Geschlechtersensitive und partizipative Ethnografie im Kontext digitaler Medien (original) (raw)

Medien – Körper – Geschlecht. Diskursivierungen von Materialität, hrsg. mit Birtgit Riegraf & Sabine Mehlmann

2012

Die westliche Moderne hat eine Gesellschaft erschaffen, in deren Zentrum der Anspruch auf Emanzipation steht. Diese Freisetzungsprozesse erweisen sich jedoch als ambivalent: Einerseits produziert die gewonnene Freiheit Unsicherheit, andererseits entstehen neue Kontrollkreisläufe und subjektivierende Machtdispositive. Auch die Geschlechterordnung unterliegt diesen Prozessen. Die Kategorien »männlich«/»weiblich« verweisen immer weniger auf »natürliche« soziale Orte und Rollen. Die Beiträge des Bandes forschen Prozessen nach, in denen Selbst- und Körperbilder, Rollen, Normen und Handlungsweisen (re-)produziert werden. Dabei erweist sich, dass diese Prozesse in einem komplexen Verhältnis zu medialen Darstellungen und Diskursen stehen.

Netnographie - Ethnographische Methoden im Internet und posttraditionelle Vergemeinschaftungen

2009

Geht es um qualitiative Forschung im Internet, gelangt man schnell zu den Methoden der Ethnographie. Während in den frühen Jahren des Internets (als die "Neuen Medien" noch "neu" waren) das forschende Interesse v.a. dem Internet als einer eigenen-virtuellen-Welt ,in its own terms' galt, steht in den neueren Arbeiten der kulturelle Kontext, in dem Online-Interaktionen stattfinden und Sinn machen, im Vordergrund. Unabhängig voneinandeer wurden mehrfach auf das Internet anwendbare ethnographische Ansätze entwickelt. Die bekanntesten stammen von der britischen Soziologin Christine Hine ("Virtual Ethnography") und dem kanadischen Marketer Robert Kozinets ("Netnography"). Die Ansätze unterscheiden sich wenig in ihren Konzepten, mehr in ihren Anwendungsfeldern, die den unterschiedlichen Herkunftsfeldern ihrer Protagonisten entsprechen. Eng verbunden ist das Thema posttraditionaler Vergemeinschaftungen, die über das Internet entstehen, bzw. vorangetrieben werden. Die Teilhabe an Kommunikationsnetzwerken ermöglicht mehr und mehr deterritoriale Vergemeinschaftungen, wenn auch Vergemeinschaftung und soziale Bezüge nie ganz von räumlicher Nähe losgelöst sind. Posttraditionale Vergemeinschaftungen beruhen oft auf ästhetischen Präferenzen, einem als gemeinsam empfundenen Arbeits-und Lebensstil. Als Prototypen im Internet können Fan-Communities gelten, aber auch translokale Arbeits-und Wissensgemeinschaften. Theoretischer Bezugsrahemen ist u.a. das Konzept des Neotribalismus von Michel Maffesoli ("Le temps des tribus"). In der Marktforschung wurden einzelne Spezikationen zur Netnographie entwickelt.

Geschlecht und Geschichte in populären Medien

Geschlecht und Geschichte in populären Medien, 2013

Im Oktober 2008 ließ der Entertainer Harald Schmidt in seiner abendlichen TV-Show den Fernsehzuschauer im heimischen Wohnzimmer an seiner Interpretation der gerade vollständig erschienenen Gesellschaftsgeschichte von Hans-Ulrich Wehler teilhaben. Neben seinen Erklärungsansätzen zu den unterschiedlichen historischen Schulen und Theorieansätzen führte Schmidt das Publikum mithilfe von Playmobilinstallationen durch die deutsche Geschichte und damit vom Teutoburger Wald bis zur Wiedervereinigung. Das Symbol für die Nachkriegszeit waren neben den kaugummibringenden US-Soldaten, den Kriegsversehrten und dem Volkswagen vor allem die »Trümmerfrauen«. Mit dieser Darstellung bediente Harald Schmidt ein gängiges und zum Klischee geronnenes Bild der Nachkriegszeit, wie es im kollektiven Gedächtnis der Deutschen, in dem die »Trümmerfrau« einen konstitutiven Platz einnimmt, gespeichert ist. Seit mindestens zwei Jahrzehnten wird dieses Bild durch historische Darstellungen in Zeitungen und Zeitschriften, Schulbüchern, Museen sowie in Film-und Fernsehdokumentationen beständig reproduziert. Hierbei werden die »Trümmerfrauen« in auffällig stereotyper Weise mit Kopftuch auf dem Haupt und Hammer in der Hand bzw. in Eimerketten arbeitend dargestellt. Die dazugehörigen Kommentare suggerieren, dass die Frauen freiwillig damit begannen Deutschland wieder aufzubauen, als die Männer noch im Krieg, in Gefangenschaft oder gar gefallen waren (Krauss 2009: 738-740; Frankfurter Rundschau, 22. Mai 2009: 2). Diesem vor allem durch populäre Medien geprägten »Trümmerfrauen«-Bild im kollektiven Gedächtnis der Deutschen soll im Folgenden nachgespürt werden. Anhand einer Analyse zeitgenössischer Presseerzeugnisse von 1945 bis 1949 wird nach dem Ursprung des heutigen »Trümmerfrauen«-Bildes und dem damit zu

Medien-Ethnographie

Eine kleine informelle Anfrage bei einigen Freunden und Kollegen 1 nach deren Wissen über Medienethnographien provozierte oftmals zwei Gegenfragen. Die erste: «Was genau meint ihr denn mit Medien?» Die zweite: «Was genau meint ihr mit Ethnographie?» Damit sind wir im Kern eines konzeptionellen Problems: Kombiniert man die beiden Begriffe, entsteht eine sozialwissenschaftliche Methode, die ungleich etwa der Organisationsethnographie keine unmittelbar evidenten Grenzen aufweist. Mehr noch: Sowohl «Medien-» als auch «-ethnographie» werden in der Kombination zu problematischen Begriffen. Unter Medienethnographie verstehen wir die Ethnographie über Menschen, die Medien nutzen, konsumieren, distribuieren oder produzieren. Diese erste Definition ist aus gutem Grund weit angelegt: Sie soll nicht die Funktion einer methodenpolizeilichen Grenzziehung des Feldes einnehmen, die dann Auskunft über Ein-oder Ausschluss bestimmter Arbeiten gibt. Vielmehr dient sie als Basislager, von dem aus die Vielfalt der Arbeiten zum Thema erkundet wird.

Räume sprechen, Diskurse verorten? Überlegungen zu einer transdisziplinären Ethnografie

In dem Beitrag werden die Möglichkeiten und Erkenntnisgewinne einer transdisziplinären Verschränkung der analytischen Kategorien "Raum" und "Diskurs", insbesondere für die kulturwissenschaftliche Stadt-und Öffentlichkeitsforschung, ausgelotet. Ausgangspunkt dafür ist eine gemeinsame Forschungserfahrung der Autorinnen, die interdisziplinäre Ethnografie politischer Raumaneignungen in Mexiko-Stadt, bei der sich die jeweiligen Spezialisierungen (ethnografische Raumforschung bei WILDNER, semiotische Diskursanalyse bei HUFFSCHMID) kreuzten. Diese "Kreuzung" wird hier zunächst in ihren konzeptionellen Prämissen nachvollzogen und anschließend nach Lerneffekten für die analytische Praxis befragt. Ausgangspunkt dafür ist die Annahme der gegenseitigen Durchdrungenheit von Räumlichkeit und Diskursivität: kein Raum (im Sinne von LEFEBVRE) kann ohne seine diskursive Konfiguration gedacht werden, Diskurs (im Sinne FOUCAULTs) wiederum ereignet sich nicht im "luftleeren", sondern in einem sowohl materiell wie auch sozial konstruierten Raum. Diskutiert werden die methodischen Ansätze der Beobachtung, Lektüre, Beschreibung und Analyse räumlicher wie diskursiver Praktiken und Materialitäten. Anhand des Fallbeispiels der Wahlkampfveranstaltung wird schließlich nach den Schnittstellen und möglichen Verschränkungen zwischen Raum-und Diskursforschung gefragt, die an den Begriffen Setting/Bühne/Inszenierung, Einschreibungen, Kontrolle/Macht expliziert werden. Erschienen in: FQS, Forum Qualitative Sozialforschung, Bd. 10, Nr. 3 (2009), in http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1224