von Hans Henning Hahn und Robert Traba unter Mitarbeit von Maciej Górny und Kornelia Kończal. Paderborn, München, Wien [usw.]: Schöningh, 2013. 393 S. ISBN: 978-3-506-77342-5.

Die in diesem Band präsentierten Beiträge stellen ein breites Spektrum von theoretischen Erinnerungsansätzen dar, gehen auf verschiedene Fragen des reflexiven Umgangs mit der Erinnerung ein und zeigen, wie die transnationale Erinnerung am deutsch-polnischen Beispiel funktioniert. Ebenso erklären sie den Einfluss verschiedener Disziplinen auf das Gedächtnis und setzten sich mit solchen Konzepten wie der Erinnerungskultur und der Gedächtnispolitik auseinander. Der Band zeigt, dass in Deutschland und Polen verschiedene thematische Schwerpunkte bei der Untersuchung der Erinnerung vorherrschen und dass bestimmte Fragen in den jeweiligen Ländern vermieden werden. Während sich die Erinnerungsforschung in Polen mit Fragen nach Stereotypen, nationalen Konzepten oder der Methodologie beschäftigt, spielt in Deutschland die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, die transnationale Geschichte und die Geschichtspolitik eine wichtige Rolle. Auffallend ist, dass der reflexive Umgang mit bestimmten Erinnerungsaspekten, die viele transnationale Elemente aufweisen und gerade in einem deutsch-polnischen Projekt eine wichtige Rolle spielen könnten, wie die Erinnerung an die polnische Beteiligung am Holocaust oder die deutsch-polnische Kollaboration im Zweiten Weltkrieg, von allen beteiligten Seiten ausgelassen wird.

[Rezension zu:] Sybille Steinbacher. Auschwitz: Geschichte und Nachgeschichte. München: C.H. Beck Verlag, 2004. 128 S. + 1 Abb. + 5 Kart. & Pl. broschiert, ISBN 978-3-406-50833-2

2004

Wie kein anderer Ort ist Auschwitz zu einem Synonym für die nationalsozialistische Terrorpolitik geworden. Mit Majdanek teilt die Stadt das Schicksal, sowohl ein Konzentrations- als auch ein Vernichtungslager beherbergt zu haben. Mindestens 1,1, möglicherweise sogar anderthalb Millionen Menschen wurden in Auschwitz ermordet, vor allem europäische Juden, aber auch nichtjüdische Polen, Sinti und Roma. Mit Monowitz und seinen Nebenlagern befand sich hier zudem "das erste von einem Privatunternehmen initiierte und finanzierte Konzentrationslager" (S. 43). Jenseits dieses dreiteiligen Lagerkomplexes sollte in Auschwitz eine deutsche Musterstadt entstehen. Auf den Reißbrettern nationalsozialistischer Visionäre avancierte die Stadt "zum Ideal ökonomischer Erschließung und rassischer Auslese, zum Zukunftsmodell der deutschen Herrschaft im eroberten Land" (S. 51). Kurzum: an keinem anderen Ort manifestierte sich die symbiotische Verbindung zwischen Lebensraum und Vernicht...