Kreuzzug – Heiliger oder Gerechter Krieg? Legitimierung der 'militia christi' in den Kreuzzugsbriefen. Mit einer Skizze zur Ideengeschichte von den Kirchenvätern bis Martin Luther. (original) (raw)
Und in einem solchen Krieg ist es christlich und ein Werk der Liebe, unter den Feinden unverzagt zu würgen, zu rauben und zu brennen und alles zu tun, was Schaden bringt, bis man sie überwindet […]" 1 Martin Luther -Augustinermönch, Theologieprofessor und Gesicht der Reformationreagierte mit seinen Schriften immer wieder auf die Tagespolitik seiner Zeit und vermag den heutigen Leser mit unerwarteten Urteilen und Stellungnahmen zuweilen in Erstaunen zu versetzen. Die hier zitierte Programmschrift "Von weltlicher Obrigkeit, wieweit man ihr Gehorsam schuldig sei" (1523), einer der zentralen Texte zum Verständnis der auf ihn zurückgehenden "Zwei-Reiche-Lehre", ist nur einer von vielen Wegsteinen in der theologischen Diskussion um eine christliche Staats-und Kriegsethik. In dieser Tradition stehend kam er nicht umhin, auf zwei prominente Prinzipien zurückzugreifen, die -selbst ein Jahrtausend später -noch immer maßgeblichen Einfluss auf das Verhältnis zwischen Kirche und Staat auf der einen und Kirche und Kriegswesen auf der anderen Seite ausübten. Das augenscheinlichere von beiden darf wohl die noch im Namen spürbare Ähnlichkeit zur "Zwei-Schwerter-Theorie" sein, durch die Papst Gelasius I. einst staatliche potestas neben die auctoritas geistiger Würdenträger gestellt hatte, insbesondere natürlich im Hinblick auf die Stellung des Heiligen Stuhls selbst. 2 Zum anderen stand die im 5. Jhd. verfasste Schrift De civitate Dei des Kirchenvaters Augustinus und das daraus -u.a. von Thomas von Aquinweiterentwickelte Konzept des bellum iustum Pate für Luthers eigene Kriegsethik. Für das Mittelalter, insbesondere für die Betrachtung des Phänomens "Kreuzzug", ist aber auch die Untersuchung eines Kriegstypus unumgänglich, der zunächst völlig disparat erscheint: der Heilige Krieg. Was ist "gerechter", was "heiliger" Krieg? Ist eine klare definitorische Abgrenzung möglich? Galt der "Heilige Krieg" auch als gerecht, da geheiligt? Sind bellum iustum und bellum sacrum miteinander vereinbar und als was sind dann die Kreuzzüge zu verstehen? Wichtiger noch: Wie wurden sie von den Teilnehmern selbst verstanden? Die Kreuzfahrer waren in frommer Hochstimmung dem Ruf Urbans II. gefolgt und hatten die beschwerliche Orientfahrt angetreten. Die blutige Spur aber, die die milites Christi bis zum Heiligen Grab zogen, war so gewaltig, dass der Kreuzzug von Besiegten wie von Siegern 1 LUTHER, Martin: Von weltlicher Obrigkeit, wieweit man ihr Gehorsam schuldig sei (1523), Text online im Gutenberg-Projekt einsehbar: http://gutenberg.spiegel.de/buch/267/1 (Stand: 28.08.2012). 2 Gleichzeitig war damit das Konfliktpotential angelegt, das sich im Mittelalter immer wieder zwischen Papst und Kaiser zu entladen drohte und letztlich im Investiturstreit gipfelte. Die Ausdeutung nämlich, dass der Papst im Besitz beider Schwerter sei und er das weltliche somit dem Kaiser zwar freiwillig, aber auf Abruf überlasse, bildete Grundüberzeugung des Reformpapstums. Vgl. Dictatus Papae (1075). Dogmatisch festgesetzt wurde der "Primat des Papstes" erst im Ersten Vatikanischen Konzil (1807).