Repräsentation als agentieller Schnitt? Provokationen und Potentiale im Verhältnis von New Materialism und (feministischer) Filmwissenschaft (original) (raw)

Materialitat, Affektformierung, Asthetischer Widerstand, oder worin der Feminismus plastischer ist als Joseph Beuys

ZÄK, Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, 2023

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Feministischer Materialismus? Überlegungen zum agentiellen Realismus Karen Barads

Geschlecht Differenz Identität, 2018

Vor mittlerweile über zehn Jahren hat die feministische Theoretikerin und Quantenphysikerin Karen Barad mit Meeting the Universe Halfway (2007) den Versuch unternommen, eine philosophische Theorie unter dem Namen agentieller Realismus vorzulegen, die der Verschränkung von Erkenntnistheorie, Ontologie und Ethik gerecht wird und sowohl ein neues Verständnis von Materie als auch von sozialen Praktiken anzubieten verspricht. Wie der Name agentieller Realismus verrät, grenzt sie sich damit hauptsächlich vom Sozialkonstruktivismus ab. Aus dem über 500 Seiten schweren Buch wurde 2012 nur ein Kapitel ins Deutsche übersetzt. Betrachtet man nur diese deutsche Übersetzung, die unter dem Titel Agentieller Realismus. Über die Bedeutung materiell-diskursiver Praktiken erschienen ist, dann ist es gar nicht so selbstverständlich Barad als feministische Theoretikerin zu lesen. Doch tatsächlich ist es ihr Anspruch, ein „feministisches Konzept von Realismus zu formulieren“ (Barad 2015a, S. 62) In jüngster Zeit ist Barads Ansatz auch in deutschsprachigen feministischen Theoriedebatten angekommen. Dabei wird sie als eine Hauptvertreterin des new materialism oder des material turn diskutiert. Die folgende Auseinandersetzung mit Barad wird der Frage nachgehen, wie der agentielle Realismus als feministischer Materialismus verstanden werden kann: Inwiefern ist Barads Konzeption von Materialismus feministisch? Barads agentieller Realismus soll daher in erster Linie als Auseinandersetzung, Fortführung und Kritik an Judith Butler und Donna Haraway rekonstruiert werden. Damit schreibt sich Barad also in eine spezifische feministische Debatte ein, die mit Simone de Beauvoirs Satz „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (Beauvoir 2009, S. 334) beginnt, also mit der Unterscheidung von sex und gender, und zu Butlers Kritik dieser Unterscheidung führt. Butler wurde seit dem Erscheinen von gender trouble, also seit Anfang der 1990er Jahre, der Vorwurf gemacht, Körperlichkeit zu nachlässigen – mit dem feministischen material turn gerät Materialität und Körperlichkeit gerade (wieder) in den Fokus feministischer Theoriebildung.

Vom Begehren nach Materialität: Sonischer Dreck, Exploitationkino, feministische Theorie

Stoff wechseln? Ein geschlechterkritischer Blick auf Material und Medium. FKW Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur, 2014

Current developments in cultural studies and queer feminist theory point towards a ‚material turn‘, which calls for addressing the material bases of media etc. as significant and potentially agential in political and cultural dynamics. This turn aims towards a deconstruction of modern binaries (mind vs. body, culture vs. matter, meaning vs. affect), which also shape hegemonic conceptions of sex, gender and desire. This paper explores the critical potential of this turn for a feminist engagement with American exploitation cinema of the later 1960s. I focus on excessive sound textures: on noise, distortion, dirt and wear in the audio track of Herschell Gordon Lewis’ She-Devils on Wheels. By tracing the affective-meaningful resonances sonic dirt may activate, I ask how material criticism provides productive perspectives in dealing with two central, yet problematic categories in feminist cultural criticism: agency and the sovereign subject.

Der Widerspenstigen Zähmung? Zur Politik der Repräsentation im gegenwärtigen US-amerikanischen Independent-Film

2006

»Verlieren Sie Ihr Herz niemals an etwas Wildes, Ungezähmtes, Mr. Bell« riet ihm Holly. »Das war Doks Fehler. Immer brachte er sowas mit heimgeschleppt. Einen Habicht mit geknicktem Flügel. Einmal eine ausgewachsene Wildkatze mit einem gebrochenen Bein. Aber man soll sein Herz nicht an solch wildes Zeugs verlieren -je mehr man das tut, desto stärker werden die. Bis sie stark genug sind, um davonzulaufen, fort in den Wald. Oder auf einen Baum fliegen. Dann einen höheren Baum. Dann den Himmel. So wird's zum Schluß ausgehen, Mr. Bell. Wenn Sie Ihr Herz an solch ein wildes Tier verlieren. Dann schauen Sie zum Schluß nur hinauf in den Himmel.« (Truman Capote, Frühstück bei Tiffany's (1988:60)) Als ich jung war, dachte ich, ich würde nie aus New York wegziehen, aber es kam der Tag, da konnte ich es nicht mehr ertragen, dass ich alle kannte. (Sarah Schulman, Schimmer (2001:9))

(Neu-)Politisierungen in feministischen New Materialisms: Elizabeth Grosz, Jane Bennett und Rosi Braidotti

Freiburger Zeitschrift für GeschlechterStudien, 2018

In Auseinandersetzung mit Materialitäten entwickeln feministische New Materialisms ein neues Verständnis politischer Praxen. Materialitäten, insbesondere Körper, werden als aktiv verstanden, mit einer eigenen agency. Im Anschluss an Gilles Deleuze werden hier drei zentrale Theoretikerinnen der feministischen New Materialisms mit ihren je unterschiedlichen (Neu-)Politisierungen von Materialitäten diskutiert: Elizabeth Grosz schließt an die Gedanken von Deleuze zur Kraft des Lebens an und politisiert sie. Die Intuition ist hier eine Erfahrung und Partizipation in den Lebensprozessen der Materialitäten. Jane Bennett greift ebenso auf Deleuzes Konzeption von vitalen und dynamischen Materialitäten zurück und entwickelt ausgehend davon eine Politik der Sorge und Verantwortung für Materialitäten. Als Letztes wird Rosi Braidottis Theorie untersucht. Ausgehend von Deleuzes Ideen zum Frau-Werden entwickelt sie eine widerständige Praxis des Feminismus und der sexuellen Differenz gegen die Ordnung der ‚Männlichkeit‘. Am Ende werden die theoretischen und politischen Konsequenzen dieser Mikropolitiken in den feministischen New Materialisms diskutiert.