" Kulturindustrie " : Theoretische und empirische Annäherungen an einen populären Begriff (original) (raw)
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„Kulturindustrie“: Annäherungen an einen populären Begriff
„Kulturindustrie“: Theoretische und empirische Annäherungen an einen populären Begriff, 2018
Hrsg. v. Martin Niederauer u. Gerhard Schweppenhäuser. Beiträge von Melanie Babenhauserheide, Fabio Akcelrud Durão, Daniel Martin Feige, Per Jepsen, Susanne Martin, Stefan Müller-Doohm, Martin Niederauer, Max Paddison, Konstantinos Rantis, Tilman Reitz, Christine Resch, Gerhard Schweppenhäuser, Hermann Schweppenhäuser, Heinz Steinert, Andreas Sudmann und Shierry Weber Nicholsen
Handbuch Kritische Theorie, 2019
Der Begriff "Kulturindustrie" steht für die Kritik des Kulturbetriebs der Industriegesellschaften seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Die ästhetisch-kulturelle Sphäre wird auf die Warenform ihrer Produkte reduziert; das prägt die Weisen, wie Menschen die Welt wahrnehmen. Hintergrund der Kritik ist ein normativer Kulturbegriff: Kultur war ein Bereich, der sich ökonomischen Zwängen ein Stück weit entziehen kann, insofern auch Vorschein einer befreiten Gesellschaft. Damit ist es im Zeitalter der "Kulturindustrie" vorbei. In dieser Phase folgen Produktion und Rezeption kulturell-symbolischer Formen zur Gänze der Logik der Warenproduktion.
Kulturwirtschaft und kommerzielle Diakonie
Die Kulturwirtschaft stellt inzwischen eine Form von Industrie dar, die es längst nicht mehr zu unterschätzen gilt, erheblich an Einfluß gewonnen hat und mit erstaunlichen Wachstumsraten aufwarten kann (Ertel 2006). Obgleich oder gerade weil kleine und mittlere Unternehmen bei weitem dominieren, führt die Gesamtschau eine äußerst dynamische Branche zu Tage, die angesichts der enormen Organisations-und Produktvielfalt durchaus zu Recht als Kreativwirtschaft bezeichnet wird (Wiesand 2006). Von daher erklärt sich auch, wenn die Kultur-oder Kreativwirtschaft als ein wichtiger Wirtschaftsfaktor angesehen wird, bis hin zu der Möglichkeit einer weitgehenden Kommerzialisierung dieser Branche. Man könnte diese Entwicklung gewiß weiter verfolgen, Chancen und Risiken kritisch beleuchten und eine Art Zwischenbilanz ziehen. Indes gibt es in vielerlei Hinsicht Anlaß dafür, das Selbstverständnis der Kultur-oder Kreativwirtschaft kritisch zu hinterfragen. Ist es denn immer noch der Fall, daß allein dieser Branche das Privileg zukommt, sich primär mit Kultur und Kreativität zu befassen? Oder gibt es nicht genug Anzeichen dafür, daß normale Wirtschaft längst zur Kultur-und Kreativwirtschaft geworden ist? Läßt sich die Bedeutung dessen, was unter Kultur-oder Kreativwirtschaft bislang verstanden wurde, weiterhin auf diese Branche begrenzen? Oder ist es nicht vielmehr so, daß viele Unternehmen, insbesondere aus dem Konsumgüterbereich, in ihrer Selbst-und Produktdarstellung massiv auf Kultur und Kreativität setzen? Sicher wäre hierbei in erster Linie an die Werbebranche zu denken, die Kreativität als ihre zentrale Kompetenz begreift und in ihrer Außenwirkung zweifelsohne als ein Teil der Kultur-und Kreativwirtschaft wahrgenommen wird (Bäumler 1996; Ewen 2001; Koppetsch 2006). Doch unterschätzt selbst diese Perspektive noch, welche langfristigen
Das kulturtheoretische Defizit industriesoziologischer Forschung
PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft
Innerhalb kritisch orientierter Gesellschaftstheorie läßt sich heute eine Deutung gegenwärtiger Konflikt- und Krisenlagen feststellen, die bislang eher zum zeitdiagnostischen Kern konservativen Gesellschaftsverständnisses gehörte; diese mittlerweile recht verbreitete Position bewertet das Auftauchen neuer sozialer Bewegungen, insbesondere aber die spektakulären Äußerungsformen jugendlichen Protestverhaltens, mehr oder weniger explizit als Beleg dafür, daß die Arbeiterschaft als Gegenstand theoretischen Interesses, Objekt politischer Agitation und Subjekt gesellschaftlicher Veränderung zunehmend an Bedeutung verliere. Mit Blick auf die beachtliche Distanz der westdeutschen Arbeiterschaft zu den neuen Verweigerungs-, Protest- und Widerstandsformen der Alternativ-, Ökologie- und Frauenbewegung wird inzwischen nicht mehr nur vereinzelt »Abschied vom Proletariat« genommen und das »Ende der Arbeiterbewegung« verkündet.
1992
Zur ethnologischen Erforschung von Unternchmcnskulturcn 3 che Unterschied zum kulturwissenschaftlichen Begriff von Unternehmenskultur zu sehen, der eine rein heuristische Kategorie darstellt. Die Tatsache, dass sich viele neuere Ansätze in den Wirtschaftswissenschaften bei der Untersuchung von Unternehmenskulturen anthropologischer Methoden bedienen,10 bedeutet also nicht, dass sich die wirtschaftswissenschaftlichen und kulturwissenschaftlichen Methoden zur qualitativen Erforschung von Unternehmenskulturen gleichen; vielmehr zeigen sich tiefgreifende Unterschiede. So führen diese Methoden im Forschungskontext einer anwendungsbezogenen beziehungsweise am Unternehmenserfolg orientierten Wissenschaft zu verzerrten oder gar verfälschten Ergebnissen," und wie P. Ulrich (1990) am Beispiel des "symbolic management", eines typischen "Ethno-Ansatzes" amerikanischer Managementwissenschaft, aufzeigt, verlieren diese aus der Anthropologie entliehenen Ansätze ihren ursprünglichen Sinn und geraten zu "zynischen Werkzeugen" einer modebewussten Pseudowissenschaft. Hier sollten die Völkerund Volkskunde durch eigene empirische Arbeit und durch einen Austausch ihrer Ergebnisse mit den Wirtschaftswissenschaften ein Korrektiv schaffen. Dabei können diese beiden Fächer bereits auf eine reiche Forschungstradition zurückgreifen, von der einige Ansätze im nächsten Abschnitt kurz dargestellt werden sollen. B. Ansätze zu einer kulturwissenschaftlichen Erforschung von Industriebetrieben In diesem Abschnitt wird der Forschungsstand in der Völkerund Volkskunde skizziert. Es soll herausgestellt werden, welche Ansätze und Fragestellungen der Kulturwissenschaften bei der Erforschung von "Unternehmenskultur" hilfreich sein können. "Industrial Anthropology" Die US-amerikanische Anthropologie beschäftigt sich seit der 1933 erschienenen Arbeit des Psychiaters Elton Mayo über "The Human Problems of an Industrial Civilization" mit Phänomenen industrieller Gesellschaften. Beim berühmten "Hawthorne-Projekt" in den vierziger Jahren, einer Untersuchung der Harvard Business School über den Zusammenhang von Arbeitsproduktivität und informellen Beziehungen unter den Mitarbeitern eines Betriebes der Firma Western Electric, waren die Kulturanthropologen Chappie, Arensberg, Gardner und Richardson, die späteren Gründungsmitglieder der Society for Applied